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"Markus Lanz": Palmer hat "die Schnauze voll" von Corona-Bürokratie

Boris Palmer hat eine ganz klare Vorstellung, wie es nun in der Pandemie weitergehen sollte.
Boris Palmer hat eine ganz klare Vorstellung, wie es nun in der Pandemie weitergehen sollte.bild: screenshot zdf
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Bei "Lanz": Palmer hat "die Schnauze voll" und will alle Corona-Beschränkungen abschaffen

26.01.2022, 06:5426.01.2022, 06:59
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Markus Lanz freut sich über seine "pickepackevolle Sendung". Da geht es um den CDU-Politiker Max Otte, der sich von der AfD zum Bundespräsidenten hat vorschlagen lassen und um die Knappheit von PCR-Tests in Deutschland sowie die Impfpflicht, zu der im Bundestag die Orientierungsdebatte stattfindet. Und dazu hat sich Lanz so hochkarätige Gäste eingeladen, dass er mit ihnen sonst auch schon mal zwei Sendungen bestreiten könnte.

  • Daniel Günther, Ministerpräsident Schleswig-Holstein (CDU)
  • Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen (Die Grünen)
  • Prof. Hendrik Streeck, Virologe
  • Corinna Milborn, Journalistin aus Wien
  • Cerstin Gammelin, "SZ"-Redakteurin

Mit einem Parteiausschlussverfahren hat sich die CDU bei ihrem AfD-nahen Rechtsausleger Hans-Georg Maaßen bisher schwer getan. Doch nun gibt es einen neuen Fall: Die AfD hat sich für den Vorsitzenden der konservativen CDU-Werteunion, Max Otte, als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ausgesprochen. Und die CDU zeigt klare Kante. So antwortet auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther auf die Frage, wie es mit Otte in der CDU weitergeht.

"Es geht natürlich gar nicht weiter." Otte hatte die Nominierung als "eine der höchsten Ehren" bezeichnet. Der CDU-Bundesvorstand betreibt nun den Parteiausschluss. "Dass die CDU mit der AfD überhaupt keine Gemeinsamkeiten hat, keine Zusammenarbeit möglich ist, wer das nicht verstanden hat, hat in der CDU auch nichts zu suchen." Die AfD würde die "parlamentarische Demokratie verhöhnen", findet Günther.

Markus Lanz wendet sich an Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). "Wie bewertet Boris Palmer das...?", fragt der Moderator und Palmer fragt lachend "… als Experte für Partei-Ausschlussverfahren?"

Denn der Grüne mit Hang zu Law & Order hat selbst ein Verfahren seiner Partei am Hals, weil er immer wieder auffällig geworden ist. Das Fass zum Überlaufen brachte ein obszön-rassistischer Tweet über den Ex-Fußball-Profi Dennis Aogo, den Palmer ironisch gemeint haben will.

Auch beim Fall Otte bleibt Palmer beim Fußball. Für ihn ist klar: Man müsse sich für eine Mannschaft entscheiden und könne auch nicht für Bayern und Dortmund gleichzeitig auf dem Platz stehen. "Wenn man in der falschen Mannschaft spielen will, ist man raus – so einfach ist es." Kein Pardon für Otte. Er will jedoch, ganz im Gegensatz zu Daniel Günther und der Journalistin Cerstin Gammelin ("das ist keine Partei auf Augenhöhe") keine moralische Brandmauer gegen die AfD ziehen, sondern sie "behandeln wie jeden andere Partei".

"Ich glaube, dass das Dämonisieren, das Moralisieren, das Herabsetzen, insbesondere der Wählerschaft der AfD, eher eine Wagenburgmentalität erzeugt und sie stärker macht. Ich sage AfDlern, wo sie falsch liegen und moralisiere sie nicht. Und ich glaube, dass das langfristig erfolgreicher ist."
Boris Palmer

Er plädiert für eine inhaltliche Auseinandersetzung. "Die haben das gleiche Mandat, egal welchen Mist sie reden. So lange sie nicht verboten sind, sitzen sie im Bundestag."

Mit dieser Meinung steht er nicht nur innerhalb seiner Partei ziemlich allein da. Aber das ist ja der Unique Selling Point Palmers: Eine starke Meinung, egal, ob und von welcher Seite er Beifall bekommt. Und die hat er auch zur Corona-Lage:

"Ich habe die Schnauze voll, ich will nicht noch weitere Jahre mit diesen Bürokratismen gequält werden."

Er meint die unübersichtlich gewordenen Corona-Maßnahmen und Regelungen, die für die jetzige Phase der Pandemie nicht mehr hilfreich seien. Seine Abhilfe dagegen: "Wir tauschen alle alten Regeln ein und ersetzen sie durch eine einzige neue Regel – alle müssen geimpft sein, das versteht jeder."

Palmer hat eine Grundimmunisierung von zwei oder drei Dosen im Sinn für alle über 50 Jahre, denn ab diesem Alter steigen die Hospitalisierungsraten ohne Impfung merklich. Für organisierbar hält er das auch leicht. Er als Oberbürgermeister könne mit einem Knopfdruck das gesamte Einwohnermelderegister auf Briefumschlägen ausdrucken und Impfbenachrichtigungen losschicken. "Deutschland kann auch eine Impflicht umsetzen, wenn man das möchte."

Daniel Günther (CDU) ist für die Impfpflicht.
Daniel Günther (CDU) ist für die Impfpflicht.bild: screenshot zdf

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther ist "konsequent dafür", wenn es um die Impfpflicht geht. Er will sie sogar schon für alle ab 18 Jahren. Er versteht nicht, warum die Politik "hasenfüßig" reagiere. "Der Bundeskanzler bekleckert sich da auch nicht mit Ruhm, da würde ich mir schon ein anderes Vorgehen wünschen."

"Ich habe manchmal das Gefühl, man traut sich nicht, sich mit Leuten anzulegen und man nimmt lieber in Kauf, dass man Grundrechte von Leuten einschränkt, die sich eben nicht dagegen wehren.“
Daniel Günther

Der einzige Weg, um dauerhaft auf Einschränkungen verzichten zu können sei die Impfpflicht, glaubt Günther.

Virologe Hendrik Streeck ist gegen die Impfpflicht.
Virologe Hendrik Streeck ist gegen die Impfpflicht.bild: screenshot zdf

Das sieht ausgerechnet der Virologe Hendrik Streeck aber anders. "Wir impfen gegen eine Variante, die wir gar nicht mehr haben." Nämlich gegen die ursprüngliche Virus-Version, angepasste Impfstoffe für Delta oder Omikron gibt es noch nicht. Außerdem dürfe man auch den Genesenenstatus in der Gesamtbetrachtung der Lage nicht vernachlässigen. "Alle, die genesen sind, haben einen sehr guten Schutz vor schwerem Verlauf." Laut Studien wohl um die 300 Tage. Er findet, "dass wir den Genesenen-Status dem Impfstatus eigentlich gleichsetzen müssen".

Stattdessen hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Status gerade erst von einem halben Jahr auf drei Monate verkürzt. Streeck, der auch im Corona-Expertenrat der Bundesregierung sitzt, will sich nicht weiter dazu äußern, weil Verschwiegenheit verabredet worden sei. Was er aber sagt: "Wir wissen gar nicht, wie viele geimpft sind, wir wissen nicht, wer Schutz hat." Die Schutzrate liege möglicherweise viel höher als man denkt.

Schleppender Datenfluss, mangelnde Infos. Das zieht sich in Deutschland wie ein roter Faden durch die Pandemie. Aktuell sind PCR-Tests Mangelware hierzulande. Weil die Laborkapazitäten nicht ausreichen, werden die PCR-Nachweise nur noch priorisiert vergeben. Boris Palmer hat in seiner Stadt Tübingen mit einem Humangenetiker-Labor gesprochen, das noch genügend Kapazitäten zur Auswertung hätte, aber fachfremde Labore würden nicht genutzt, obwohl sie es könnten, klagt der Grünen-Politiker.

Der Virologe Streeck findet, die Sache sei komplizierter und es liege nicht nur an den Laborkapazitäten. Außerdem seien die in Deutschland in der Breite verwendeten Antigentests genau genug, um starke Infektiosität zu erkennen, die PCR-Tests hingegen wären manchmal sogar eher zu sensibel, so dass sie noch lange eine Gefahr anzeigen, auch wenn der Getestete schon nicht mehr ansteckend ist. Aber dafür gibt es eine einfache Lösung: In Wien wird bei PCR-Tests einfach der CT-Wert angegeben. Aus dem lässt sich rückschließen, ob jemand noch wirklich ansteckend ist.

Österreich macht allgemein vor, wie man PCR-Tests in der Breite einsetzt. TV-Journalistin Corinna Milborn ist aus Wien zugeschaltet und erzählt, dass dort mit gut 300.000 Tests am Tag doppelt so viel getestet wird wie in ganz Deutschland. In Österreich werden die meisten PCR-Tests mit dem Handyvideo als digitalem Zeugen in Eigenregie durchgeführt. Die Probe wird verschickt. Meist liegt das Ergebnis schon 12 Stunden später vor. Die PCR-Tests kosten den Staat dort pro Stück nur 6 Euro kosten statt wie hierzulande 52 Euro.

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