Polen hat am Abend für eine politische Überraschung im Ukraine-Konflikt gesorgt: Das Land will alle seine Kampfflugzeuge vom Typ Mig-29 an die Ukraine abtreten. Allerdings über den Umweg USA und den Stützpunkt Ramstein in Nordrhein-Westfalen. Als Markus Lanz anfängt zu talken, ist die Meldung noch ganz frisch und er bespricht sie sogleich mit folgenden Gästen:
Der Moderator fragt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), wann sie von der Flugzeugverschiebung gehört hat. "Diese Entscheidung habe ich konkret gerade erst erfahren", meint sie. Sie sei "absolut überrascht", gibt sie zu, obwohl die Diskussion an sich ja nicht ganz neu sei. Und auf Lanz ungläubiges Nachfragen antwortet sie etwas pikiert: "Die polnische Regierung muss die deutsche Regierung ja auch nicht um Erlaubnis fragen."
Warum genau und vor allem wie die Flugzeuge über die US-Airbase in Ramstein in die Ukraine kommen sollen, darüber kann die Runde auch nur spekulieren und kommt zu keinem wirklichen Ergebnis. Es bleibt die Frage, welchen Unterschied es macht, wenn beispielsweise ukrainische Piloten die Migs nicht von Nato-Mitglied Polen aus direkt in die Ukraine fliegen, sondern vom Stützpunkt des Nato-Mitglieds USA im Bundesland Rheinland-Pfalz des Nato-Mitglieds Deutschland.
Auch der "Welt"-Journalist Robin Alexander stellt klar: "Ramstein ist schon noch in Deutschland." Zudem handelt es sich bei den Migs mit hoher Wahrscheinlichkeit um Flugzeuge, die die Bundeswehr von der Nationalen Volksarmee der DDR übernommen hatte. Polen hat 28 Maschinen zu Beginn der 2000er Jahre für die symbolische Summe von einem Euro von Deutschland gekauft. Bis vor zwei Wochen hätte es in einer solchen Situation der Waffenverschiebung noch Gegen-Demonstrationen gegeben, mutmaßt Robin Alexander. "Da sieht man, was in unserem Land passiert ist. Ich finde das richtig, aber dass in dieser Entwicklung eine krasse Dynamik ist..."
Auch die Politikwissenschaftlerin Claudia Major findet, es ist "eine bemerkenswerte Entscheidung". Die Kampfflugzeuge könnten der Ukraine helfen, "wieder mehr Kontrolle über den Luftraum zu bekommen und den Krieg, der immer schmutziger geworden ist, etwas zurückzudrängen". Mit schmutziger meint sie: In den vergangenen Tagen sei seitens der Russen keine Rücksicht mehr auf die Zivilisten und deren Infrastruktur genommen worden.
Dass die Übergabe über Umwege geschehen soll, zeige "sehr deutlich die Sorge von Polen, in diesen Krieg hineingerissen zu werden" und dass sich das Land "der Brisanz dieses Vorhabens bewusst ist". Doch Lanz gibt zu bedenken:
Auf die süffisante Frage des Moderators hat Major nur eine ernüchternde Antwort: "Wenn Russland sich provoziert fühlen möchte, wird es sich provoziert fühlen."
Dass Putin wenig berechenbar ist, hat sich in den vergangenen Wochen schließlich mehrfach gezeigt in diesem Krieg, den sich vor 14 Tagen kaum jemand vorstellen konnte.
Und nun werden keineswegs nur Militärziele, sondern auch Wohngebäude beschossen, in den nächsten zehn Tagen würde man mit bis zu vier Millionen Flüchtlingen rechnen, sagt Strack-Zimmermann. "Auch im Krieg gibt es Regeln – nämlich die Zivilbevölkerung zu schonen." Aber was die russische Armee gerade praktiziere sei "rächen an der Bevölkerung", findet Strack-Zimmermannn. Putin sei "ein Mann, der keine Grenzen kennt, ein Mann, der selbst die Regeln des Krieges mit Füßen tritt". Da müsse man Grenzen ziehen. "Das sind wir auch den Menschen in der Ukraine schuldig."
Claudia Major sieht Europa gerade in "Sicherheitsunordnung", man müsse sich eine neue Strategie überlegen. Sie fragt:
Damit tut sich die Politik schwer. Derzeit gibt es zwar weitreichende Sanktionen gegen Russland, aber die stärkste Option wurde von Deutschland nicht gezogen: Der Verzicht auf russische Energieimporte. Karen Pittel, Ökonomin, Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, weiß, dass es für die russische Wirtschaft fatal wäre. "Wenn Erdöl- und Erdgasexporte wegfallen, ist nicht mehr viel übrig." Für Deutschland sei es hingegen machbar, wenn auch unter Anstrengungen. "Das können wir uns leisten – es wird bestimmt nicht billig." Sie rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von bis zu drei Prozent. "Das ist massiv." Pro Kopf wären das 800 bis 1000 Euro.
Wenn es nach Robin Alexander geht, führt daran aber kein Weg vorbei, um den Krieg zu beenden:
Dass Gas aus anderen Ländern für Deutschland erheblich teurer sei, stimme am Ende auch nicht wirklich, findet er. Mit ihren vom Gas-Geld gekauften Waffen hätten die Russen auch schon in Syrien erheblich zur Destabilisierung beigetragen. "Man muss die Kosten der Flüchtlingswelle mal einrechnen. Da muss doch wirklich der Groschen fallen, dass es so nicht weitergeht."
Gegen Ende der Sendung geht es noch kurz um das viral gegangene Tankstellen-Video von Tobias Hans (CDU), dem saarländischen Ministerpräsident. Darin schimpft er anscheinend spontan und emotional und im Dialekt über die hohen Benzinpreise, die "net nur die Geringverdiener" betrafen, sondern auch "die fleißigen Leute, die tanken müssen". Er fordert er eine "sofortige Spritpreisbremse".
"Boah ist das peinlich", sagt Strack-Zimmermann, "Ich bin ja die Letzte, die nicht knackigen Wahlkampf macht... Leute, Leute, Leute." Sie unterstellt Hans damit eine populistische Aktion, um Stimmen für die Landtagswahl im Saarland am 27. März einzufangen. Außerdem erinnere sie das Video trittbrettfahrerartig an die des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. "Das ist eine Qualität, da sind wir ja sehr weit unterm Tisch." In Anspielung auf die französischen Demonstranten, die 2018 gegen zu hohe Spritpreise in Sicherheitswesten demonstrierten, sagt sie. "Ich bin sicher, er hat mehrere gelbe Westen im Kofferraum liegen."