Die Gaspreise sind ums Dreifache gestiegen, die Strompreise nähern sich der Verdopplung. Ist das für Arme, Rentner, Familien, aber auch für Normalverdiener noch zu bezahlen? Frank Plasberg diskutiert das Thema "Kostenfalle Energie: Wie sollen wir das schaffen?" mit seinen Gästen, von denen jede:r Verzicht anmahnt oder auch dazu bereit ist. Nur bei der Weihnachtsbeleuchtung hört die Opferbereitschaft auf.
Alle wollen sparen. Auch mit ungewöhnlichen Mitteln. In Berlin knipst der Senat bei mehr als 200 Gebäuden das Licht aus. Mönchengladbach hat beschlossen, die Weihnachtsbeleuchtung in diesem Jahr nicht einzuschalten. Während zu Beginn des Kriegs in der Ukraine noch Entsetzen über den Angriff und dann eine gewisse Euphorie und Hoffnung angesichts der Standhaftigkeit der ukrainischen Verteidigung herrschte, zweifelt heute eigentlich kaum jemand daran, dass der Krieg den Winter überdauert und die Energiekrise weiter an Fahrt aufnimmt. Die Politik ruft zum Sparen von Gas und Energie im allgemeinen auf.
Allein die private Weihnachtsbeleuchtung verbraucht soviel Strom wie 200.000 Haushalten pro Jahr: 623 Millionen Kilowattstunden. Aber nachdem sich davor alle in Plasbergs Runde fürs Sparen ausgesprochen haben, will doch niemand die Weihnachtsbeleuchtung ausknipsen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr schiebt Sicherheitsbedenken vor, die er hat, wenn es zu dunkel wäre. Ganz so, als gäbe es keine Straßenbeleuchtung.
Rentnerin Renate Rönnau sagt schlicht: "Ganz ohne Weihnachtsbeleuchtung fände ich nicht gut". Und sogar der nicht als besonders romantisch bekannte Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther glaubt, dass nach zwei Jahren Pandemie öffentliche Räume belebt werden sollten. "Wir müssen auch auf unser gesellschaftliches Miteinander achten", außerdem sei diese Stromersparnis "nicht der zentrale Hebel".
Aber wie dann der durch den Krieg ausgelösten Energiekrise etwas durch Sparen entgegen setzen? Die Runde tut sich schwer.
Zu Beginn fährt Plasberg erstmal den FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr an, ob der ihm erklären könne, wie es passiert konnte, dass die Regierungskoalition die Rentner beim Energiegeld nicht berücksichtigt hat. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Versehen war", unterstellt Plasberg. Dürr weicht aus.
"Das ist eine Ausnahmesituation, da muss man schnell reagieren. Die eine perfekte Lösung gibt es in dieser Krise nicht." Aber bei einer Sache ist er sicher: Obwohl selbst 57 Prozent der FDP-Wähler eine Übergewinnsteuer für Unternehmen, die mit der Krise exorbitanten Gewinn machen, für richtig halten, sei dies "nicht das Richtige, auch wenn es populär klingt". Seine Idee: die vorhandenen Kernkraftwerke länger laufen lassen und somit vier Gigawatt und damit eine finanzielle Entlastung von 16 Milliarden Euro erreichen.
Amira Mohamed Ali, Linken-Fraktionsvorsitzende, denkt eher an die Bürger:innen: "Viele Leute haben Angst vor der Nebenkostenabrechnung." Die zusätzlich beschlossene Gasumlage hält sie für eine Ungeheuerlichkeit:
Ob sie denn die Pipeline Nord Stream 2 an den Start gehen lassen würde, um die Gasliefersituation zu entspannen, will Plasberg wissen. Sie ist eigentlich dagegen, aber bevor es zu Gasausfällen käme, "muss man darüber nachdenken. Es darf kein Tabu sein, man muss dann darüber reden." Aber sie stellt nochmal klar: "Ich wünsche mir das nicht, weil ich schon sehe, welches Signal das wäre: Es wäre ein verheerendes."I
Ihr Partei-Genosse Sören Pellmann hat zu Montagsdemos aufgerufen gegen die Gasumlage. Plasberg provoziert: "Gerade in Ostdeutschland, wo sie noch Wähler haben, ist der Montag als Demonstrationstag besetzt..." Er spielt damit auf die Pegida-Demos an. Aber mehr als darüber ärgert sich Amira Mohamed Ali über das "noch" in Plasbergs Frage. Halbherzig redet sich der Moderator angesichts von Umfragewerten von 4 Prozent für die Linke mit einem Versprecher heraus.
Er will dann aber doch provokant wissen, ob die Linke zur Abgrenzung gegen Pegida "auf der der linken Bürgersteigseite" spazieren gehen würden. Aber Mohamed Ali betont, dass sich der Montag auf die Montagsdemos zum Ende der DDR beziehe und hält ihm scherzhaft entgegen:
So harmonisch könnte es bleiben, doch FDP-Mann Dürr wirft der Linken dann noch vor, dass sie ja schon in der vergangenen Woche Seite an Seite beim Bürgergespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Neuruppin neben der AfD demonstriert hätten und Mohamed Ali ist sofort auf 180: "Das ist unglaublich – wir haben nicht Seite an Seite mit der AfD demonstriert. Das ist eine Unverschämtheit, wir haben nie mit der AfD demonstriert." Plasberg muss die Wogen etwas glätten.
Udo Sieverding, Energie-Experte der Verbraucherzentrale NRW, glaubt, dass der Politik in Bezug auf die Gaspreise lange nicht klar war, "dass wir vor der Welle stehen, die ein bis zwei Jahre dauert". Für ihn steht fest: "Wir haben Hunderttausende, wir haben Millionen Haushalte, die in den nächsten Monaten nicht wissen, wie sie ihre Energiekosten zahlen, da brauchen wir Entlastung."
Von der Gasumlage hält er wenig, sie sei ein "Konstruktionsfehler". Von den zwölf Versorgungsunternehmen, die bisher einen Anteil an der Umlage beantragt haben, sei Uniper wohl das einzige mit berechtigter Sorge, sonst insolvent zu werden. Die anderen hätten zum Teil glänzende Geschäfte und Gewinne gemacht, etwa mit Sonnen- und Windenergie. Sieverding ergänzt:
Obwohl er sich nicht deutlich für eine Übergewinnsteuer aussprechen will, denkt er doch laut nach: Wind- und Sonnenparks hätten mit sieben Cent kalkuliert und bekämen im Moment 25 Cent pro Kilowattstunde, machen also satte Gewinne.
Bei den Bürger:innen sehe es anders aus: "Die ersten Menschen stehen schon in den Beratungsstellen." Stadtwerke rechnen damit, dass zehn Prozent der Haushalte ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Bei Miete und Nebenkosten sei die rechtliche Lage so: "Wer zwei Monate nicht zahlt, steht vor der Kündigung. Da wird es eng – das ist die große Herausforderung für die Politik."
Rentnerin Renate Rönnau ist als Betroffene geladen, aber ihr scheint es finanziell noch vergleichsweise gut zu gehen. Sie will bewusster einkaufen und wird wohl an Theaterbesuchen sparen. Finanziell schlechter geht es den 12 Personen, sie sie ehrenamtlich in der Seniorenhilfe betreut: "Jede sagt mir: Ich habe Zukunftsängste." Die Politik und Unterstützungsmaßnahmen bezeichnet sie als "Hühnerhaufen".
"Jeder spritzt mal hier was und hier was, um den Bürger zu beruhigen." Für sie steht fest: "Wir, der ganz normale Bürger, zahlt immer die Zeche." Eine wirkliche Lösung hat sie nicht, wie sich ihre schlecht zu vereinbaren Ziele verbinden lassen: "Wir dürfen uns nicht erpressen lassen in Europa, ich will auch nicht frieren im Winter." Ein Pullover in der Wohnung sei ok, aber zwei und Strickjacke zu viel.
Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, ist sich sicher: "Wir stehen vor einem Wohlstandsverlust", es gebe einen Abfluss in Energie exportierende Länder, das könne nicht verhindert werden.
In Anspielung auf ein Zitat von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der angeregt hatte, auch mal statt zu duschen nur den Waschlappen zur Körperpflege zu nutzen, meint er: "Wir können nicht davon ausgehen, dass wir das wegbuchen können mit Waschlappen und so."
Nord Stream 2 zu öffnen, wie es etwa FDP-Vize Wolfgang Kubicki in einem Interview vorgeschlagen hat, findet Hüther nicht sinnvoll. Putin habe ja gar kein Interesse an einer zuverlässigen Lieferung von Gas. "Er will doch Unsicherheit organisieren." Für ihn steht fest: "Das wird er bei Nord Stream 2 genauso machen." Außerdem sei Deutschland auch auf die Unterstützung der Nachbarstaaten anwiesen. Sollte Nord Stream 2 an den Start gehen, ist er sicher: "Wir verlieren auch die Solidarität in Europa."