Der Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder fand am Mittwoch zum 102. Mal statt. Mit Spannung wurde zuletzt das Gutachten des Sachverständigen erwartet, der Auskunft über die brisante Tonbandaufnahme geben sollte, die vom 18. Januar 2018 stammen soll. Schnell stellte sich allerdings Ernüchterung ein. Der 53-Jährige betonte, dass für ihn die Untersuchung ergiebiger gewesen wäre, wenn das Aufnahmegerät bekannt gewesen wäre. Er sprach von Störgeräuschen, die seine Arbeit erschwert hätten.
Nach einer Stunde und 56 Minuten habe er ein "auffälliges Szenario" festgestellt. Dies sei innerhalb der Aufnahme besonders bezeichnend. Was davor und danach komme, würde möglicherweise nicht zueinander passen. Allerdings könne er keine klare Antwort darauf geben, ob es eine Manipulation gegeben habe oder nicht. Bis Mitte November läuft in jedem Fall noch der Prozess. Bis dahin gilt es weitere Fragen zu klären.
Am heutigen Prozesstag wurde eine Zeugin geladen, die sich als Steuerberaterin vorstellte. Sie sollte zu den Geschehnissen am 18. Januar 2018 befragt werden. Der Vorsitzende Richter Martin Mrosk gab an: "Herr Ferchichi entbindet Sie von der Schweigepflicht." Prompt wollte er von der 41-Jährigen wissen, was der Rapper ihr berichtet habe. Sie gab an: "Es war eine ungewohnte Situation. Ich kann mich an den Tag erinnern, habe eine bildliche Erinnerung." Das Treffen habe allein im Steuerbüro stattgefunden. Sie wären verabredet gewesen, um über Steuerunterlagen zu sprechen.
"Ich habe ihn gefragt, wie es ihm geht", sagte sie. Er habe geantwortet: "Nicht so gut." Die Zeugin erklärte: "Dann drehte er sich mit dem Kopf weg." Und weiter: "So kannte ich ihn nicht, deswegen war ich erstaunt." Wann genau das Treffen stattgefunden habe, wüsste die Steuerberaterin nicht mehr. "Im Frühjahr 2018 oder 2019" könnte es gewesen sein. Zum Gespräch meinte sie weiter: "Er hat gesagt, dass er in psychologischer Behandlung ist." Zudem merkte sie an: "Er hatte glasige Augen." Im Mai 2019 sagte sie bereits dazu bei der Polizei aus. "Wann das Gespräch mit Herrn Ferchichi war, wusste ich schon damals nicht", betonte sie.
Der Richter hielt der Zeugin ihre damalige Aussage vor. Zu diesem Zeitpunkt meinte sie: "Herr Ferchichi hat mir erzählt, es gab einen Termin um 17 Uhr." Damit meinte sie das Treffen in der Puderstraße am 18. Januar 2018. Nun sagte sie dazu: "Ich weiß, dass mehrere Personen dagewesen sind. Die Sekretärin soll nicht dagewesen sein." Das Treffen von Bushido in den Geschäftsräumen soll demnach "mehrere Stunden" gegangen sein, wie lange genau wüsste sie aber nicht.
Als sie danach gefragt wurde, wer in dem Raum gewesen sei, meinte sie: "Ich tue mich schwer, die Situation in meinem Kopf auseinanderzuhalten." Sie wüsste folglich nicht, ob Bushido ihr das erzählt habe oder sie es aus den Medien entnahm. Der Richter hakte nach: "Wovon gehen Sie aus, was Herr Ferchichi erzählt hat?" "Die Tür wurde abgeschlossen, Arafat, Rommel und noch eine Person sollen dabei gewesen sein." Zudem sei es sehr laut gewesen, habe sie von dem Gespräch mit Bushido in Erinnerung. So weit sie wüsste, soll neben der abgeschlossenen Tür die Sekretärin nach Hause geschickt worden sein.
Mit Blick darauf, ob es Drohungen oder Beleidigungen gegeben habe, erklärte die Zeugin: "Das weiß ich nicht. Er meinte, er hat sich nicht wohlgefühlt und wollte gehen. Er konnte aber nicht gehen, weil die Tür abgeschlossen worden ist. Von wem, weiß ich nicht." Damals habe sie ihm nicht geraten, was er jetzt tun könne. "Ich wollte mir nichts anmaßen", sagte sie dazu. Darüber hinaus merkte sie an: "Vielleicht hätte ich was sagen sollen. Es war still im Raum. Ich wollte ihm die Zeit zum Sammeln geben. Danach haben wir noch etwas Geschäftliches besprochen."
Ob es eine Person gegeben habe, die deeskalierend auf die Situation eingewirkt habe, könne sie allerdings nicht sagen. Die Zeugin meinte dazu: "Heute könnte ich mir vorstellen, wer es gewesen sein könnte. Ich habe Rommel als ruhig empfunden." Die Kammer hielt der Zeugin weitere Teile aus ihrer früheren Aussage vor. Dabei ging es um die Frage, womit Arafat Bushido gedroht habe. Dazu wüsste sie jetzt nichts mehr.
Damals antwortete sie darauf: "Ihn fertig zu machen. Ein Bruder von Arafat soll versucht haben, zu beschwichtigen. Es soll sehr laut gewesen sein. Er deutete an, dass es Handgreiflichkeiten gab." Die Kammer betonte, dass eine Erzählung über Handgreiflichkeiten etwas nicht Alltägliches sei. Dass sie dazu jetzt nichts mehr wüsste, sorgte für Verwunderung. "Ich finde es eigenartig, dass Sie das nicht in Erinnerung haben", hieß es.
Auch der Richter meinte: "Sie können sich daran erinnern, dass er Tränen in den Augen hatte, an den Inhalt aber nicht. Das kommt mir auch merkwürdig vor." Die Zeugin erklärte: "Aus Eigenschutz versuche ich, damit abzuschließen." Sie habe sich in der damaligen Situation unwohl gefühlt, weil sie nicht gewusst habe, wie sie reagieren solle. Ob Bushido ihr damals das Datum genannt hat, wann sich das Treffen in der Puderstraße ereignet habe, wüsste sie auch nicht.
In jedem Fall kannte sie den Rapper seit 2013, heute hätten sie keinen Kontakt mehr. Über das Verhältnis zwischen Bushido und Arafat sagte die Zeugin, dass sie die beiden grundsätzlich nicht streitend erlebt habe. Es sei wie bei Geschäftspartnern gewesen. Oberstaatsanwältin Petra Leister fragte schließlich: "Wie ist Herr Ferchichi sonst so drauf gewesen?" Die Zeugin erklärte: "Ich war positiv überrascht, dass er Manieren hat. Er war zuvorkommend, hat immer vernünftig mit mir gesprochen. Er hat nicht dem Bild in der Presse entsprochen." Am 25. August findet der nächste Prozesstermin statt.
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