Ungewöhnlich voll war der Gerichtssaal am 72. Verhandlungstag des Prozesses, den die Staatsanwaltschaft gegen den früheren Bushido-Manager Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder führt. Der Grund für den großen Andrang war wohl der geladene prominente Zeuge: Kenneth Brodowski, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Kay One.
Der Rapper arbeitete von 2007 bis 2012 sowohl mit Bushido als auch mit Arafat Abou-Chaker zusammen. Kay One war Teil des Labels "Ersguterjunge", kurz EGJ, und wurde vor allem durch den Song "Style & das Geld" bekannt, auf dem er zusammen mit Bushido rappt.
Am Mittwoch nahm er im Berliner Amtsgericht Tiergarten vor Richter Martin Mrosk Platz, um über seine Beziehung zu Bushido und Arafat Abou-Chaker auszusagen. Eine "komische Atmosphäre" sei das hier, sagte Kay One gleich zu Beginn. Denn auch wenn Bushido wie schon bei den letzten Prozesstagen nicht anwesend war, saßen auf der Anklagebank vier Männer, die er gut kennt. "Ich seh die alle zum ersten Mal wieder seit zehn Jahren", sagt Kay One über Arafat Abou-Chaker und seine drei Brüder Rommel, Nasser und Yasser.
Die Vernehmung startet. Kays Aussagen zum Verhältnis von Bushido und Arafat decken sich mit vielen derer, die vor ihm im Zeugenstand saßen. Die beiden seien "wie Brüder gewesen", sagt Kay One, Streit habe er zu seiner Zeit keinen beobachtet.
Wie es dann zum Bruch mit Bushido und Arafat gekommen sei, will der Richter von ihm wissen. 2012 hatte sich Kay One nämlich von EGJ losgesagt. Sein Vertrag sei ausgelaufen und er habe nicht verlängern wollen, sagt dieser. Nach anfänglich guter Freundschaft mit Bushido habe er sich mit diesem nicht mehr vertragen. Die beiden hätten sich schlicht auseinandergelebt. "Wir hatten keinen Streit, aber er war nur zu Hause und ich wollte was erleben, unterwegs sein", erzählt Kay.
Und obwohl Arafat zu diesem Zeitpunkt einer seiner "besten Freunde" gewesen sei, habe er das Label verlassen wollen. "Ich wollte alleine Musik machen", sagt Kay. Bushido und Arafat hätten das nicht verstanden, sie wollten mit ihm verlängern. Es kam zum Streit, erzählt Kay One.
Die Frage des Richters, ob ihm von Arafat Gewalt angedroht worden sei, falls er den Vertrag nicht verlängere, verneint der Rapper. "Ich wurde nie von jemandem aus Berlin verprügelt – toi, toi, toi", sagt Kay und klopft auf den Tisch – eine Aussage, die später noch wichtig werden würde.
Denn tatsächlich lief die Trennung alles andere als reibungslos: Bushido und Kay One lieferten sich in Interviews eine echte Schlammschlacht, veröffentlichten diverse Disstracks gegeneinander und zogen sogar vor Gericht. Dabei ging es um vertragliche Angelegenheiten, zum Beispiel, wer die Rechte am Namen "Kay One" trägt. Bushido wollte sich diesen damals patentieren lassen. Durch eine gerichtliche Einigung gelang es Kay aber seinen Namen zu behalten und von EGJ loszukommen.
Auch von diesen Vorkommnissen erzählt er vor Gericht ausführlich. Was er aber weiter verneint, ist, dass ihm während und nach dem Trennungsstreit von Arafat Gewalt zugefügt wurde. Dann schaltet sich Staatsanwältin Petra Leister in die Vernehmung ein – jetzt kommt der Rapper in Erklärungsnöte.
Denn die Staatsanwältin hält Kay One Aussagen vor, die dieser im Oktober 2013 bei der Polizei getätigt hatte. Und die werfen ein ganz anderes Licht auf die Beziehung zwischen ihm und Arafat Abou-Chaker.
Demnach hatte Kay One vor neun Jahren der Polizei erzählt, dass ihn Arafat einmal 15 Minuten lang mit einem Baseballschläger verprügelt habe. Der angebliche Anlass: Kay hatte zuvor mit drei Mitgliedern einer bekannten Girlgroup geschlafen. Der Musikmanager sei außer sich gewesen, habe ihn beschimpft und gefragt, ob er sein Geschäft zerstören wolle.
Konfrontiert mit seinen früheren Aussagen, reagiert Kay One ungläubig. Er könne sich an all das nicht erinnern, sagt er. "Das ist doch Blödsinn", schaltet sich der Richter ein. Wenn ihm sowas passieren würde, würde er das nicht so schnell vergessen. "Entweder Sie haben damals etwas Falsches gesagt, oder heute etwas Falsches gesagt", sagt er zu Kay.
Doch es geht noch weiter: Die Staatsanwältin offenbart, dass Kay One der Polizei 2013 auch erzählt hatte, dass Arafat ihn bei den Vertragsverhandlungen eingeschüchtert habe. Er habe gewusst, dass dieser "auch zuschlagen könne" und befürchtet, er komme "da nicht mehr lebend raus", wird Kay One in den Polizeiunterlagen zitiert.
Auf Nachfragen räumt dieser jetzt ein: "Ja, die waren sauer, es gab auch Stress, aber ich kann mich nicht erinnern." Er habe zehn Jahre versucht, die Streitereien zu verdrängen und es sei jetzt schwer, "da wieder reinzukommen". Doch auch Staatsanwältin Petra Leister glaubt ihm nicht. Sie erwäge, eine Anzeige wegen Falschaussage einzuleiten, sagt sie.
Der Prozess wird am 27. Juni fortgesetzt. Ob Kay One womöglich nochmal vor Gericht erscheinen muss, ist unklar.