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Yaenniver in Berlin: Weibliche Wut, politische Statements und Musik

Das vorletzte Konzert der Tour fand Freitagabend in Berlin statt.
Das vorletzte Konzert der Tour fand Freitagabend in Berlin statt.Bild: watson
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Yaenniver in Berlin: "Lebt jeden Tag so, dass das Patriarchat was dagegen hat"

Jennifer Weist, die Frau hinter der Künstlerin Yaenniver, begeisterte ihre treuen Fans nicht nur musikalisch in Berlin. Ihre politischen Statements machen vor allem eines: sie legen die weibliche Wut offen.
22.11.2025, 10:2722.11.2025, 10:27

Wann trifft Musik einen am härtesten? Genau dann, wenn sie einen wunden Punkt offen legt. Die einen kennen das Gefühl von früher, als man sich als Teenie ins Zimmer eingesperrt hatte und Heartbreak-Songs rauf und runter hörte.

So intensiv (hoffe ich zumindest) wird das im Erwachsenenalter nicht mehr. Umso schöner ist es, wenn Musik eine ganz andere, vielleicht oft tief versteckte Wunde trifft.

Eine Wunde, die aufgerissen werden muss, damit sich endlich etwas verändert. Oder zumindest ein verborgenes Gefühl seinen Platz bekommt: die weibliche Wut.

Yaenniver: Niemals ein Blatt vor dem Mund

Wer schon früher Fan der Rockband "Jennifer Rostock" war, weiß: Musik ist politisch. Auch das hat Jennifer Weist, Ex-Frontfrau der Band, in ihre Solo-Karriere als Yaenniver übernommen.

Es ist laut, es ist wild und bei ihrer "Angry Woman Tour 2025" ist der Name Programm. Denn Yaenniver ist wütend und will, dass ihre Fans das auch sind.

"Unsere Wut gilt den unterdrückenden Strukturen und Machtverhältnissen, nicht uns, denn wir schaden diesem System, wenn wir sind, wie wir sind", fordert die Künstlerin auf der Bühne auf. Es geht um Gleichberechtigung, um ein Gesehen werden und um das Aufbrechen von Strukturen.

Das beginnt damit, dass sich auf dem Konzert jede:r wohlfühlen soll: Schon am Eingang hängen Flyer an den Wänden, alle 20 Meter sieht man die Botschaften des Teams.

Die Konzertbesucher:innen sollen "aufeinander achten", die Crew nehme "jedes Anliegen ernst" und es gibt "keine Toleranz für Sexismus, Rassismus, Homophobie, Transphobie, Ableismus, Faschismus oder andere Formen von Diskriminierung und gewaltsamen Verhalten".

Diese Hinweise hingen an jeder Ecke.
Diese Hinweise hingen an jeder Ecke.Bild: watson

Dass das keine losen Floskeln sind, zeigt sich während des Konzerts nach dem Lied "nicht normal": In der Menge gibt es einen medizinischen Zwischenfall, die Sängerin stoppt die Show und verlangt nach Sanitäter:innen.

Erst als die Situation entschärft wurde, geht's weiter und der Künstlerin fällt sichtlich ein Stein vom Herzen: "Mensch, Berlin, hier ist was los heute. Bei einem Liebeslied brecht ihr zusammen, normalerweise passiert das immer beim Moshspit."

Jennifer Weist erzählt auch selbst von gesundheitlichen Problemen: Ein Jahr lang litt sie unter schweren Panikattacken, man merkt, wie ihre Stimme bricht, wenn sie schildert, wie es ihr in dieser Zeit ging. Hinter der starken Fassade steckt ein weicher Kern.

Die Sängerin will jedoch Mut machen. Denn alle, die an psychischen Erkrankungen leiden, entkommen dem gesellschaftlichen Stigma nicht, müssen dabei aber jeden Tag so stark sein, weiß die Künstlerin.

Yaenniver: Ist sie eine Männerhasserin?

Für ihren Song "Neue Männer" holt die 38-Jährige Leute aus dem Publikum auf die Bühne. Eingeladen sind Flinta-Personen, in Berlin wurde jedoch auch ein Cis-Mann auf die Bühne gebracht. "Die Männer muss man immer zweimal loben, wenn sie so etwas machen. Toll hast du das gemacht", merkt die Künstlerin sarkastisch an.

Ist das Männerhass? Keineswegs. Yaenniver liebt es, mit Rollenklischees zu spielen, um genau auf das aufmerksam zu machen, was ihr wichtig ist: Gleichberechtigung.

Denn zwei Männer hebt sie an diesem Abend besonders hervor: Ihren Partner Elmar Weyland und Drummer Christopher Kohl, der schon Schlagzeuger der Band Jennifer Rostock war.

Die beiden sind ein Anker in ihrem Leben und sie wünscht allen, dass sie genau solche Menschen im Leben finden, die ihnen diese Sicherheit geben können. Männer sind also niemals das Problem gewesen, zumindest nicht die Männer, die sich benehmen können.

Yaennvier: Musikalisch zwischen Nostalgie und neuen Beats

Aber wie war es nun eigentlich, neben all den politischen Statements? Kann die Musik noch was?

Ja, die kann definitiv was. Neben Hits aus dem neuen Album, wie zum Beispiel "Angry Woman" oder "Männer LOL", spielte sie auch ein paar Hits aus ihrem ersten Solo-Album "Nackt". Die Songs lösen Emotionen aus: Die Menge grölt mit, Tränen fließen und viele waren auch richtig wütend!

Auch der Song "Hengstin", aus der Zeit mit ihrer Band Jennifer Rostock, fand Platz im Line-up. Oh ja, die Menge war nicht nur textsicher, spätestens dann konnte niemand mehr stillhalten. Es wurde getanzt, mitgesungen und sich verbunden gefühlt.

Wall of Shame in Berlin: Feministische Projekte auf dem Konzert

Diese Verbundenheit lässt sich auch spüren, da Yaenniver auch vorab dafür sorgt, dass ihre Bühne richtig genutzt wird. So hat sich auch zum Konzert in Berlin die Bewegung "HandmaidsRiot" eingeladen, die ihre aktivistische Performance in der Menge abhielt.

Der Name und das Symbol der Gruppe bezieht sich auf die Serie "The Handmaid’s Tale" und will in lila Kostümen angelehnt auf die Serie aufmerksam auf patriarchale Gewalt machen. Die "Wall of Shame" bietet Konzertbesucher:innen die Möglichkeit, Namen von Tätern aufschreiben zu lassen, denen dann in einer kurzen Darbietung "die Schuld zugeschoben wird".

Hier konnten Betroffene "ihre Schuld" an die Täter zurückgeben.
Hier konnten Betroffene "ihre Schuld" an die Täter zurückgeben.Bild: watson

Im ersten Moment sind viele Konzertbesucher:innen irritiert. Doch auf den zweiten Blick passt genau das zum Gesamtbild des Konzerts: Alle für eine und eine für alle.

Genauso hat Yaenniver für mich einen Raum geschaffen, in dem weibliche Wut nicht nur akzeptiert, sondern sogar gefeiert wird. Wir müssen uns nicht schämen, wütend auf ein System zu sein, das nichts Gutes für uns möchte.

Und wenn ich mir eines zu Herzen genommen habe, was an diesem Abend gesagt wurde, dann das: "Lebt jeden Tag so, dass das Patriarchat was dagegen hat."

Danke Yaenniver, das mache ich. Jetzt auf jeden Fall noch ein bisschen wütender und mit deiner Musik im Ohr noch mehr als davor.

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