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Pudding mit Gabel essen: Gen Z feiert deutschen Tiktok-Trend in Berlin

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Das "Pudding mit Gabel essen"-Treffen zog am Sonntag Hunderte junge Menschen in Berlin an.Bild: watson
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Pudding mit Gabel essen: Warum die Gen Z den Tiktok-Trend wirklich feiert

Überall in Deutschland treffen sich junge Menschen, um gemeinsam Pudding mit einer Gabel zu essen. Am Sonntag fand endlich auch ein Event in Berlin statt. Und dort hat sich gezeigt: Was auf den ersten Blick wie ein sinnloser Social-Media-Gag wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als vielschichtiges Phänomen.
06.10.2025, 07:3606.10.2025, 07:36

Graue Wolken, 13 Grad und ziemlich windig – ideale Voraussetzungen für ein Picknick im Freien sehen anders aus. Trotzdem versammeln sich am Sonntagnachmittag Hunderte, überwiegend junge Menschen, im James-Simon-Park unweit der Museumsinsel in Berlin. Und sie haben alle ein Ziel: Sie wollen Pudding mit der Gabel essen.

Schon eine halbe Stunde vor Beginn des Events sitzen mehrere Gruppen auf der Rasenfläche, die teils mit feuchtem Laub bedeckt ist. Mit jeder Minute gesellen sich mehr Menschen dazu und breiten ihre Picknickdecken aus, sodass irgendwann kaum noch der grüne Rasen zu sehen ist. "Krass, es ist so voll", sagt jemand im Vorbeigehen.

Die Stimmung ist anfangs locker, es wird viel gelacht und geplaudert. Doch um 15.29 Uhr kommt Unruhe auf; in einer Minute soll das Event offiziell beginnen. Kurz brandet Applaus auf, dann beginnt das Ritual, das dieser Tage in vielen deutschen Städten durchgeführt wird: Die versammelten Pudding-Fans zählen von 10 herunter, klopfen mit ihrer mitgebrachten Gabel auf den Deckel des Plastikbechers und beginnen, ihre Süßspeisen zu essen.

Pudding-Events: von Karlsruhe in die große, weite Welt

Für manche mag es absurd oder gar sinnbefreit klingen, doch der Trend hat sich innerhalb weniger Wochen in ganz Deutschland ausgebreitet. Eine entscheidende Rolle hat dabei natürlich Social Media gespielt. Nachdem ein Video des wahrscheinlich ersten Pudding-Treffens in Karlsruhe Ende August viral gegangen war, zeigten sich viele Gen-Z-ler:innen begeistert und riefen dazu auf, sich auch in anderen Städten zu verabreden.

Und das traf auf große Resonanz: Unter anderem in Hamburg, Frankfurt am Main, Bonn, Hannover und Stuttgart haben bereits Pudding-Treffen mit mehreren hundert Teilnehmer:innen stattgefunden. Doch der Trend ist längst kein deutsches Phänomen mehr, auch in Österreich und der Schweiz haben sich viele junge Menschen schon getroffen, um kollektiv Pudding zu gabeln.

Und damit nicht genug. Auf Tiktok finden sich Videos aus der ganzen Welt, in denen sich junge Menschen zu Pudding-Treffen in Palma de Mallorca und Barcelona verabreden oder Aufrufe in London und New York starten. Inzwischen hat der Social-Media-Trend solche Ausmaße angenommen, dass sogar ein eigener Wikipedia-Artikel dazu erstellt wurde.

Doch eine Frage bleibt: Warum zur Hölle trifft man sich mit wildfremden Menschen im Park, um einen Pudding mit der Gabel zu essen? Watson war vor Ort und hat bei einigen Teilnehmenden nachgefragt.

Gen Z unter Druck: Einsamkeit und miese Wirtschaftslage

"Ich hab es zuerst auf Tiktok gesehen und dann geschaut, ob es auch ein Treffen in Berlin gibt", erzählt eine junge Frau im Gespräch mit watson. Und als sie fündig geworden sei, habe sie sich mit ihren Freund:innen verabredet. Aber warum? "Es ist einfach lustig", antwortet sie. Einen tieferen Sinn sieht sie nicht in dem Trend.

Ula und Nora hingegen schon. Die beiden sind auch über Tiktok auf das Treffen aufmerksam geworden. Sie wohnen noch nicht lange in Berlin, deswegen wollen sie die Gelegenheit nutzen, um neue Leute kennenzulernen. "Und es ist auch einfach eine witzige Idee", sagt Nora. Neben dem absurden Konzept scheint also auch der soziale Aspekt ein Grund für den Erfolg der Treffen zu sein.

Für einige spielen aber auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle. "Allein einkaufen ist super teuer geworden", sagt Justin. "Ich zahl jedes Mal mindestens zehn oder 15 Euro, wenn ich in den Supermarkt gehe". Früher sei das anders gewesen.

Für die üblichen Freizeitaktivitäten oder Hobbys haben manche junge Menschen zurzeit einfach kein Geld. "Aber so einen Pudding kann sich jeder leisten, den kriegst du schon für 80 Cent", ergänzt Justins Freundin Victoria. Und eine Gabel habe schließlich auch jede:r zu Hause.

Doch selbst das sind keine notwendigen Voraussetzungen, um an den Treffen teilzunehmen. Es gibt keine Einlasskontrollen, und so verspeisen einige Leute ihren Pudding im Berliner James-Simon-Park mit Stäbchen; andere haben statt Pudding einen Joghurt oder Mousse mitgebracht. Manche essen aus dem Plastikbecher, andere aus dem Glas und wieder andere haben sich ihren Pudding selbst zu Hause gekocht und in eine Tasse abgefüllt.

Auch das Publikum selbst scheint vielfältig zu sein. Über die biografischen Hintergründe der Teilnehmenden lässt sich zwar nur spekulieren, aber zumindest was den Kleidungsstil angeht, ist hier von feinem Mantel und Rollkragenpulli über Lederjacke und zerrissene Jeans bis hin zu Jogging-Zweiteilern alles dabei.

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Leere Pudding-Becher zeugen vom Erfolg der Gabel-Esser.Bild: watson

Die Stimmung unter den rund tausend jungen Menschen ist trotz mittelmäßigem Wetter an diesem Sonntag ausgelassen und friedlich. Auf Krawall ist hier niemand gebürstet; die meisten scheinen einfach nur einen entspannten Nachmittag mit ihren Freund:innen zu genießen.

Absurder Tiktok-Trend dient Gen Z als Eskapismus

Und das ist vielleicht auch dringend nötig angesichts der Krisen, mit denen sich die Gen Z zurzeit konfrontiert sieht. Mal abgesehen von der angespannten Wirtschaftslage beschäftigt viele die desaströse Lage in Gaza, der deutliche Rechtsruck in den USA, die politische Entwicklung in Deutschland und … ach ja, die Klimakrise existiert ja auch noch.

"Unsere Generation ist kaputt, aber auch irgendwie stark."
Victoria, Noah und Justin

"Man fühlt sich einfach machtlos, weil man das Gefühl hat, dass man als Einzelperson nichts ausrichten kann", sagt Noah gegenüber watson. "Aber weggucken bringt auch nichts, wir müssen zusammenhalten", wendet sein Kumpel Justin ein. Das Pudding-Treffen schaffe genau das: ein Zusammengehörigkeitsgefühl.

Daraus ziehen Noah, Justin und ihre Freundin Victoria ein wenig Hoffnung. Sie sagen: "Unsere Generation ist kaputt, aber auch irgendwie stark."

Ganz ähnlich sieht das Ula: "Es ist echt schwer Hoffnung zu haben, aber ich glaube, die Gen Z ist tougher als es manche vielleicht erwarten". Manchmal sei die Weltlage überwältigend und die anderen Generationen würden es ihnen nicht leicht machen. Aber: "Wir haben eine Stimme und eine Meinung". Und die versuche die Gen Z auch auf Protesten oder bei Wahlen auszudrücken.

"Es ist toll zu sehen, dass wir als Generation zusammenkommen, selbst wenn es nur für so etwas Dummes wie Pudding mit der Gabel essen ist", sagt Ula zu watson. "Als wir hergelaufen sind und die vielen Menschen gesehen haben, hatten wir einfach beide direkt ein riesiges Lächeln im Gesicht."

"Das hier ist einfach ein Reminder, dass Menschen auch cute und witzig sein können", ergänzt Ulas Freundin Nora. Und genau dafür gibt es am Sonntag genügend Beweise.

Im Park wuseln neben der grünen Eule einer bekannten Sprachlern-App auch ein Mensch im Batman-Kostüm herum. Später stößt noch ein Mann in einem Umhang à la Robin Hood hinzu, der auf einen Baum klettert und dort unter dem Jubel der Menge seinen Pudding mit der Gabel verzehrt.

Zuvor hat eine Tiktokerin im gleichen Park zum Sub-Event "Pudding mit den Füßen essen" eingeladen, während ein anderer versucht, seine Süßspeise mit einer komplett überdimensionierten Gabel aus einem Fünf-Kilo-Eimer zu essen.

Das alles mag für die älteren Generationen vielleicht absurd, kindisch oder gar dämlich wirken. Und zugegebenermaßen hat es seinen Sinn, warum wir seit Generationen unseren Pudding mit dem Löffel essen und nicht mit einer Gabel. Und doch sollte man nicht vergessen, dass manchmal aus den absurdesten Momenten Hoffnung und Zusammenhalt entstehen können.

Pudding mit Gabel essen: Warum die Gen Z den Tiktok-Trend wirklich feiert
Überall in Deutschland treffen sich junge Menschen, um gemeinsam Pudding mit einer Gabel zu essen. Am Sonntag fand endlich auch ein Event in Berlin statt. Und dort hat sich gezeigt: Was auf den ersten Blick wie ein sinnloser Social-Media-Gag wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als vielschichtiges Phänomen.
Graue Wolken, 13 Grad und ziemlich windig – ideale Voraussetzungen für ein Picknick im Freien sehen anders aus. Trotzdem versammeln sich am Sonntagnachmittag Hunderte, überwiegend junge Menschen, im James-Simon-Park unweit der Museumsinsel in Berlin. Und sie haben alle ein Ziel: Sie wollen Pudding mit der Gabel essen.
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