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Yungblud in Berlin: Warum das der nächste große Rockstar ist

Yungblud idols Tour 2025 M
Yungblud auf seiner "Idols"-Tour in München. Watson war in Berlin mit dabei. Bild: IMAGO images / Paranoyd Magazin
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Konzert in Berlin: Wie Yungblud es schafft, alle Generationen zu vereinen

Yungblud lässt in Berlin keine Seele unberührt. Und sichert ganz nebenbei den Fortbestand der Rockmusik. So war das Konzert des 28-jährigen Briten.
21.10.2025, 07:4821.10.2025, 07:48

Was genau macht einen Rockstar eigentlich zum Rockstar? Ich habe mir diese Frage schon oft gestellt – in kleinen Clubs, auf großen Festivals, im Schlafzimmer mit Kopfhörern.

Ist es das Image von Sex, Drugs & Rock'n'Roll? Diese überlebensgroße Pose aus Exzess und Schmerz? Oder ist es die raue, aber mächtige Stimme, die sich gegen Schlagzeug und Bass durchsetzt?

Vielleicht ist es etwas viel Intimeres: dieses Verarbeiten von tiefen Gefühlen, das emotionale Blankziehen. Plötzlich können tausende Menschen mit den eigenen Geschichten mitfühlen, mitsingen, mitheulen.

Yungblud zollt in Berlin Ozzy Osbourne emotionalen Tribut

Was davon der entscheidende Faktor ist, wird jeder Rockfan am liebsten für sich selbst beantworten. Aber eines habe ich an einem unscheinbaren Montagabend in Berlin realisiert: Wenn es jemanden gibt, der all das Potenzial in sich trägt, dann ist es Yungblud. Watson war bei seinem Konzert in Berlin dabei.

Natürlich rennt er in einem rockigen Lederoutfit auf die Bühne, abgerundet durch einen kecken, leicht flirtenden Blick. In dieser Sekunde, in dieser Halle in Berlin, fühlt es sich an, als läge die Antwort darauf, was einen Rockstar ausmacht, ganz offensichtlich vor mir.

Denn der 28-Jährige gilt längst als einer der aufregendsten Newcomer der Rockmusik. In der Szene hat er sich bereits einen Namen gemacht, nicht zuletzt dank seines Mentors, dem verstorbenen Black-Sabbath-Frontmann Ozzy Osbourne. Der "Prinz der Dunkelheit" war einer der prägendsten Musiker der Rockgeschichte und glaubte früh an Yungbluds außergewöhnliches Talent.

Bei seinem Berlin-Konzert zollt Yungblud mit einem Cover des Black-Sabbath-Klassikers "Changes" Tribut. Schon nach den ersten Tönen hallten laute "Ozzy!"-Rufe durch die Halle.

In der zweiten Hälfte des Songs bricht ihm schließlich fast die Stimme. Tränen laufen über sein Gesicht, und als ich mich umsehe, sehe ich, dass er nicht der Einzige ist. Auch in der Menge glänzen Augen. Ich bin mir sicher, in diesem Moment wird nicht ausschließlich um Ozzy Osbourne getrauert, sondern über dutzende persönliche Schicksalsschläge.

Schließlich hebt Yungblud den Kopf Richtung Himmel, lächelt schwach und sagt ins Mikrofon: "Rock'n'Roll geht um Liebe. Ozzy geht um Liebe. Yungblud geht um Liebe."

Yungblud: Ein echter Rockstar, ob mit oder ohne Aerosmith

Yungblud, der zuletzt eine Single mit Aerosmith veröffentlichte ("My Only Angel"), hat offensichtlich keine Kosten gescheut und das Ergebnis ist eine herausragende Show, die leicht überproduziert wirken könnte.

Doch im Gegenteil: Jede Sekunde wirkt authentisch. Denn trotz all des Spektakels steht immer noch seine Musik im Mittelpunkt. Neben der klassischen Rockband treten vier Streicherinnen auf, die mit Geigen und Celli der Wucht des Rocks eine unerwartete Zartheit verleihen.

Dem Rockstar-Image wird er natürlich trotzdem gerecht: Nach nur einem Song fliegt das Lederoberteil in die Ecke, wie sollte es auch anders sein. Ein randvolles Bier kippt er sich über den Kopf und den nackten Oberkörper, den Rest verteilt er in Bechern an die kreischende Menge.

Yungblud idols Tour 2025 M
Yungblud ist einer der vielversprechendsten Newcomer der Rockszene.Bild: IMAGO images / Paranoyd Magazin

Später klettert er mit einer Zigarette im Mund über die Barrikade zur jetzt völlig außer Kontrolle geratenen Frontrow. Seine E-Gitarre wirft er quer über die Bühne zu seinem Bandkollegen, der sie völlig unbeeindruckt auffängt. Dann lässt Yungblud das Kabelmikrofon durch die Luft wirbeln. Er wirkt wie ein Rockstar, durch und durch. Und doch braucht es all das eigentlich gar nicht.

Yungblud-Konzert in Berlin zeigt diverses Publikum

Denn Yungblud hat etwas geschafft, woran sich unzählige andere die Zähne ausbeißen: Er bringt Menschen zusammen, die in jeder anderen Situation wahrscheinlich aneinander vorbeilaufen würden. Durch diese Diversifizierung seiner Zielgruppe(n) kann er sich auch Risiken erlauben.

So traut er sich, Musik der Liebe an der Kunst wegen zu machen. Und auch politisch nimmt Yungblud kein Blatt vor den Mund, identifiziert sich als queer und kämpft für die Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen.

Das zahlt sich aus. Selten habe ich ein Konzert erlebt, das so bunt durchmischt war. Für ein paar Stunden spielt es keine Rolle, wie alt du bist, woher du kommst oder wie du dich zeigst – hier dürfen alle sein, wie sie sind.

Auf der einen Seite der Halle sehe ich zwei ältere Frauen, wahrscheinlich über siebzig, die jede einzelne Zeile mitsingen, als hätten sie Yungblud schon ihr halbes Leben begleitet (was rechnerisch nicht möglich ist). Auf der anderen Seite hält ein Mädchen ein handgemaltes Schild hoch, auf dem steht: "Ich bin heute auf meinem ersten Konzert." Zwischen ihren Eltern grölt sie den Refrain mit.

Und genau das ist es, was Yungblud zur Zukunft der Rockmusik macht. Seine Songs schlagen Brücken zwischen Generationen, zwischen all den Menschen, die sich irgendwann mal fehl am Platz gefühlt haben. In dieser Konzertnacht sind wir alle zu einer Gemeinschaft geworden.

Yungbluds Ansprüche sind so groß, er könnte darunter zerbrechen

Aber fühlt sich Yungblud als Teil dieser Gemeinschaft? Ich ertappe mich dabei, mir Sorgen um ihn zu machen. Wie er auf der Bühne herumspringt, als wolle er in diesen zwei Stunden alles herauslassen, was sich in ihm angestaut hat. Wie kommt ein Rockstar von so etwas wieder runter, wenn das Konfetti weggewischt und die Feuerwerfer verpackt sind?

Nach dem Konzert kommt er wieder auf die Bühne und interagiert mit seinen Fans, bis die Mitarbeitenden ihn fast von der Bühne tragen müssen. Ich wünsche ihm, dass er Menschen um sich hat, denen sein Wohl wichtiger ist als die Einnahmen, die er mit seiner Musik erzielt.

Denn hinter all dem Lärm steckt etwas Zartes und Zerbrechliches. Schließlich singt er darüber, ein "lowlife" zu sein, und darüber, dass ihn niemand liebt. Dabei will er doch eigentlich kein "loner" sein.

In diesen Momenten spürt man, dass er direkt aus den Herzen derer singt, die immer etwas anders waren als der Rest, die sich in zu vielen Räumen nie wirklich willkommen gefühlt haben.

Genau das fasziniert mich an seiner Musik. Yungblud schafft es, meine eigenen Unsicherheiten, meine Zweifel und auch die dunklen Momente des Selbsthasses in etwas Kollektives zu verwandeln. Dadurch entwaffnet er sie.

Im zweiten Song des Abends, dem düster betitelten "The Funeral", singt er erst von sich, dann von seinem Gegenüber und schließlich von uns allen: "We all hate ourselves, well, that's alright. We all love ourselves, well, that's alright."

Am Ende des Konzerts bin ich zwar durchgeschwitzt und morgen sicherlich heiser, aber irgendwie fühle ich mich leichter. Vielleicht ist das die Magie von Yungblud: Er lässt dich nicht bloß Musik hören, er lässt dich fühlen, dass du lebst.

Wie ein echter Rockstar eben. Ganz nach einer Aufforderung in seinem (neunminütigen!) Song "Hello, heaven, hello": "I wanna feel alive, tell me, do you wanna feel alive?" Das Publikum in Berlin tut es an diesem Abend auf jeden Fall.

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