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Mutter berichtet "schonungslos ehrlich" über Gesellschaftsspiele mit Kindern

Mother and son playing chess at home
Unsere Autorin wagt sich an "richtige Spiele" mit ihrem Sohn. Vielleicht doch noch zu früh? (Symbolbild)Bild: iStockphoto / coscaron
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Willkommen in der Spielhölle: Warum Gesellschaftsspiele mit Kleinkindern eine Belastungsprobe sind

06.03.2022, 10:55
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"Schonungslos ehrlich" – die Mama-Kolumne ohne Insta-Filter

Wie oft hatte ich mir gewünscht, ich könnte mit meinem Sohn endlich mal was Richtiges spielen. Mit richtig meine ich, am Tisch sitzen und ein Spiel mit sinnvollen Regeln durchlaufen. Ein Spiel, das ein Ziel verfolgt, nämlich gewinnen! Endlich nicht mehr den zum 50.000 Mal fallen gelassenen Beißring zum 50.000 Mal wieder aufheben. Endlich nicht mehr ausgeräumte Schubladen einräumen, deren Inhalt zuvor ohne Rücksicht auf Material und Wert wild durch die Gegend gefeuert wurde.

Endlich nicht mehr dämliche Rommromm-Geräusche von Fahrzeugen aller Art nachahmen müssen. Endlich nicht mehr von Raubtieren angegriffen werden, denn diese Schleich-Tiere haben verdammt scharfe Zähne. Endlich das Kapitel dramatischer Noteinsatz-Rollenspiele beenden, bei denen ich zwischen Feuerwehr, Polizei und Abschleppdienst wählen durfte.

Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonunglos ehrlich.
Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonunglos ehrlich.bild: emmy lupin studios
Unsere Autorin...
...wurde mit Anfang 30 Mutter. Und kommt noch immer nicht damit klar, dass ihr altes, schönes Leben seitdem vorbei ist. Sie ist wütend, dass Eltern nie den Mut hatten, zu erzählen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Aus diesem Grund legt sie alle zwei Wochen den Finger in die Wunde – und berichtet schonungslos. Und weil sie weiß, dass Mütter sehr giftig werden können, wenn es um ihr Heiligstes geht, bleibt sie lieber anonym. Die täglichen Entrüstungsstürme ihres Sohnes reichen ihr völlig aus.

Jetzt ist mein Sohn vier Jahre alt und vor ein paar Wochen kam der herbeigesehnte Tag X – wir saßen am Tisch und spielten Zahlen-Dino. Eine Art Memory, nur dass es zusätzlich Dino-Karten gibt. Wer die letzte Dino-Karte aufdeckt, darf seinem Pärchen-Stapel noch eine Dino-Karte hinzufügen. Ja, theoretisch waren wir endlich so weit. Doch es kam – wie immer – alles ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte.

Nicht nur ein schlechter Verlierer

Mein Sohn gewann und rastete aus vor Freude, zeigte mit dem Finger auf mich, lachte mich aus. Leider rastete er genauso aus, als er zum ersten Mal verlor. Er fing an zu heulen, jaulte, wie unfair das sei und fegte mit einem Handgriff sämtliche Karten vom Tisch. Selbstverständlich weigerte er sich, diese anschließend aufzuheben und einzuräumen.

"Als ich merkte, dass mein Stapel schon wieder gefährlich anstieg, fragte ich mich kurz, ob ich ihn gewinnen lassen sollte."

Und ich? Sagte all das, was man eben in einer solchen neuen Situation sagt: Wenn du die Karten nicht aufhebst, können wir nicht weiterspielen. Wenn du nicht verlieren kannst, können wir gar nicht mehr spielen. Verlieren ist nicht schlimm, nächstes Mal gewinnst du wieder. Interessierte ihn nicht. Also großes Drama, Geschrei, Geheule, Blöde Mama, Scheiß Mama und Memory-Karten, die sich bis unters Sofa verteilt hatten, herzlichen Dank.

Moralische Dilemmas gehören dazu

Nächster Tag, neuer Versuch. Als ich merkte, dass mein Stapel schon wieder gefährlich anstieg, fragte ich mich kurz, ob ich ihn gewinnen lassen sollte. Oder anders ausgedrückt: Ob ich mich dumm stellen müsste, um nicht wieder zu gewinnen. Ich bin ein super Verlierer aber so tun, als wüsste ich nicht, wo die zweite Sieben liegt, die er nun zum dritten Mal aufgedeckt hatte, kam mir bescheuert vor. Ich wollte ja Vorbild sein, ihn anspornen, sich die Karten einzuprägen.

"Jetzt im Ernst: So läuft das Leben nun mal nicht. Immer dann die Regeln ändern, wenn es mir gerade passt? Das muss auch ein Vierjähriger lernen."

An Tag drei besserte sich so langsam die Situation. Es gab einige Verliererrunden seinerseits, in denen er die Fassung bewahrte. Doch dann fuhr er eine andere Schiene: Als er merkte, dass es schlecht für ihn aussah, änderte er kurzfristig die Spielregeln. Versuchte mir zu verkaufen, dass ab jetzt die Dino-Karte nicht mehr mitzählte oder verkündete mitten im Spiel, dass derjenige, der ein Pärchen hatte, ein weiteres Mal aufdecken dürfe. Ich lehnte ab, was wieder großen Frust bei ihm hervorrief. Dazu Gebrüll und meine Drohung, das Spiel abzubrechen, wenn gleich wieder die Karten fliegen würden.

Jetzt im Ernst: So läuft das Leben nun mal nicht. Immer dann die Regeln ändern, wenn es mir gerade passt? Das muss auch ein Vierjähriger lernen. Seine Spieltechniken wurden immer gewiefter. Als ich mich wunderte, wieso er jedes Mal wusste, wo die Zahl Acht lag, bemerkte ich, dass er die Karte mit dem Abdruck seiner Schneidezähne markiert hatte. Während bei dem Pendant mit acht Bienen eine winzige Ecke des Kartons etwas abstand. Wir waren also beim Schummeln angelangt – so langsam kam ich mir verarscht vor.

Wer gewinnt, muss für Nervennahrung sorgen

Ich dachte kurz an einen Artikel, in dem ich gelesen hatte, dass kooperative Spiele die pädagogisch-wertvollere Variante seien. Hier spielen nicht die Spieler gegeneinander sondern als Gruppe gegen eine Figur oder sie versuchen gemeinsam, ein Spielziel zu erreichen. "Wir wissen heute, dass Menschen soziale Wesen sind und auch Kinder kooperieren wollen, Teil unserer Gesellschaft sein wollen. Anstatt im Spiel also das Gegeneinander hervor zu holen, können wir das Miteinander unterstützen. Kooperative Spiele geben Kindern diese Möglichkeit: gemeinsam wird auf ein Ziel hin gearbeitet, gemeinsam wird überlegt und geplant, um etwas zu erreichen", schreibt die Diplom-Pädagogin Susanne Mierau in ihrem Online-Magazin 'Geborgen Wachsen'.

"So ein Quatsch", meint mein Mann. "Der muss das lernen." Würde ich auch behaupten, wenn ich nachmittags im Büro vor dem Bildschirm sitze und nicht vor dem Gefühlsausbruch eines Vierjährigen, der schreit, sein Stapel wäre sehr wohl höher, während er ihn zwei Zentimeter über der Tischplatte hält. "Ok, du hast Recht", sage ich. "Du bist der Gewinner. Und wer gewinnt, muss aufstehen und dem Verlierer die Schokolade aus dem Kühlschrank holen." Ich muss dringend meine Nerven beruhigen. Das ist doch alles nicht auszuhalten.

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