Analyse
09.06.2018, 08:2210.06.2018, 08:35
peter riesbeck<br>
Am Samstag hallte etwas aus dem Spiel gegen Saudi-Arabien (2:1) nach: die Pfiffe.
Das nimmt Löw aus dem Spiel mit
Die DFB-Auswahl hatte ihren letzten WM-Test gegen Saudi-Arabien 2:1 gewonnen, aber nach 30 Minuten doch irgendwie das Fußballspielen vergessen. Und so blieben die Pfiffe bei der Einwechslung von Ilkay Gündogan in Erinnerung und der barsche Ton von Teammanager Oliver Bierhoff, der zur Kritik am schweigenden Mesut Özil erklärte:
"Ihr beendet es doch nicht. Ihr bringt es doch jeden Tag wieder, weil ihr keine Themen habt."
Und Auswahltrainer Joachim Löw erklärte mit Blick auf Gündogan: „Pfiffe helfen niemandem.“
Özil, Gündogan, das Schweigen und die Pfiffe – ein Drama in 5 Akten.
Ein Bild und die Folgen
Mesut Özil und Ilkay Gündogan, zwei Nationalspieler mit türkischem Migrationshintergrund,
posieren Mitte Mai mit dem türkischen Präsidenten Recepp Tayyip Erdogan.
Das
Bild geht durch die sozialen Medien.
Hier die ganze Geschichte:
Der DFB und sein verpatztes Krisenmanagment
Das Foto mit Erdogan erregt Unmut. Löws Tadel ist verhalten.
Er sagt:
"Als Verband haben wir den beiden klar gemacht, dass es eine unglückliche Aktion war. Ich zeige auch ein bisschen Verständnis. Ich weiß, dass bei Spielern mit Migrationshintergrund auch mal zwei Herzen in einer Brust schlagen. Beide haben einen guten Charakter und sie haben sehr viel für die Integration getan."
Joachim Löw, Auswahltrainer
DFB-Präsident
Reinhard Grindel, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter, erklärt:
"Menschen können Fehler machen. Wir müssen das Maß wahren."
Reinhard Grindel, DFB-Präsident
Gündogan
entschuldigt sich zunächst mit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Er hat aber
nur einen deutschen Pass.
Am Samstag lieferte er per Twitter eine Erklärung nach – auf Englisch: Er sei stolz "für dieses Land zu spielen".
Özil schweigt. Aber er redet grundsätzlich nicht
gern.
Der Deutsche
Fußball-Bund (DFB) versucht die Affäre zu glätten. Am Rande des DFB-Pokalendspiels
treffen Özil und Gündogan Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Steinmeier erklärt
hinterher:
"Heimat gibt es auch im Plural. Aber die Debatte ebbt nicht ab."
Frank Walter Steinmeier, Bundespräsident
Die Event-Fans (und die Pfiffe)

Gern da, wo Erfolg ist.Bild: AP
Rund um die
Nationalmannschaft mehren sich seit längerem die Event-Fans. Sie bezahlen viel
Geld, um ein Spiel des Weltmeisters zu sehen. Und werden leicht ungeduldig,
wenn es nicht läuft, wie daheim an der Playstation.
Am Freitag eskaliert die Situation rund um das Spiel gegen Saudi-Arabien. Mesut Özil fehlt verletzt. Als Ilkay Gündogan in der
zweiten Halbzeit eingewechselt wird, pfeift das Publikum.
Bundestrainer Joachim
Löw zeigt kein Verständnis.
"Solche Pfiffe irritieren. Solche Pfiffe stören."
Joachim Löw, Auswahltrainer
Und:
"Ich habe ihn in der Kabine gesehen, er war geknickt. Da muss er einfach jetzt durch. Ich hoffe, dass er es kann. Wir werden ihn unterstützen... Irgendwann sollte es auch gut sein."
Joachim Löw, Auswahltrainer
Schon
zuvor hatte Teammanager Oliver Bierhoff wirsch auf Mesut Özils beharrliches
Schweigen reagiert. "Ihr bringt es
doch jeden Tag wieder, weil ihr keine Themen habt", sagte Bierhoff.
Und:
"Ihr könnt die Fragen aber auch stellen. Ihr müsst nur akzeptieren, wenn einer sagt: Darüber rede ich nicht mehr."
Oliver Bierhoff, DFB-Teammanager
Der DFB müht
sich auf dem Platz. Und er fürchtet um die Stimmung im Team.
DFB-Präsident
Reinhard Grindel mahnt am Abend in der ARD am Rande der Auslosung zum DFB-Pokal
ein Ende der Debatte an.
Typisch, DFB. Nur keine unliebsamen Debatten bitte.
Die lieben Medien
Am Samstag
erscheint die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit Mesut Özil auf dem
Cover seines "Magazins".
Mutiges Zeichen? Denkste!
Das Magazin hat den Spieler
von Arsenal London in dessen Heim in der englischen Metropole besucht. Özil posiert, mal mit Hund, mal mit Brilli. Und er ist konsequent. Der Schweigsame sagt
wenig und erklärt: "Ich habe ein Auge fürs Design."
Das Shooting
fand vor dem Treffen Özils mit Erdogan statt. Peinlich ist nur, dass das
Magazin sich halb entschuldigt. Den Leser erwarte hier eine "Geschichte im
Plusquamperfekt". Nichts also, mit der unbequemen Gegenwart.
Dazu druckt das Blatt die doppelseitige Anzeige eines Schmuckherstellers mit Özil.
Die Bilanz
Rund um die
Nationalelf ist die Stimmung ohnehin umgeschlagen.
- 2006 waren das Ausland und Deutschland selbst überrascht vom Sommermärchen, der WM im eigenen Land.
- 2014 galt das Weltmeister-Team mit Lukas Podolski und Miro Klose (beide in Polen geboren), Sami Khedira (Eltern aus Tunesien), Shkodran Mustafi (Eltern aus Albanien) und Mesut Özil (Eltern aus der Türkei) noch als Beispiel gelungener Integration.

In Polen geboren: die Weltmeister Lukas Podolski und Miroslav Klosedpa
Doch schleichend wurde aus "Schwarz.Rot.Geil", "Schwarz.Rot.Deutsch."
Die Stimmung ist nicht nur in der Politik nach rechts umgeschlagen.
Willkommen ist nur,
wer auch was leistet. Kein gutes Spiel, keine Akzeptanz, so ist das mit der
funktionalen Integration.
Und was bleibt?
Skandalös ist nicht, dass Özil und Gündogan mit dem Staatschef aus der Heimat
ihrer Eltern posieren. "Heimat gibt es auch im Plural", wie Bundespräsident
Steinmeier zurecht sagt.

Gern nahe an der Macht. Der ehemalige Fifa-Boss Sepp Blatter und Russlands Staatschef Wladimir Putin. dpa
Der eigentliche Skandal
ist, dass sich die beiden Spieler mit einem Menschenrechtsverachter ablichten
lassen.
Dazu könnte der
DFB was sagen. Und auch die Fans. Gerade mit Blick auf die kommenden beiden
WM-Turniere in Russland und Katar.
Der BVB kann mit der Klub-WM enorme finanzielle Mehreinnahmen generieren. Dafür ist jedoch ein Weiterkommen in der Gruppe F, in der die Dortmunder als Favorit gelten, dringend nötig.
Eine richtige Sommerpause werden die BVB-Profis nach Ende der aktuellen Saison nicht haben, oder wenn, dann nur eine zerstückelte. Denn erstmals findet in diesem Jahr die Klub-WM in neuem Ausmaß statt. Insgesamt 32 Teams aus der ganzen Welt nehmen an dem Wettbewerb vom 14. Juni bis 13. Juli in den USA teil.