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Urlaub: Chaos am Flughafen – wie berechtigt sind Sorgen um Sommer-Reisen?

21.06.2022, Nordrhein-Westfalen, D
Dichtes Gedränge an Check-In-Schaltern an den Flughäfen in Deutschland: Aufgrund von Personalmangel ist keine Besserung in Sicht.Bild: dpa / Federico Gambarini
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Chaos, Personalmängel und Flug-Ausfälle: Sorgen wir uns zurecht um unseren Sommerurlaub?

22.06.2022, 09:21
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Deutschland reist wieder. Nach zwei Jahren Corona sind die Flughäfen in diesem Sommer wieder vom Geräusch rollender Koffer erfüllt. Das bestätigte am Dienstag auch der Branchenverband deutscher Verkehrsflughäfen ADV: Mit 15,8 Millionen Passagieren waren es knapp fünf mal so viele wie noch im Mai. Doch das könnte zum Problem für die Luftfahrt werden, denn Flughäfen und Airlines fehlt europaweit Personal. Ausgedünnte Flugpläne und Verspätungen sind die Folgen und werden vermehrt in den Sommerferien erwartet.

Den reisefreudigen Deutschen, die sich ihr Fernweh schon über zwei Jahre verkneifen mussten, drohen nun lange Schlangen oder gar gestrichene Flüge am Flughafen.

Seit Wochen gibt es an Deutschlands Flughäfen aber auch in anderen europäischen Ländern massive Probleme wegen des Personalmangels in der Branche, allein die Lufthansa will im Juli 900 Flüge von den Standorten München und Frankfurt streichen.

Die Airline Eurowings hat am Dienstag wegen Personalproblemen erneut zahlreiche Verbindungen an den beiden größten Flughäfen Nordrhein-Westfalens gestrichen. Zehn Abflüge wurden laut Webseite des Düsseldorfer Flughafens annulliert und damit etwa jeder neunte Eurowings-Start an diesem Standort. In den kommenden Tagen müssen Reisende bei Eurowings mit weiteren Absagen rechnen.

03.06.2022, Berlin, Deutschland, Europa - Eine Innenaufnahme zeigt Flugreisende an einem Abfertigungsschalter im Terminal 1 des Flughafen Berlin-Brandenburg International BER Willy Brandt . *** 03 06  ...
Kaum ist der Reiseverkehr auf dem Flughafen BER nach Corona richtig angelaufen, droht Reisenden womöglich neues Ungemach.Bild: www.imago-images.de / imago images

Ein Grund für die Absagen ist ein hoher Krankenstand in der Belegschaft der Airline. Man sei vom Anstieg der Corona-Infektionen nicht verschont geblieben, sagte eine Eurowings-Sprecherin.

Urlaub in Gefahr? Condor gibt zumindest für ihre Flüge Entwarnung

Die Fluggesellschaft Condor scheint, zumindest aktuell, noch nicht massiv von Flugausfällen betroffen. Sie hat "vor einigen Wochen weit weniger als 1 Prozent der Flüge für Juni und Juli gestrichen, weitere Streichungen sind nicht geplant," sagt Magdalena Hauser, Director Communications bei Condor auf Nachfrage von watson.

Doch auch sie sieht aktuelle Probleme in der Branche: "Für den Sommer 2022 muss der gesamte 'Apparat Luftfahrt' von sehr wenig Volumen während der Pandemie binnen weniger Monate auf sehr viel Volumen, nahezu auf Vor-Corona-Niveau, hochgefahren werden." Dieser "Ramp Up" betreffe alle Gewerke in der Branche, von der Sicherheitskontrolle, über Flughafenpersonal, bis hin zur Flugsicherung und die Cateringbetriebe.

Hierbei ist die Branche laut Hauser auch auf behördliche Mithilfe angewiesen, die dem Flugpersonal gewisse Dokumente ausstellen müssen:

"Leider kommt es hier im Moment zu signifikanten Verspätungen in der Ausstellung dieser Dokumente, was dazu führt, dass konkret mehrere Dutzend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereits fertig geschult und trainiert sind, nicht zum Einsatz kommen können, weil sie die Sicherheitsbereiche ohne diese Dokumente nicht betreten dürfen."
Magdalena Hauser, Sprecherin von Condorgegenüber watson

Hauser bezeichnet die Situation der Airlines derzeit als "herausfordernd", Condor sei natürlich auch betroffen. Die Condor, betont sie im Gespräch mit watson, habe "keinen einzigen Mitarbeiter pandemiebedingt entlassen und stellt jetzt zusätzliches Personal am Boden und in der Luft ein, um die Engpässe auszugleichen."

Der Luftverkehrsverband BDL begrüßt in der aktuellen Situation die Vorschläge von FDP-Fraktionschef Christian Dürr, der vergangenes Wochenende im Tagesspiegel unter anderem einen stärkeren Einsatz der Polizei bei den Sicherheitskontrollen an Airports gefordert hatte.

Flughafen Stuttgart. Flughafen Stuttgart in der Corona Zeit wie leergefegt, nur sehr wenige Passagiere unterwegs, Geschaefte und Reisebueros sind geschlossen. Check in Schalter sind nicht besetzt. Nic ...
Auch ein mögliches Szenario: Aufgrund von Personalmangel verwaiste Schalter und gestrichene Flüge.Bild: www.imago-images.de / Max Kovalenko

Für den Ablauf der Sicherheitskontrollen ist grundsätzlich die Bundespolizei zuständig, an einigen Flughäfen aber auch die Landespolizei. Häufig werden jedoch von der Bundespolizei beauftragte, private Dienstleister eingesetzt.

Der Gewerkschaft Verdi zufolge sind besonders die großen Flughäfen wie Frankfurt, Hamburg oder Berlin vom Personalmangel in allen Dienstleistungsbereichen am Boden, wie Sicherheitskontrollen oder Check-in, betroffen.

Auch in München fehle Personal, allerdings sei die Lage dort besser, weil das Sicherheitspersonal nicht bei einer Privatfirma angestellt sei, sondern bei einer Firma im Staatsbesitz, die nach dem Tarif des Öffentlichen Dienstes und damit vergleichsweise gut bezahlt.

SCHOENEFELD, GERMANY - APRIL 27: Cabin crews of discount airliner EasyJet gather to demand more pay at Berlin Brandenburg Airport on April 27, 2022 in Schoenefeld, Germany. According to the Ver.di lab ...
Verdi hatte Anfang Juni das Kabinenpersonal von easyjet zum Streik aufgerufen. Diese sind aktuell nicht der einzige Grund für Flugausfälle und Verspätungen.Bild: Getty Images Europe / Carsten Koall

Sorge vor Chaos an Flughäfen wächst

Die Sorge vor chaotischen Zuständen in der Ferienzeit im Sommer wächst. watson hat bei einer Flugbegleiterin nachgefragt, wie sie ihren Job und die aktuelle Situation in der Branche wahrnimmt.

Miriam Dünfelder, 28 Jahre alt, fliegt bei Eurowings Discover in der Kabine auf dem A320 und A330 als Senior Cabin Crew Member.

Miriam in der Karibik. Das Reisen gefällt ihr an ihrem Beruf am besten.

Es gibt einen Spruch, der, wie ich finde, meine Beruf gut zusammenfasst:

"'Once you’ve tasted the sky you will forever walk the earth with your eyes turned skyward, for there you have been, and there you will always long to return.'"
Miriam Dünfelder, Stewardess

"Ich bin durch Zufall in die Branche reingerutscht. Ich hatte den Beruf so nie für mich auf der Agenda. Ich bin 2015 während meines Studiums in Frankfurt zum Fliegen gekommen. Ein paar meiner Kommilitonen sind damals während dem Studium Teilzeit geflogen. Ich dachte mir, dass dies ein cooler Job sei, um neben dem Studieren Geld zu verdienen und die Welt zu sehen. Ich habe mich daraufhin, ohne groß darüber nachzudenken, beworben. Wie das Schicksal es dann wollte, habe ich das Auswahlverfahren bestanden und meinen ersten Job als Flugbegleiterin begonnen.

Das Wirtschaftsstudium habe ich noch abgeschlossen, konnte mir aber nicht mehr vorstellen einem 'normalen 9-to-5-Job' nachzugehen. Also bin ich beim Fliegen hängen geblieben. Und ich liebe es heute noch wie am ersten Tag.

"Es ist ein unglaublich schönes Gefühl, wenn 300 Gäste nach einem Flug aussteigen und sich bei der Crew für einen schönen Flug bedanken."

Ich liebe meine Kollegen. Die Crews sind das, was das Fliegen für mich zu was ganz Besonderen macht. Wir sind auf jedem Flug immer wieder eine neue Zusammenstellung an Kollegen. Man lernt sich erst kurz vor dem Flug im Briefing kennen. Aber dadurch, dass uns alle die Liebe zum Fliegen verbindet, wächst man sehr schnell zu einem tollen Team zusammen.

Ich kenne diese Dynamik aus keiner anderen Branche und die Arbeit an Bord macht einfach nur Spaß. Es ist ein unglaublich schönes Gefühl, wenn 300 Gäste nach einem Flug aussteigen und sich bei der Crew für einen schönen Flug bedanken.

Natürlich liebe ich es auch, dass man viel von der Welt sieht. Besonders auf der Langstrecke haben wir Aufenthalte von 24 Stunden bis zu einer ganzen Woche. Es ist zwar Arbeitszeit, aber wir haben die Zeit vor Ort zur freien Verfügung. Das heißt, man kann viele Sachen unternehmen, die Gegend erkunden oder einfach nur am Strand liegen und sich erholen.

Durch das Fliegen konnte ich schon sehr viele Orte auf dieser Welt bereisen und vor allem Orte, wo ich sonst vielleicht nie hingekommen wäre. Man erweitert unglaublich seinen Horizont, da man auf so viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen trifft.

"Man muss allerdings dafür gemacht sein und man muss sehr viel Flexibilität mitbringen."

Außerdem mag ich die unregelmäßigen Arbeitszeiten. Wie schon gesagt, konnte ich mir nach meinem Studium keinen Bürojob mit normalen Arbeitszeiten mehr vorstellen. Ich mag es, auch mal unter der Woche frei zu haben und Dinge erledigen zu können. Man muss allerdings dafür gemacht sein und man muss sehr viel Flexibilität mitbringen. Wir haben teilweise sehr lange Arbeitstage. Auf der Langstrecke ist man schon mal 15 bis 16 Stunden auf den Beinen. Und manchmal fliegt man die ganze Nacht durch. Auch die Zeitverschiebung ist eine große Belastung für den Körper. Aber man hat dafür auch einige Tage länger frei zum Erholen.

Was einem allerdings bewusst sein muss, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet, ist, dass man nicht zu jedem Feiertag oder Geburtstag zuhause sein kann. Wir fliegen das ganze Jahr durch. Natürlich haben wir die Möglichkeit, uns freie Tage zu wünschen und Urlaub zu nehmen, aber letztendlich müssen die Flieger auch an Weihnachten und Silvester besetzt werden. Mir persönlich macht das nichts aus. Ich bin letztes Jahr zum Beispiel freiwillig an Weihnachten und Silvester geflogen. So konnten Kollegen mit kleinen Kindern die Feiertage zuhause verbringen. Und gerade diese Flüge stellen sich oft als besonders schöne heraus!

"Wer schon immer den Traum vom Fliegen hatte oder jetzt vielleicht darauf gekommen ist: Es gab bisher keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, den Schritt zu wagen!"

Zum Thema Personalmangel: Die Airline Industrie oder auch der Tourismus generell ist eine sehr volatile Branche. Die Pandemie hat uns hart getroffen. Einige Airlines haben sie auch nicht überlebt. Das ganze Flugprogramm wurde heruntergefahren, da die Leute ja, aufgrund der Restriktionen, nicht mehr wegfliegen konnten, wollten oder durften. Jetzt, wo dies wieder gelockert wurde und alle fast zwei Jahre ausschließlich zuhause verbracht haben, ist das Bedürfnis groß, mal wieder raus zu kommen und in den Urlaub zu fliegen.

Aufgrund der großen Nachfrage wurde das Flugprogramm auch sehr schnell wieder hochgefahren. So schnell, dass wir mit dem Recruitment und der Ausbildung kaum hinterher kommen. Aktuell starten bei Eurowings Discover wöchentlich Ausbildungskurse, da der Bedarf einfach unglaublich hoch ist.

Das heißt, wer schon immer den Traum vom Fliegen hatte oder jetzt vielleicht darauf gekommen ist: Es gab bisher keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, den Schritt zu wagen!

Es gibt einen Spruch, der es, wie ich finde, gut zusammenfasst: 'Once you’ve tasted the sky you will forever walk the earth with your eyes turned skyward, for there you have been, and there you will always long to return.'"

(mit Material von dpa)

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