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PCR-Test oder nicht? Wie man sich bei einer roten Kachel verhalten sollte

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Mit steigenden Infektionen steigt auch die Zahl der Risikobegegnungen. Doch sollte man sich im Falle einer roten Warn-App immer unbedingt testen lassen?Bild: iStockphoto / dragana991
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Laborkapazitäten werden knapp: Soll man sich bei einer roten Kachel PCR-testen lassen oder nicht?

13.01.2022, 09:3008.02.2022, 15:18
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In Deutschland steigen die Corona-Infektionszahlen vor allem durch die Omikron-Welle immer weiter an. Am 10. Januar lag die Inzidenz bei 375 Corona-Fällen pro 100.000 Einwohnern. Die regionalen Unterschiede gehen jedoch weit auseinander. In Bremen ist der Wert derzeit am höchsten, hier liegt die Inzidenz bei 1282 (Stand: 10. Januar). Der Kreis mit dem niedrigsten Wert liegt im äußersten Süden Deutschlands: Im baden-württembergischen Ravensburg ist die Inzidenz bei 72.

Bedingt durch die hohen Infektionszahlen schlägt auch bei immer mehr Menschen die Corona-Warn-App Alarm und meldet: Risikobegegnung! Die Kachel springt von Grün auf Rot und qualifiziert den App-Nutzer nun dafür, einen kostenfreien PCR-Test durchführen zu lassen. Viele Menschen fragen sich, ob man diese Möglichkeit nutzen soll. Besonders im Hinblick darauf, dass die Labore deutschlandweit durch die Omikron-Welle zur Zeit extrem ausgelastet sein sollen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte hingegen am Montagabend bei Frank Plasbergs "Hart aber fair", dass in den deutschen Testlaboren noch Kapazitäten gebe, "um die uns andere Länder beneiden". Allgemein sei "noch Raum". Doch stimmt das auch?

PCR-Tests
PCR-Tests haben die größte Aussagekraft, wenn es darum geht, das Coronavirus nachzuweisen. Das Ergebnis bekommt der Patient meist innerhalb von 24 beziehungsweise 48 Stunden. Der Test selbst dauert circa eine Stunde, rechnet man Vor- und Nachbereitung mit ein, sind es etwa vier.

Watson hat zu diesem Thema zwei Experten befragt. Zum einen den Lübecker Arzt und Vorstandsvorsitzendem deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski, zum anderen Hendrik Borucki, den Sprecher des in mehreren Bundesländern agierenden Laborverbunds "Bioscientia". Mit watson haben sie darüber gesprochen, wie es aktuell um die Testkapazitäten in den Laboren bestellt ist, welche Gruppen bei den Tests priorisiert werden und auch, wo gerade etwas Augenmaß gefragt ist.

Wie steht es um die Testkapazitäten in den Laboren?

So wie es in den Bundesländern und Landkreisen in Deutschland Unterschiede beim Infektionsgeschehen gibt, so gilt dies auch für die Auslastung der Labore. Im Norden Deutschlands ist die Omikron-Welle derzeit stärker als im Süden. So sagt Laborarzt Andreas Bobrowski aus Lübeck, dass sein Testlabor bereits bei 100 Prozent Auslastung angekommen sei. Er berichtet vom aktuellen Laboralltag:

Dr. rer. nat. Andreas Bobrowski ist Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Laborärzte.
Dr. rer. nat. Andreas Bobrowski ist Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Laborärzte.bild: BDL/Labor Lübeck, 0114
"In Norddeutschland haben sich die Anforderungen in kürzester Zeit verdreifacht. Die Labormitarbeiter haben sehr viel zu tun, müssen teilweise die Wochenenden durcharbeiten und haben zur Zeit auch Urlaubssperre, um alles abzuarbeiten. Aktuell haben wir eine Positivrate von 33 Prozent, was sehr viel ist. Davon fast ausschließlich die Omikron-Variante."
Dr. Andreas Bobrowski zu watson

Aber Bobrowski berichtet auch gute Nachrichten: "Es ist genügend Testmaterial vorhanden. Das war in den letzten Wellen nicht immer so. Doch es sieht nicht so aus, als würde es in dieser Hinsicht einen Versorgungsengpass geben."

Dr. Hendrik Borucki ist Leiter von Marketing und Kommunikation bei "Bioscientia".
Dr. Hendrik Borucki ist Leiter von Marketing und Kommunikation bei "Bioscientia". bild: privat

Hendrik Borucki, Sprecher des Laborverbunds Bioscientia, bewertet die Lage im Labor in Ingelheim in Rheinland-Pfalz positiver: "Wir sind gerade bei einer Auslastung von 70 Prozent." Bei den Laboren in Berlin und im Saarland sei man dagegen bereits bei 85 bis 90 Prozent. Auch von einer Urlaubssperre sei zumindest im Südwesten noch nicht die Rede, so Borucki weiter. Trotzdem sei das Personal am ehesten der Schwachpunkt im System, wie er gegenüber watson erklärt:

"Wenn wir das Ergebnis des PCR-Tests in einem Zeitrahmen von 24 bis 48 Stunden berichten wollen, dann brauchen wir dazu drei Sachen. Das eine sind die Geräte, die haben wir. Das andere sind die Reagenzien und das Zubehör für die Geräte, das haben wir auch. Und das dritte ist das Personal. Das Personal haben wir zwar auch, aber das ist ein bisschen der Engpass. Menschen werden auch unabhängig von Corona krank und müssen mal Urlaub nehmen."
Hendrik Boruckigegenüber watson

Man könne sich nicht einfach einmal eine Woche zusammenreißen, alles geben und dann sei es wieder gut, denn: "Die Pandemie ist ein Marathon", so Borucki.

Gibt es eine "Test-Triage"?

Mit steigenden Infektionszahlen stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, bestimmte Gruppen bei den PCR-Tests zu bevorzugen. Bei Bioscientia sei dies bisher noch nicht der Fall, wie Borucki erzählt: "Wir priorisieren bei Bedarf nach der Logik der nationalen Teststrategie des RKI. Auf den Test-Auftragsscheinen kann man allerdings nicht ankreuzen, ob es sich bei der Probe um eine Person der kritischen Infrastruktur handelt."

Man könne den Dokumenten zwar entnehmen, ob es sich um Mitarbeiter aus einem Krankenhaus handle, doch zur Zeit würden diese noch nicht bevorzugt ausgewertet. Demnach werden die Proben in Südwestdeutschland grundsätzlich noch in der Reihenfolge abgearbeitet, in der sie ins Labor geschickt werden.

Anders sieht es derzeit im Testlabor von Andreas Bobrowski in Lübeck aus. Die Hansestadt weist derzeit nach Bremen die zweithöchste Inzidenz in Deutschland auf, mit 1017 Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohner. Deshalb ist man hier bereits dazu übergegangen, die Proben in einer bestimmten Reihenfolge abzuarbeiten. Hierbei wird zwischen drei Gruppen unterschieden, wie Andreas Bobrowski erklärt:

"Wenn systemrelevante Berufe wie die Polizei, die Feuerwehr oder Arbeitende aus dem Gesundheitswesen, also aus der kritischen Infrastruktur, uns Proben schicken, priorisieren wir diese und bearbeiten sie als Erstes."
Andreas Bobrowskizu watson

Die restlichen Proben werden wiederum in zwei Gruppen unterteilt, wie Bobrowski weiterhin erläutert:

"Danach kommen die asymptomatischen Patienten mit positivem Antigen-Schnelltest. Diese Gruppe weist eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit auf. Die versuchen wir besonders schnell abzuarbeiten. Wenn jemand mit Omikron einen positiven Antigen-Test vorweist, wird sich das vermutlich auch beim PCR-Test bestätigen."
Andreas Bobrowskizu watson

Die Patienten mit Symptomen und einem positiven Antigen-Schnelltest bilden die letzte Gruppe, auch aus pragmatischen Gründen, wie Andreas Bobrowski erklärt: Diesen Patienten könne man auch einfach dazu raten, zu Hause zu bleiben.

Soll man sich mit roter Kachel testen lassen?

In anderen europäischen Ländern wie Großbritannien oder Frankreich kann man sich bereits nach einer Woche aus der Quarantäne "freitesten", im Gegensatz zu den bisher üblichen zwei Wochen. Diese Regelung wurde als Reaktion auf die extrem hohen Inzidenzen der Omikron-Welle eingeführt, um die kritische Infrastruktur des jeweiligen Landes zu erhalten. In Deutschland gilt diese Regel noch nicht, doch soll nach den Beschlüssen der letzten Bund-Länder-Runde zum 15. Januar auch in Deutschland eingeführt werden.

Sollte man sich also in jedem Fall testen lassen, wenn man in der Corona-Warn-App eine Risikobegegnung angezeigt bekommt oder belastet man damit das System? Eher letzteres, sagt Hendrik Borucki.

"Natürlich kann die Verkürzung der Quarantäne eine sinnvolle Sache sein, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass sonst aufgrund der hohen Fallzahl ganze Industriezweige ausfallen. Aber wenn Kontaktpersonen nach fünf oder sieben Tagen einen PCR-Test machen, wird das System belastet und die Grenze der Kapazitäten wird schneller erreicht."
Hendrik Boruckizu watson

Momentan sei dies noch kein Problem, so Borucki, doch wenn man Zahlen wie in Frankreich oder den USA erreiche, dann kämen auch hier die Labore in Schwierigkeiten. Er warnt: "Wenn neben den symptomatischen Patienten jede Kontaktperson, jeder Urlaubsrückkehrer und jeder, der sich aus der Quarantäne freitesten will, einen PCR-Test macht, wird das die Kapazität überschreiten." Was jedoch nicht heiße, dass es in diesen Fällen nicht sinnvoll sei, sich testen zu lassen. Besonders, wenn Erkältungssymptome vorliegen, rät Borucki zu einem Test.

Andreas Bobrowski traut den Menschen ebenfalls zu, selbst zu beurteilen zu können, ob sie nach einer Risikobegegnung einen PCR-Test machen oder nicht:

"Das hängt von der Situation ab, in der sich der Patient befunden hat. Wenn man längere Zeit Kontakt mit einer betroffenen Person hatte, sollte man einen PCR-Test machen, am besten, solange man noch keine Symptome hat. Wir haben aber nicht das Gefühl, dass von dieser Gruppe der Hauptteil der Testanforderungen kommt. Die Leute, die die Warn-App benutzen, und das könnten ruhig noch mehr sein, gehen verantwortungsvoll damit um. Sie machen nicht bei jeder roten Warnmeldung einen PCR-Test, sondern wägen ab, wie der Kontakt im Einzelnen aussah. Wenn man den fraglichen Kontakt ohne Schutz hatte, würden wir natürlich empfehlen, einen PCR-Test durchführen zu lassen."
Andreas Bobrowski gegenüber watson

Beide Experten sind sich einig darin, dass sie einen weiteren Anstieg der Corona-Fälle bedingt durch die Omikron-Variante für wahrscheinlich halten. Besonders, dass die Schule nach den Weihnachtsferien nun in allen Bundesländern wieder gestartet hat, werde dazu beitragen, dass die Laborkapazitäten was PCR-Tests angeht, noch weiter in Anspruch genommen werden.

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