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USA: Mann wird nach Schlägerei plötzlich zum Mathe-Genie

Vom Faulenzer zum Mathe-Genie: Was ist passiert? (Symbolbild)
Vom Faulenzer zum Mathe-Genie: Was ist passiert? (Symbolbild)bild: pexels
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Nach Kneipenschlägerei: Junger Mann ist plötzlich Mathegenie

04.03.2024, 20:01
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Die Angst und Abwehrreaktion gegenüber Zahlen und Mathematik generell ist weit verbreitet. Viele bekommen schon das Fürchten, wenn sie nur den Satz des Pythagoras oder Stochastik hören. Auch der Amerikaner Jason Padgett hatte mit Mathematik nie viel am Hut. Mit Zahlen sei er nur dann in Kontakt gekommen, wenn er die Stunden gezählt habe, die er noch im Möbelladen seines Vaters arbeiten musste, bis er Feierabend hatte, berichtete er später.

Bis sich sein Leben am Freitag, den 13. September 2002, auf einen Schlag komplett änderte: An diesem Abend wurde Padgett vor einer Karaoke-Bar brutal von zwei Männern attackiert. Sie schlugen ihm auf den Hinterkopf, sodass er zu Boden krachte und prügelten und traten weiter auf ihn ein. Erst als er den Angreifern seine Lederjacke gab, ließen sie von ihm ab. Padgett wurde sofort ins Krankenhaus gebracht. Seine Diagnose: Schwere Gehirnerschütterung und eine Nierenverletzung.

Vom "Faulenzer" zum Genie: Attacke änderte Padgetts Leben

Doch was ihm damals nicht gesagt wurde, war, dass er von heute auf morgen zu einer völlig anderen Person geworden war. Plötzlich war Padgett wie besessen von sämtlichen Formeln in seinem Haus – den Rechtecken der Fenster, dem Wasserstrahl aus dem Wasserhahn, der Krümmung eines Löffels.

Er hörte auf, zu arbeiten und fing stattdessen an, alles über Mathematik und Physik zu lesen, was er in die Finger bekommen konnte. Als er sah, wie sich ein Lichtstrahl an einem Autofenster brach, habe es "Klick" gemacht. Das berichtete der "Focus": "Ich begriff, jeder der Strahlen ist eine Repräsentation der Zahl Pi." In allem, was er ansah, erkannte er plötzlich Muster.

Der "Faulenzer" mit null Interesse an einer akademischen Laufbahn, wie Padgett nach seinem Unfall selbst über sein ehemaliges Ich sagte, war über Nacht zum Genie geworden.

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Er begann zu malen – die Strukturen einer Schneeflocke, die Adern eines Laubblattes. Woher seine plötzliche Faszination kam, wusste Padgett nicht. Er wusste nur: "Sie [die Zeichnungen] mussten einfach perfekt sein." Für manche seiner Bilder benötigte er mehrere Tage, teilweise Wochen. Denn bei ihnen handelt es sich um sogenannte Fraktale. Das sind Strukturen, die bei unterschiedlicher Betrachtung verschiedener Größenmaßstäbe immer wieder dieselbe Grundform erkennen lassen.

Plötzlich Genie: Savant-Syndrom oder neurologische Erkrankung

Als Padgett eines Tages eine BBC-Dokumentation über das Thema "Savant-Syndrom" schaute, realisierte er: "Das ist es. Das ist mit mir passiert."

Das Savant-Syndrom, umgangssprachlich auch Inselbegabung genannt, beschreibt das Phänomen, dass Menschen eine außergewöhnliche Begabung in einem speziellen Teilbereich besitzen. Savants ("Wissende:r auf Französisch) können Telefonbücher auswendig aufsagen, Stadtpläne aus dem Gedächtnis zeichnen oder Konzerte nachspielen. Oftmals haben Savants eine geistige Behinderung oder Entwicklungsstörung, ihr Intelligenzquotient liegt meist unter dem Wert von 70 – außer in ihrem speziellen Bereich, ihrer Insel.

Menschen mit dem Savant-Syndrom gibt es weltweit nur wenige, rund 100 Menschen besitzen Inselbegabungen in der Form, wie sie nach seinem Unfall auch Padgett erhalten hat.

Als häufige Talente von Savants gelten die folgenden Felder:

  • Fotografisches Gedächtnis
  • Perfektes Gehör
  • Außergewöhnliches Langzeitgedächtnis
  • Mathematisches Talent
  • Schnelles Erlernen von Sprachen
  • Musikalisches Talent

Savant-Syndrom: Diese Ursachen vermuten Forscher dahinter

Die genaue Ursache für solche Inselbegabungen ist noch nicht geklärt. Klar aber ist schon heute, dass rund die Hälfte derjenigen, die Savants sind, auch Autist:innen sind. Und: Es sind deutlich mehr Männer als Frauen betroffen, denn rund sieben von acht Savants sind männlich.

Laut dem US-amerikanischen Psychiater Darold Treffert, der Savants über 40 Jahre lang erforscht und die meisten von ihnen persönlich kannte, müssten diese ihre Talente ausleben – auch als Teil der Therapie. Ganz gleich, über welches Talent sie verfügten: Das Zeichnen, Rechnen oder Klavierspielen sei für sie so wichtig wie die Luft zum Atmen.

Neurobiolog:innen gehen davon aus, dass die Verbindung zwischen der linken und rechten Gehirnhälfte bei den meisten Savants geschädigt ist.

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Eine Testosteron-Überdosis könnte für Savant-Syndrom verantwortlich sein.Bild: dpa / Daniel Karmann

Demnach würde die rechte Gehirnhälfte versuchen, die Defizite der linken auszugleichen. Hirnforschende vermuten als Ursache der Schädigung eine Testosteronvergiftung während der Embryonalentwicklung, zumindest bei denjenigen, die ihre Inselbegabung nicht nach einem Unfall entwickeln, wie etwa Jason Padgett.

Denn: Jungen erzeugen im Mutterleib mehr Testosteron als Mädchen. Wird zu viel des Hormons produziert, kann die Überdosis das Gehirn des Embryos schädigen.

Auch ein Fehler im Filtersystem des Gehirns könnte als Erklärung für das Savant-Syndrom in Frage kommen: Als Schutz vor Überlastungen und Reizüberflutungen filtert das Hirn normalerweise alle eingehenden Informationen. Das führt dazu, dass wir uns nur auf die wesentlichen Dinge fokussieren können, da wir sonst in der täglichen Informationsflut ertrinken würden.

Laut Forschenden ist es möglich, dass diese Filterfunktion bei Savants teilweise nicht funktionieren. Die Folge: Alles, was sie sehen, hören und lesen ist für sie gleich wichtig. Zudem vergessen sie nichts und können daher enorme Mengen an Daten und Fakten abrufen.

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