Ein Hochschulabschluss galt lange als sicherer Schlüssel zu beruflichem Erfolg und finanzieller Stabilität. Doch heute erwarten junge Menschen, die frisch von der Uni kommen, trübe Aussichten auf dem Jobmarkt. Das britische Wirtschaftsmagazin "The Economist" titelt in seiner aktuellen Ausgabe treffend: "Warum die Absolvent:innen von heute am Arsch sind".
Demnach ist die Arbeitslosigkeit für junge Akademiker:innen zuletzt in den meisten Industrieländern angestiegen. Die Gehaltslücke zwischen klassischen Akademikerjobs und niedrig qualifizierteren Jobs schließe sich zudem zunehmend.
Eine 23 Jahre alte Frau aus Großbritannien hat am eigenen Leib erfahren, wie prekär die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist. Bevor sie endlich ihren ersten Job antreten konnte, verschickte sie 647 Bewerbungen.
Wie die BBC berichtet, war die Uni-Absolventin Caitlin Morgan kurz davor, die Hoffnung auf eine Anstellung endgültig aufzugeben.
Morgan hatte eine 18-monatige Bewerbungs-Odyssee hinter sich gebracht, während der sie es sich zum Ziel setzte, zwei Bewerbungen pro Tag zu verschicken. Ihr Fleiß wurde lange nicht belohnt. Bei 150 Bewerbungen bekam sie sofort eine Absage, bei 271 erhielt sie nicht einmal eine Antwort.
Morgan begannen Zweifel zu kommen, ob ihr vierjähriges Finance & Accounting Studium an der walisischen Swansea University die richtige Wahl war. Dabei hatte sie sich durch insgesamt ein Jahr Praktikumserfahrung einen Vorteil gegenüber anderen Bewerber:innen erhofft.
"Ich habe hart für meinen Abschluss gearbeitet und hatte schon Erfahrung, also habe ich mir überlegt, ob es das wert ist", sagte Morgan gegenüber der BBC. "Es gab eine Zeit, in der ich mich komplett demotiviert fühlte und nicht mehr daran geglaubt habe, zur Uni zu gehen oder einen Abschluss zu machen", sagte sie weiter.
"Ich habe so viel Mühe in meine Bewerbungen gesteckt, dass ich mich gefragt habe, warum meine Bewerbung keine Rückmeldung wert war", sagte die 23-Jährige. Später glaubte sie den Grund für die vielen Körbe erkannt zu haben: KI-gestützte Software der Unternehmen, die die eingehenden Bewerbungen automatisch filtern.
Anfangs sei ihr Lebenslauf so gestaltet gewesen, dass diese Programme ihn nicht lesen konnten. "Ich habe nur Absagen bekommen, aber nachdem ich ihn angepasst habe, wurde ich manchmal zum Auswahlverfahren eingeladen", berichtete sie. "Hätte ich das früher gewusst, hätte mir das für meine anderen Bewerbungen geholfen."
Schließlich erreichte sie mit 221 Bewerbungen das Auswahlverfahren, und schaffte es bei fünf in die finale Runde, bevor es endlich die ersehnte Zusage gab. Die 23-Jährige tritt im September eine Traineestelle zur Buchhalterin in London an.
Mit ihrer neuen Stelle ist sie sehr zufrieden. "Das war genau das, was ich wollte und bietet alle Kurse, die ich im Finanzwesen belegen wollte", sagte sie. "Ich wünschte nur, es hätte sehr viel schneller geklappt."
Auch wenn ihr Fall besonders extrem ist, dürfte sie mit ihrer Erfahrung nicht allein sein. Denn laut der BBC zeigten Studien des britischen Institute of Student Employers, dass es im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Bewerbungen auf 17.000 offene Stellen für Hochschulabsolvent:innen gegeben habe.