Der Druck, sein Leben in möglichst vielen Bereichen zu optimieren, kann manchmal ganz schön groß sein. Da geht es mitunter nicht nur darum, beruflich seine Produktivität zu steigern, sondern auch privat beispielsweise sein Zeitmanagement immer weiter zu optimieren und auf die Minute durchzutakten.
Zum anderen bekommt man hin und wieder auch Fitnessinfluencer:innen zu sehen, die einem weismachen wollen, dass man seinen Körper und seine sportlichen Leistungen immer weiter optimieren kann beziehungsweise sollte.
Und dabei spielt natürlich auch die Ernährung eine Rolle. Seit einiger Zeit gehen manche Menschen sogar so weit, dass sie ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig messen – und das obwohl sie gar nicht an Diabetes erkrankt sind.
Zu diesem Trend hat (zumindest in Teilen) die französische Biochemikerin Jessie Inchauspé beigetragen. Sie hat vor einigen Jahren das Buch "Der Glukose-Trick" veröffentlicht, das sich als internationaler Bestseller entpuppte. Auf ihrem Instagram-Account "Glucose Goddess" folgen ihr mittlerweile über fünf Millionen Menschen.
Inchauspé ist der Überzeugung, dass ein stabiler Blutzuckerspiegel ein grundlegender Baustein für die Gesundheit und Vitalität eines jeden Menschen sei.
Klar ist: Wenn man kohlenhydratreiche Nahrung zu sich nimmt, dann steigt der Blutzucker in der Regel an. Das ist ganz normal und hat zur Folge, dass das Hormon Insulin ausgeschüttet wird. Nach einer Spitze sinkt der Blutzuckerspiegel im Normalfall wieder ab.
Wenn der Blutzucker aber regelmäßig extrem schwankt, ist das nicht gut für die Gesundheit. Manche Menschen werden dann nach dem Essen nicht nur müde – Stichwort Mittagstief – oder erleben Heißhungerattacken. Einige nehmen auf Dauer an Gewicht zu oder entwickeln langfristig sogar Diabetes.
Deshalb teilen manche Social-Media-Nutzer:innen online auch Tipps, wie man größere Blutzucker-Spitzen vermeidet. Einige behaupten zum Beispiel, dass es bei der Nahrungsaufnahme auf die Reihenfolge ankommt. Demnach soll man Gemüse essen, bevor man Kohlenhydrate, etwa in Form von Nudeln oder Kartoffeln, zu sich nimmt.
Der Grund: Die Vorspeise stillt zum einen den ersten Hunger und zum anderen gelangen die Kohlenhydrate durch die im Gemüse enthaltenen Ballaststoffe langsamer ins Blut.
Das bestätigt auch der Hamburger Ernährungsmediziner Matthias Riedl. Gegenüber der "Apotheken-Umschau" sagt er: Ein Vorspeisensalat sei eine "gute Gewohnheit, durch die verhindert werden kann, dass der Blutzuckerspiegel schnell ansteigt". Allerdings müsse man darauf achten, dass das Dressing nicht zu viel Zucker und/oder Fette enthalte.
Ein weiterer Trick: nach dem Essen einen kleinen Spaziergang machen. Dadurch sollen die durch das Essen aufgenommenen Kohlenhydrate schneller wieder verbrannt werden. "Jeder Schritt zählt. Schon fünf bis zehn Minuten können bewirken, dass der Blutzucker leicht sinkt", meint auch Ernährungsexperte Riedl.
Vorspeisensalat und Verdauungsspaziergang? Klingt nicht unbedingt nach einem Geheimtipp. Ein eher ungewöhnlicher Glukose-Trick ist da, vor dem Essen ein Glas Apfelessig zu trinken (natürlich mit Wasser verdünnt).
Das soll dafür sorgen, dass die Blutzuckerkurve nicht so stark ansteigt. Riedl hält positive Effekte für möglich. Aber: "Die derzeitigen Studien sind mit zu kleiner Teilnehmerzahl und beziehen sich auf Menschen mit Typ-2-Diabetes". Deshalb seien weitere Untersuchungen nötig.
Generell gibt es bislang nur wenige wissenschaftliche Studien, die die Vorteile einer "Glukose-bewussten" Ernährung belegen würden. Auf ihrer Website führt die "Glucose Goddess" Inchauspé zwar über 100 Studien an.
Aber viele dieser zitierten Studien wurden mit Diabetiker:innen durchgeführt, wie der MDR in einem Beitrag betont. Diabetes-Patient:innen sind aber nur bedingt mit Menschen vergleichbar, die einen gesunden Stoffwechsel haben.
"Man kann derzeit nicht ausreichend belegen, dass es einen Mehrwert gibt, wenn Gesunde ihren Blutzucker kontrollieren", sagt auch die Ernährungswissenschaftlerin Jasmin von Zezschwitz gegenüber dem MDR.
Am Ende muss man sich zudem bewusst sein, dass die Blutzuckerkurve bei jedem Menschen etwas anders aussieht und nicht jedes Mittagstief mit einer Blutzuckerspitze zusammenhängt. Vielleicht kann man sich also, zumindest was die "Glukose-bewusste" Ernährung angeht, ein wenig Optimierungsdruck sparen.