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Klarna, Paypal, Buy now: Wie Pay-Later-Anbieter Teenager finanziell ruinieren

Das nächste Outfit ist nur einen Klick entfernt – bezahlt wird später.
Das nächste Outfit ist nur einen Klick entfernt – bezahlt wird später. Bild: iStockphoto / NaPeter
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Klarna, Paypal oder Buy now: So ruinieren Pay-Later-Anbieter Teenager finanziell

20.06.2023, 07:2820.06.2023, 09:55
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Junge Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren surfen laut Statista im Schnitt 284 Minuten pro Tag im medialen Internet (Stand 2022). Wer seine Freizeit damit verbringt, perfekt gestylte Menschen in Traumwohnungen anzuschauen und zwischendurch ständig Werbung für Kleidung oder Schmuck angezeigt bekommt, wird da schnell zum Shoppen verführt.

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bild:statista

Ein kleiner Klick auf den Kauf-Button genügt schließlich für einen Shot Glückshormone direkt ins Gehirn.

Die Jugendlichen brauchen nicht mal eine Kreditkarte, der Kauf von Online-Bezahldiensten ist per Überweisung oder Rechnung möglich. Darüber hinaus wird den Nutzer:innen meist die Zahlung auf Raten oder mit einer Frist von 30 Tagen erlaubt.

Die Hemmschwelle, Schulden aufzunehmen, ist für Jugendliche somit denkbar niedrig. Auf dem Konto merkt man den Online-Shopping-Rausch erst einmal nicht, denn der Betrag wird erst später abgebucht. Ein Erfolgsmodell für die Unternehmen mit möglicherweise drastischen Folgen für die Kund:innen.

Die Trendstudie "Jugend in Deutschland", die im Oktober 2022 veröffentlicht wurde, ergab, dass jede fünfte Person zwischen 14 und 29 Jahren in Deutschland Schulden hat. Ein Grund dafür könnten die digitalen Bezahldienste sein: Sie bieten die Option, später zu zahlen, aktiv an. Kerstin Föller, Schuldnerberaterin der Verbraucherzentrale Hamburg, kann das nur bestätigen. "In unserer Praxis spielen Bezahldienste wie Klarna bei fast jedem zweiten Fall eine Rolle", sagte sie der Zeitung "Welt".

Eine Statista-Umfrage zeigt, dass der Anteil der Gen-Z-Jugendlichen, die mit Klarna oder Buy now, pay later (BNPL) von Paypal auf Pump kaufen, bei 45 Prozent liegt. Diese Dienste bürgen gegenüber den Händlern, indem sie das Betrugs- und Ausfallrisiko übernehmen.

Schuldenmachen als Tiktok-Trend

Vor allem gegen Ende 2022, Anfang 2023, fand man auf den Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Tiktok unter dem Hashtag #Klarnaschulden viele junge Menschen, die geradezu damit prahlten, wie hoch ihre Schulden beim Bezahldienst sind.

Fast 5 Millionen Beitrage mit dem Hashtag Klarnaschulden gibt es auf Tiktok.
Fast 5 Millionen Beitrage mit dem Hashtag Klarnaschulden gibt es auf Tiktok.tiktok/screenshot

Der unbekümmerte Lifestyle, sich einfach zu kaufen, was man will, ohne an den Kontostand zu denken, scheint voll im Trend zu sein. Das Prinzip dahinter ist nur auf den ersten Blick auch unbedenklich.

Wie seriös ist Klarna?

Digitale Bezahldienste gibt es viele, sie heißen Afterpay oder Ratepay. Am häufigsten nutzen die Deutschen den BNPL-Dienst Paypal, knapp dahinter liegt der schwedische Anbieter Klarna. Bei Klarna müssen sich Kunden jedoch nicht vorher registrieren oder ein virtuelles Konto einrichten, um die Sofortzahlung Pay Now nutzen zu können.

Viele Jugendliche nutzen den Bezahldienst, ohne sich mit den möglichen Folgen auseinanderzusetzen. Mit Klarna auf Pump einzukaufen, ist rechtlich so, wie einen Darlehensvertrag abzuschließen. Bei Ratenkäufen fallen außerdem monatliche Zinsen an, die aus Sicht von Experten oft relativ hoch sind. Obendrein hinterlegen die Zahlungsanbieter die Ratenzahlungen bei der Schufa.

Wer seinen Kauf oder seine Raten nicht rechtzeitig zahlen kann, bekommt einen negativen Schufa-Eintrag mit all seinen Folgen: Probleme beim Mieten von Wohnungen oder dem Abschließen von Handyverträgen beispielsweise. Werden die Schulden auch nach drei Mahnungen nicht bezahlt, gibt es meist ein Inkasso-Verfahren.

Unter dem Hashtag #Klarnaschulden finden sich deshalb nicht nur Teenager, die mit ihren hohen Schulden angeben, sondern auch solche, die in finanzieller Not sind. Denn die Schulden-Spirale hört nicht auf. Selbst wenn die Kund:innen schon Schulden haben, können sie den Zahlungsdienst nach deren Angaben scheinbar weiternutzen. Klarna bestreitet das.

Twitter-Beschwerden von Klarna-Kunden

Eine junge Frau namens Lea-Marie spricht im "Stern" darüber, wie sie 22.000 Euro Schulden durch Einkäufe, unter anderem über Raten-Bezahldienste wie Klarna, angehäuft hatte. Unter einem Instagram-Post der ZDF-Sendung "37 Grad" teilen auch andere Menschen ihre Klarna-Schuldenstory.

Der User "Philip_1996_1"schreibt: "Ich zahl seit 2 Jahren Schuhe bei denen ab, mit 7,8 Euro im Monat 😂 hab das eine ganze Weile gar nicht so geblickt, weil die Rate so klein war und irgendwie hab ich das dann so beibehalten."

Dagegen kritisiert "leinm", dass die Mahnung zu schnell komme: "Wir wohnen außerhalb und die Post kommt an manchen Tagen gar nicht. Die Rechnung von Klarna kommt oft Tage vor der Ware und dann muss ich mich beeilen, wenn ich eine Rücksendung habe. Oft ist Klarna schneller als die Post ..." Klarna sagt dazu, die Kunden bekämen nach 28 Tagen zuerst eine gratis Erinnerung, bevor die Mahnung nach 36 Tagen kostenpflichtig werde.

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Klarna widerspricht

Für die Klarna-Managerin Defren stelle dieser Tiktok-Trend jedoch "teilweise eine Verzerrung der Realität" dar, wie sie es gegenüber der Welt bezeichnet. So dominierten in Deutschland der Kauf auf Rechnung und die Sofortüberweisung, der Ratenkauf mache nur einen Bruchteil der Transaktionen aus.

Die TikTok-Videos seien ihrer Meinung nach nicht repräsentativ. "Unser Durchschnittsnutzer ist 42 Jahre alt, unsere am schnellsten wachsende Kundengruppe ist 57 Jahre oder älter", sagt Defren: "Wir verbreiten ganz sicher nicht die Botschaft, dass Schulden cool sind."

Die neueste Werbepartnerschaft von Klarna ist ein Spot mit der millionenschweren Hotel-Erbin Paris Hilton. In vielen pinken Clips schwärmt sie davon, wie einfach es ist, mit Klarna zu shoppen und seine Rechnungen erst später zu zahlen. Dass Paris Hilton ihre Einkäufe in Raten zahlt, ist irgendwie schwer zu glauben.

Auch die Politik scheint von der Harmlosigkeit des Geschäftsmodells nicht komplett überzeugt zu sein: Die USA, Großbritannien und die Europäische Union beraten derzeit über verschärfte Regeln für das Kauf-sofort-bezahl-später-Geschäft. Noch gibt es aber keine Ergebnisse.

Das Verbraucherportal "Chip" warnte 2021 vor dem Bezahldienst Klarna. Denn es war immer wieder zu Fällen gekommen, in denen die Rechnungen zwar pünktlich gezahlt wurden – die Überweisungen aber zurückgebucht wurden. Bei Klarna galt der Betrag deshalb als "nicht beglichen" und die Information wurde an ein Inkasso-Unternehmen weitergeleitet.

Die Userin "kogeljulia" schreibt: "Ware bezahlt, trotzdem Mahnung erhalten, 3x Kopie vom Kontoauszug gemailt, trotzdem weiter Mahnungen bekommen. Klarna und den Onlineshop angeschrieben, immer wieder. Irgendwann dann aus Frust den Wert der Ware noch einmal überwiesen, aber nicht die Mahngebühren und den ganzen Quatsch, dazu noch einmal eine Mail geschickt mit beiden Kontoauszügen und der Klarstellung, dass ich jetzt 2x bezahlt habe und nicht mehr weiter zahlen werde. Viel Zeit verging, nie etwas gehört. In den Urlaub gefahren, plötzlich Konto gepfändet."

Der Grund dafür war wohl, dass der Verwendungszweck bei den Überweisungen nicht korrekt angegeben war. Selbst minimale Abweichungen führten schon zu teuren Rückbuchungen. Gegenüber watson sagte ein Sprecher von Klarna jedoch, dieses Problem sei inzwischen behoben worden. Dank eines Pilotprojekts würde sich die Bonitätsprüfungen der Klarna bei der Schufa auch nicht mehr auf den generellen Schufa-Score der Kund:innen auswirken.

Die gute Seite von Schuldendiensten

Bei aller Kritik muss natürlich auch erwähnt werden, dass gerade Menschen mit wenig Geld auch auf solche Bezahlmöglichkeiten angewiesen sind und von Ratenzahlungen profitieren können. Auch wenn sie das Risiko bergen, sich zu verschulden.

Die Userin "taesschentee" beschreibt unter demselben Post ihr Situation: "(...) bis die Ausbildung beendet ist, sind Kredite eine außerordentliche Hilfe. Ich konnte mir durch Klarna meine Traumküche inklusive Elektronik kaufen und zahle dies nun jeden Monat ab. Ich achte allerdings sehr auf meine Schufa, lasse mir den kostenlosen Ausdruck jedes Jahr zukommen, um eine Übersicht meines Scores zu erhalten (...) Ich weiß, viele sagen: 'gib kein Geld aus, was du nicht hast'. Aber inzwischen ist es wirklich schwer geworden ein Leben ohne Startkapital aufzubauen, wenn man Geringverdiener:In ist."

Um der Schuldenfalle zu entgehen, raten Experten unter anderem: Wenn möglich, immer sofort bezahlen und Rückgaben beim Online-Händler und dem Bezahldienst melden. Ratenzahlungen sollten außerdem niemals mehr als drei Monate betragen, um die Schufa-Bonität nicht zu beeinflussen.

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