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Feiern auf K.-o.-Tropfen im Club – so riskant ist die Droge G wirklich

Menschen im farbigen Licht einer Discothek (model-released) Copyright: xMEVx ALLMVAID001FR14

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G-Konsum ist in einigen Clubs längst nicht mehr nur eine Randerscheinung.Bild: imago stock&people / allOver-MEV
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Feiern auf K.-o.-Tropfen – so attraktiv und riskant ist die Droge G

30.12.2023, 14:59
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Basti* ist Drogen nicht abgeneigt, nimmt gerne einmal Ecstasy oder LSD. Trotzdem versucht er, Safer-use-Regeln zu beachten. Also so zu konsumieren, dass das Risiko so gering wie möglich ist. Von G – einer Droge, die auch als Gina, GHB, GBL oder Liquid Ecstasy bekannt ist – lässt er die Finger. Die Erfahrungen, die er damit gemacht hat, sind ihm zu heftig.

G breitet sich im Nachtleben weiter aus – und wird selbst in vielen drogentoleranten Clubs nicht gerne gesehen. Die Clubszene setzt sich gegen den Konsum ein. Denn obwohl der Name dem der ohnehin schon verbreiteten Ecstasy-Pillen gleicht, ist die Wirkung völlig anders als die der Tabletten und deren Wirkstoff MDMA. G ist riskant, wie Expert:innen warnen, kann bereits bei geringster Überdosierung zum Tod führen.

Doch wie riskant ist die Droge wirklich? Was treibt Menschen zum Konsum der Substanz, die auch als K.-o.-Tropfen zum Einsatz kommt? Und wie verbreitet ist G? Watson hat mit mehreren Personen aus der Szene und einem Experten dazu gesprochen.

*Die Namen der Personen in diesem Artikel, die mit einem Stern* gekennzeichnet sind, wurden geändert, um ihre Identität zu wahren. Die realen Namen sind der Redaktion bekannt.

Rausch mit G: So fatal kann die Wirkung der Droge sein

Basti* erzählt gegenüber watson von einem Erlebnis in einem bekannten Berliner Club. Als er mit einem Bekannten dort hin ist, habe dieser "gefragt, ob wir zusammen aufs Klo gehen. Dann hat er plötzlich G ausgepackt und das genommen."

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G wird in Clubs der Szene immer häufiger genommen.Bild: imago images / Pond5 Images

Als die beiden dann anschließend durch den Club streiften, verloren sie sich aus den Augen. Später traf er wieder auf seinen Kumpel, der völlig regungslos auf einer Couch lag. Als sein Bekannter dann halbwegs wieder ansprechbar war, wollte dieser direkt in der Toilettenkabine nachlegen. Offenbar eine schlechte Idee. Sein Bekannter habe ununterbrochen "gekotzt und gesagt, dass es zu viel war. Er war komplett raus."

Was genau ist G?
GHB (Gamma-Hydroxybutyrat) und GBL (Gamma-Butyrolacton) werden synthetisch hergestellt und finden Anwendung in der Pharmakologie sowie der Industrie. Beide Substanzen gehören zur Gruppe der Narkotika. GHB wird entweder als Salz in Pulverform oder als flüssige Substanz gehandelt, während GBL als farblose Flüssigkeit oral verdünnt eingenommen wird. Je nach Dosierung wirken GHB und GBL sowohl stimulierend als auch entspannend. In höheren Mengen können sie zu Bewusstlosigkeit oder einem komaähnlichen Schlaf führen, weshalb sie als K.o.-Tropfen bekannt sind. Diese Substanzen sind auch unter den Namen Liquid Ecstasy, G, Gina oder Fantasy geläufig.

Rüdiger Schmolke, Fachreferent Beratung und Prävention vom Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e.V. bestätigt gegenüber watson, wie risikoreich der G-Konsum wirklich sein kann. Wegen seiner vergleichsweise geringen therapeutischen Breite ist das Risiko der Überdosierung mit G groß, das Verhältnis zwischen der erwünschten Wirkung und einer Überdosierung ist klein. Besonders risikoreich wird es laut Schmolke vor allem dann, "wenn die Substanz nicht genau abgemessen, die Dosis an die individuelle Verträglichkeit angepasst und beim Nachdosieren nicht deutlich weniger der Substanz eingenommen wird."

Die passende Menge selbst einzuschätzen, ist schwierig. Und eine Überdosis G kann erschreckend aussehen: Von plötzlichem Wegdämmern über unwillkürliches Rumschreien, Krampfen, Kotzen, Körperzuckungen bis hin zu komaartiger Bewusstlosigkeit kann alles passieren. Vor allem, wenn GHB oder GBL in Kombination mit anderen Drogen eingenommen wird, wird es dem Experten zufolge kritisch. Es kann zu Atemproblemen kommen, die lebensgefährlich werden können.

K.-o.-Tropfen als Droge: Konsumentin erzählt, warum sie G nimmt

G wird trotzdem konsumiert. Die 32-jährige Jenny* erzählt ihre Geschichte: "Als ich G das erste Mal ausprobiert habe, hat es mich total geflasht", sagt sie im Gespräch mit watson. Freunde hätten die Droge zuvor schon öfter genommen, es gehörte für sie zum Feiern mit dazu. Deshalb habe sie sich keine großen Sorgen gemacht, als sie es eines Abends ausprobierte.

Der Rausch kam schnell: G habe sie völlig "betrunken" gemacht. Und sexuell erregt. "Ich war noch nie in meinem Leben so geil", sagt sie. Das passte zu der Party, auf die sie an jenem Abend vor vier Jahren ging: eine Sex-positive-Party in einem bekannten Berliner Club. In ihr habe es nur Gutes ausgelöst in dieser Nacht, die sie als komplett hemmungslos in Erinnerung hat.

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Gefährliche Droge: Die Dosierung der GBL-Tropfen ist schwierig.Bild: imago images / Pond5 Images

Tatsächlich hat die Substanz als Partydroge ihren Ursprung genau in diesem Umfeld, wie Schmolke erklärt. G-Konsum breitete sich seit etwa Ende der 1990er Jahre in Deutschland zunehmend auf Partys aus. "Vor allem in sogenannten sexpositiven Settings und in queeren Communitys gab es danach eine Etablierung", sagt der Fachreferent. Er geht davon aus, dass sich die Substanz in Deutschland stetig weiter verbreitet, vor allem in Berlin.

2018 ergab ihm zufolge eine Umfrage unter Clubgänger:innen, dass etwa jede zehnte Person mindestens monatlich G, meist in Form von GBL, konsumierte. Man müsse allerdings davon ausgehen, "dass dies je nach Musikgenre, Club und Party beziehungsweise der G-Policy sehr verschieden ist", stellt er klar. Über aktuellere Zahlen verfügt er nicht. "Durch Gespräche mit Ausgeher:innen wissen wir aber, dass der Konsum sich seitdem nochmals verbreitet hat."

G kann extrem süchtig machen

Mark* ist ehemaliger Konsument, 36 Jahre alt. Er hat jahrelang G genommen. Bis eine Bekannte, die er allerdings nur einmal kennengelernt hatte, im europäischen Ausland an einer Überdosis starb. "Das hat mich so schockiert, dass ich es seitdem nicht mehr anrühre."

Jenny* nimmt G seit ihrer ersten Erfahrung regelmäßig beim Feiern im Berliner Nachtleben. Nicht zuletzt deshalb, um Geld für den Alkohol zu sparen. Zwar ist GHB verboten. Trotzdem kann es, beispielsweise über Messengerkanäle, leicht erworben werden. Anders bei GBL, das in der Industrie breite Verwendung als Lösungs- und Reinigungsmittel findet. "Sein Besitz ist nicht strafbar und das Produkt ist günstig, wenn größere Mengen bestellt werden", sagt Schmolke.

Jenny* hat schon oft Leute auf G abschmieren sehen. Auch ihr selbst ist es passiert, dass sie einen Filmriss davon hatte: Einmal wachte sie auf und konnte sich an nichts mehr erinnern. Ein Freund erzählte ihr dann, dass sie quasi in Dauerschleife gekotzt hatte.

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G kann zu heftigem Übergeben führen, oder Schlimmerem.Bild: imago stock&people / Panthermedia

Schon kleinste Dosen können Konsument:innen völlig ausknocken. Nicht umsonst wird die Substanz auch als K-o.-Tropfen missbraucht. Jenny* hatte Glück, dass ihre Freunde auf sie aufpassten. Sonst wäre sie einem etwaigen Übergriff wohl völlig ausgeliefert gewesen. Aufgehört hat sie mit dem Konsum trotz der Erfahrung nicht.

G kann süchtig machen, wie Schmolke warnt: "Bei Dauerkonsum macht G auch körperlich abhängig und der Entzug kann, ähnlich dem Entzug von Alkohol, mit schweren Komplikationen verbunden sein." Dieser sollte ihm zufolge deshalb in klinischem Setting und mithilfe von qualifiziertem Fachpersonal erfolgen.

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Nach Tod einer Konsumentin: Berliner Clubs setzen sich gegen G ein

Da G nicht ungefährlich ist, setzt sich die Berliner Clubmission gegen die Droge beim Feiern ein. Nach dem Tod einer 25-Jährigen 2021 in Berlin warnte sie mit einer Kampagne vor der Substanz. Auf der Webseite der Berliner Clubmission steht noch heute: "Die Droge stellt ein Risiko für unsere Orte und die Szene dar." G werde unterschätzt.

Auch auf den Missbrauch als Vergewaltigungsdroge spielt die Clubmission an: "Wie können wir die Freizügigkeit der Berliner Szene hochhalten, wenn unter Einfluss von G Konsens und Konsent an Bedeutung verlieren, wenn G gezielt eingesetzt wird, um Sexualstraftaten zu begehen?", heißt es. Die Trenddroge ist ein Problem für die meisten Clubs, die ansonsten offen für Drogenkonsum sind. Die Berliner Clubmission macht den Feiernden eine klare Ansage: "Genießt die Musik, die Menschen und die Atmosphäre, aber bitte lasst G aus dem Spiel."

Supermarkt: Krebserregender Stoff enthalten – Süßigkeit wird zurückgerufen

Süßigkeiten und Snacks aus den USA sind in Deutschland aufgrund ihres kreativen Designs und cleverer Vermarktung immer wieder im Trend. Regelmäßig setzen sich manche Marken auch langfristig durch. Bekannte Beispiele sind Oreo-Kekse, M&M's oder Jelly Beans.

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