
Der Kampf um Gleichberechtigung muss nicht immer radikal sein. Bild: imago images / foto2press
Analyse
13.09.2024, 19:5013.09.2024, 19:56
Wenn das Wort Feminismus in einem Gespräch fällt, sind die Reaktionen sehr unterschiedlich. Die einen nicken wissentlich, die anderen rollen genervt mit den Augen.
Denn während Feminismus für manche der Kampf um mehr Gleichberechtigung bedeutet, assoziieren andere damit aufgebrachte Frauen, die wütend das Ende aller Männer fordern. Mistgabel in der Hand, alles männerhassende Lesben. Oder so ähnlich.
Laut des Politiklexikons der Bundeszentrale für politische Bildung ist Feminismus "eine Bewegung, die sich für politisch-praktische Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenschancen von Frauen einsetzt". Viele Feminist:innen würden hier vermutlich ergänzen, dass nicht nur für Frauen, sondern auch für FLINTA* und queere Menschen Verbesserung in verschiedenen Lebensbereichern erwirkt werden muss.
Eine Verbesserung der Lebenschancen für Frauen klingt auf jeden Fall schon nicht mehr so dramatisch, wie manche Gegner:innen des Feminismus es darstellen.
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Wem es wichtig ist, für mehr Gleichberechtigung einzustehen, muss das auch nicht immer unbedingt im großen Stil tun. Schließlich kann es durchaus ermüdend und entmutigend sein, auf Demonstrationen zu gehen, Aufklärungsarbeit zu leisten und immer wieder mit Menschen über das Thema zu diskutieren.
Mikrofeminismus: kleine Gesten mit großer Wirkung
Auch im Alltag lassen sich kleine Gewohnheiten etablieren, mit denen der Feminismus deutlich wird – die aber nicht so viel Zeit und Kraft kosten wie ein Schlagabtausch mit jemandem, der den Feminismus nicht verstehen will. Auf Tiktok etwa gibt es unter dem Oberbegriff Mikrofeminismus viele Vorschläge, Erfahrungsberichte und Tipps, um sich im Alltag feministischer zu verhalten – und damit einen Beitrag zu mehr Gleichberechtigung zu leisten.
Hier findest du eine Liste an kleinen mikrofeministischen Verhaltensweisen, die auf Geschlechterungerechtigkeit aufmerksam machen und die langfristig viel bewirken können:
- Männern auf der Straße nicht aus dem Weg gehen: Teil der Sozialisierung unserer Gesellschaft ist es, Mädchen beizubringen, dass sie höflich sein sollen, nicht zu laut sein dürfen und auf andere Rücksicht nehmen, während Jungs sich natürlich durchsetzen müssen und zeigen dürfen, wie stark sie sind. Solche anerzogenen Verhaltensmuster machen sich auch im Erwachsenenleben – meist unbewusst – bemerkbar: Frauen machen eher auf der Straße Platz, während Männer gar nicht merken, dass ihnen jemand aus dem Weg gehen muss – bis man es eben nicht mehr tut.
- Konsequent die feminine Form für Berufsbeschreibungen und andere Personenbezeichnungen nutzen: Viel zu oft wird eine Ärztin als Arzt bezeichnet, eine Anwältin als Anwalt. Das mag die einzelnen Personen vielleicht auch gar nicht stören, aber durch das generische Maskulinum verschwinden Frauen von der Bildfläche des Sprachgebrauchs und damit auch aus den Vorstellungen, die wir mit den Berufsbildern verbinden. Von Astronautinnen und Professorinnen zu sprechen, hilft dabei, Frauen sprachlich sichtbar zu machen.
- Kleine Mädchen nicht nur für ihr Aussehen loben, sondern ihnen auch sagen, dass sie stark und mutig sind: Es passiert unbewusst, aber es passiert ständig. Während wir kleinen Jungs sagen, dass sie irgendwas ganz toll gemacht haben, weil sie stark und schnell und mutig sind, loben wir kleine Mädchen, weil sie etwas Süßes anhaben oder ein schönes Bild gemalt haben. Dabei freut sich jedes Kind über ein Kompliment zu seinem Outfit, zu etwas Selbstgebasteltem oder den weiten Wurf eines Balls – egal welches Geschlecht es hat.
- Männern Blumen schenken und ihnen auch mal die Türe aufhalten: Wie schon erwähnt geht es beim Feminismus um Gleichberechtigung. Und dazu gehört, dass alle Blumen bekommen sollten, und allen mal die Tür aufgehalten wird. Einfach mal die Rollen auflösen.
- In Gesprächen davon ausgehen, dass der Vater oder Mann zu Hause den Haushalt macht: "Oh, ist deine Hose heute im Kindergarten dreckig geworden? Macht nichts, der Papa wäscht die dir bestimmt." Klingt irgendwie fremd? Auch durch solche Aussagen kann man Rollenverteilungen infrage stellen und aufweichen.
- Männer fragen, ob sie schon ein Geschenk für die Geburtstagsparty einer Freundin organisiert haben – und nicht ihre Partnerin: "Schaaatz, was schenken wir denn eigentlich Daniel zum Geburtstag?" Auch wenn der Begriff Schatz keinem bestimmten Geschlecht zugehört, hat man hier wieder ein bestimmtes Bild im Kopf – und das sollten wir auflösen. Denn Geschenke aussuchen kann jeder Mensch und diese Art der Aufgaben im Alltag muss nicht nur von Partnerinnen und Freundinnen übernommen werden.
Care-Arbeit und Rollenverteilung: Mikrofeminismus gegen die Norm
Diese Liste würde sich beliebig lang weiterführen lassen und es gibt beispielsweise gerade für Frauen in Ehen oder Mütter weitere Akte des Rebellierens gegen die zugeteilten Rollen: Für den Urlaub nur den eigenen Koffer packen, den Mann nicht an Geburtstage innerhalb seiner Familie erinnern – und so weiter.
Denn was wirkt wie Kleinigkeiten, sind in der Summe ganz schön viele Aufgaben, die in der Regel Frauen für ihre Partner übernehmen.
Wer langfristige und nachweisliche Veränderung beim Thema Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern möchte, wird nicht darum herumkommen, sich auch im größeren Stil für diese Sache einzusetzen.
Aber solche Mechanismen zu seinem Alltag zu machen, kann subtil auf diskriminierende Systeme hinweisen: auf unfaire Verteilung der Aufgaben im Haushalt, auf Unsichtbarkeit von Frauen und anderen Geschlechtern aufgrund des maskulinen Formgebrauchs und auf die Sozialisierung nach angepassten Geschlechterrollen, die schon bei Kindern passiert.
Straßenlärm, klingelnde Handys und überall Menschen: Ja, der Alltag kann super fordernd sein. Also muss zumindest im Urlaub absolute Ruhe herrschen. Wo es die gibt, liest du hier.
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