Die Corona-Booster-Kampagne des Bundes ist Gegenstand aktueller Kritik. Vielen dauerte der Start zu lange, seitens der Politik wurden Fehler eingeräumt. Um die Impfquote zu erhöhen, wurde zuletzt immer wieder die Forderung laut, dass Corona-Schutzimpfungen auch in Apotheken durchgeführt werden sollen.
Nach dem Bund-Länder-Gipfel am Dienstag ist nun auch klar: Apotheken sollen in die Booster-Kampagne einbezogen werden. Das steht in einer aktuellen Beschlussvorlage. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) befeuerte die Pläne, indem er nach dem Corona-Gipfeltreffen der Länderchefs ebenfalls vor den Kameras beteuerte, dass "eine rechtliche Grundlage" für das Impfen in Apotheken geschaffen werden soll.
Bereits am Montag erklärte Bayerns Gesundheitsminister Holetschek, dass der Bund aufgefordert werde, die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Zwar sei klar, "dass das nicht von heute auf morgen geht", er verwies aber darauf, dass der Einsatz von Apotheken auch für künftige Auffrischungsimpfungen nötig sei.
Und auch CDU-Politiker Casten Linnemann und CSU-Generalsekretär Markus Blume sind dieser Meinung. Linnemann sagte am Sonntag im "Bild"-TV Politik-Talk "Die richtigen Fragen": "Warum braucht es einen Arzt, der die Spritze gibt?" Es reiche, die Impfwilligen bei der Erst- und Zweitimpfung über mögliche Risiken aufzuklären. Ein drittes Mal bräuchte es nicht, sagte er und betonte: "Da müssen wir in Deutschland runter von unserem hohen Bürokratie-Ross."
Blume stimmte Linnemann zu: "Wir sehen kein Problem, dass auch in anderen Bereichen geimpft werden kann. Das Thema Apotheken erscheint uns da sehr einleuchtend." Es sei die Aufgabe der Politik sicherzustellen, dass die Strukturen vor Ort vorhanden seien, forderte er.
Die Apothekenverbände der einzelnen Bundesländer sind jedoch anderer Meinung. Watson hat nachgefragt, wie die Apotheken zu der Forderung, bei den Auffrischungsimpfungen zu unterstützen, stehen und was die Hürden dabei sind.
Zwar erklären die Landesapothekerverbände Niedersachsen, Sachsen und Rheinland-Pfalz ihre grundsätzliche Bereitschaft, den Bund bei der Booster-Kampagne zu unterstützen, sie äußern jedoch auch Bedenken bei der Umsetzung. Der Sächsische Apothekerverband erklärt dazu gegenüber watson:
Die Sprecherin des Verbands, Kathrin Quellmalz, betont jedoch zugleich, dass zunächst eine "rechtliche Grundlagen geschaffen und eine medizinische Schulung des Impfpersonals erfolgen" müsse.
Auch Apothekerin Petra Engel-Djabarian der Luther Apotheke in Worms aus dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz unterstreicht im Gespräch mit watson die Wichtigkeit einer solchen gesetzlichen Grundlage des Bundes: "Wir warten zunächst ab, was politisch gefordert ist, dann geht es an die Umsetzung." Sie schließt sich dabei der Ansicht des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek an: Es sei ein Prozess und gehe "nicht von null auf 100", betont Engel-Djabarian.
Noch einen Schritt weiter geht der Hessische Apothekerverband. Sprecherin Katja Förster sieht die Probleme bei der Umsetzung – nach entsprechender politischer Freigabe – vor allem bei den "organisatorischen, personellen und räumlichen Voraussetzungen in den Apotheken". Zudem "müssten die hessischen Apothekerteams die passenden Schulungen absolvieren". Förster erklärt auf Nachfrage von watson:
Zugleich betont Förster aber auch: "Dennoch könnten die Apotheken vor Ort einen nennenswerten Beitrag zum Impfgeschehen leisten."
Die Apothekerverbände der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Brandenburg schließen sich in ihrer Antwort der Pressemitteilung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) an. Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA, teilte dazu am Freitag mit:
Sie geht in ihrem Statement auch auf die aktuellen Pilotprojekte in einigen Bundesländern ein, bei denen einzelne Apotheken Grippeschutzimpfungen durchführen. Es gebe "derzeit bundesweit etwa 2600 Apothekerinnen und Apotheker, die eine Impfschulung absolviert haben, damit sie an regionalen Pilotprojekten zur Grippeschutzimpfung in Apotheken teilnehmen können", heißt es dazu von der ABDA. Diese Kolleginnen und Kollegen, erklärt Overwiening, "wären am schnellsten einsatzfähig". Und weiter: "Bei allen anderen bräuchte es natürlich etwas Zeit zur Vorbereitung."
Der Apothekerverband Nordrhein hat dazu eine Umfrage durchgeführt und stößt unter den Apotheken, die bereits am Grippeschutz-Modellprojekt teilnehmen, auf "große Bereitschaft", auch Corona-Impfungen durchzuführen. "Gemäß einer aktuellen Befragung des Apothekerverbandes Nordrhein e.V. gibt es dafür im Berufsstand eine große Bereitschaft", heißt es in einer Erklärung des Verbands.
Der Landesapothekerverband Niedersachsen teilt diese Meinung nicht. Von den Modellprojekten könne man nicht auf die Möglichkeit von Corona-Booster-Impfungen in Apotheken schließen, erklärt eine Sprecherin des Verbands auf Anfrage von watson. Weiter heißt es:
Auch der Apothekenverband Rheinland-Pfalz zeigt sich skeptisch über eine mögliche Übertragung von Modellprojekten zur Grippeimpfung auf Corona-Booster. In einem Statement gegenüber watson heißt es über ein entsprechendes Projekt vor Ort:
Allerdings schließt der Verband nicht aus, künftig auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie durch Impfen zu helfen, vorausgesetzt der rechtliche Rahmen werde von der Politik geschaffen.
Doch welche Möglichkeiten bestehen über die Apotheken hinaus? CSU-Politiker Klaus Holetschek brachte in seiner Erklärung am Montag bereits die Zahnarztpraxen ins Spiel: "Wir waren uns einig, dass die Apothekerinnen und Apotheker sowie die Zahnärztinnen und Zahnärzte einen großen Anteil leisten können, um möglichst schnell und niedrigschwellig viele Menschen zu impfen."
Einige andere Länder gehen bereits darüber hinaus und lassen auch Mitarbeitende von Einzelhandelsunternehmen Impfungen vornehmen. In Deutschland sei dies nicht durchführbar, erklärt Stefan Hertel, ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE), auf Anfrage von watson. "Impfungen durch Handelspersonal sind nicht möglich." Dies liege zum einen an der fehlenden "entsprechenden Ausbildung und Qualifikation" und zum anderen daran, dass Mitarbeitende des Handels "mit ihrer Tätigkeit im Verkauf oder in anderen Bereichen des Einzelhandels bereits einen tagesfüllenden Job" ausüben.