WG-Zimmer, Busfahrten und Nudeln: Selbst wer auf sparsamem Niveau lebt, den kostet ein Studium noch jede Menge Geld. Da kommt man früher oder später schon mal auf die Idee, einen Kredit aufzunehmen.
Eine Entscheidung, die sich für zahlreiche Studierende derzeit bitter rächt – denn der KfW-Studienkredit, der meistgenutzte in Deutschland, entwickelt sich gerade zur Schuldenfalle.
Der Grund? Der Zinssatz der KfW-Studienkredite ist innerhalb von zwei Jahren von 0 auf bis zu 9,01 Prozent gestiegen. Was für Finanzlaien abstrakt klingt, ist eine Katastrophe für Studierende mit kleinem finanziellen Spielraum.
Das bedeutet, dass der oder die Einzelne selbst bei geringer Auszahlung über hundert Euro an Zinsen im Monat zu zahlen hat. Der Schuldenberg wächst also, obwohl nur wenig Geld auf dem Konto landet.
Betroffen von diesem Problem sind Hunderttausende in Deutschland, wie eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion an die Bundesregierung Ende Juli ergab. Demnach zahlten rund 102.000 Personen fünf bis sieben Prozent Zinsen auf ihren Kredit, etwa 67.000 Personen sogar darüber hinaus.
Inzwischen wird die Lage noch dramatischer aussehen, denn der Zinssatz wurde zum 1. Oktober weiter erhöht. Die Erklärung der KfW dazu? "Der europäische Referenzzinssatz Euribor ist gestiegen. Dadurch wird auch Ihr KfW-Studienkredit teurer."
Das Absurde: Der Zinssatz der KfW-Studienkredite ist damit jetzt sogar höher als der anderer KfW-Kredite. Als Grund gibt das Institut an, dass sie Ausfallrisiken decken müssten – schließlich erhielte man einen KfW-Studienkredit ohne große Hürden. Es werden bei Vertragsabschluss weder Vermögen der Eltern noch andere Sicherheiten verlangt.
Gerade deshalb waren die KfW-Studienkredite bei einkommensschwachen Studierenden so beliebt. Nun sind es aber genau diese Personen, die enorme Zinssätze stemmen müssen.
Abzusehen war das nicht. Im Gegenteil: Im Rahmen der Corona-Pandemie wollte die Bundesregierung es Studierenden erleichtern, günstige Kredite aufzunehmen, da viele ihre Studentenjobs verloren hatten. Die Zinsen wurden während der Auszahlungsphase auf 0-Prozent gesenkt, damit warb auch die KfW.
Ein attraktives Angebot für Studierende mit finanziellem Engpass. Zum Beispiel Susan. Die 29-Jährige studiert bereits zum zweiten Mal und musste Zusatzgebühren zahlen. Derzeit ist sie am Ende ihres Politikwissenschafts-Studiums (BA). Im Gespräch mit watson berichtet sie:
Was es bedeuten würde, dass der Zinssatz der KfW als "variabel" gilt, bemerkte Susan erst, als sie ihren Auszahlungsbetrag herunterschrauben wollte – auf monatlich 200 Euro.
Beim Blick aufs Konto traf sie der Schock: "Ich erhielt nur etwa 70 Euro. Als ich wissen wollte, warum, wurde mir erklärt, dass von den 200 Euro schon in der Karenzphase direkt die Zinsen abgezogen werden, die sich auf 123 Euro beliefen."
Damit zahlt Susan mehr Zinsen im Monat als sie Geld ausgezahlt bekommt. Um weniger Zinsen zahlen zu müssen, müsste sie ihre bereits gesammelten Schulden abtragen. Doch womit?
Solange sie nur 70 Euro im Monat erhält, wird das nicht gelingen, sagt sie. Doch gelingt es ihr nicht, steigen ihre Schulden unaufhaltsam weiter – und damit auch die Zinsmenge, die sie zu zahlen hat. Ein Teufelskreis. Susan fasst zusammen:
Susan ärgert sich über sich selbst, sagt sie. Sie hätte sich "100.000-mal" besser informieren müssen, welche Bedingungen an den Kredit geknüpft waren. Zwar habe die Studentin Angebote verglichen, der KfW aber den Vorrang gegeben, weil das "der Größte und Bekannteste unter den Studienkrediten war."
"Ich bin da sicher viel zu blauäugig rangegangen", sagt sie heute, "aber viele andere auch. Studienkredite werden oft so dargestellt, als seien sie eine günstige Alternative für Studierende, die kein Bafög erhalten." Von der Website des Bildungsministeriums wird sogar direkt auf die Förderbank und die Kredite der KfW verlinkt. "Ich dachte, es sei die safe choice", sagt Susan ernüchtert.
Susan ist kein Einzelfall. Betroffen sind so viele, dass eine Petition der Finanzwende e.V. ins Leben gerufen wurde, die Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) dazu auffordert, gegen die Verschuldung einzugreifen. In der Petition, die inzwischen bereits 11.650-mal unterzeichnet wurde, heißt es:
Bislang scheint der politische Weg jedoch nicht erfolgreich. Im Oktober hatte es Gespräche zwischen dem Bildungsministerium und dem KfW gegeben – ohne Ergebnis.
Die KfW habe es "abgelehnt", die Zinsen auf Bitten zu senken, wie es 2008 schon einmal geschehen sei, gibt das Bildungsministerium an. Nach Eigenangaben mache die Förderbank keinen Gewinn mit der Erhöhung, sondern würde nur "kostendeckend arbeiten". Die Schulden der Studierenden mit Steuergeldern zu begleichen, sei ausgeschlossen. Das ließe "die Haushaltslage" nicht zu.
Den Betroffen bleibt nur zu hoffen, dass der Zinssatz wieder sinkt. Susan beschäftigt sich heute ausgiebiger mit Fragen der Finanz. "Zum Beispiel können Studierende eine Steuererklärung machen und ihre Zinsen absetzen", rät sie.
Des Weiteren habe sie "fast noch Glück". Sie hat bereits einen Uni-Abschluss im Wirtschaftsingenieurwesen, einem Berufsfeld mit hohen Gehältern. "Ich erwische mich dabei, wie ich nach gut bezahlten Jobs in Unternehmensberatungen schaue", sagt sie.
Doch eigentlich graut es ihr davor, aus der finanziellen Not heraus in eine Branche zu gehen, die sie verlassen wollte. Susan führt aus:
Sie rechnet damit, in fünf bis zehn Jahren schuldenfrei zu sein, weil es bei ihr nur um ein paar tausend Euro in der Gesamtsumme gehen wird. Andere haben Kredite von 30.000 Euro, sagt sie. Eine Summe, bei der Susan heute schwindelig wird. Sie sagt: "Bei einem Zinssatz von neun Prozent müssten diese Leute utopisch hohe Zinsen zahlen, oder? Keine Ahnung, wie das gehen soll. Das ist krank."