In der Bund-Länder-Runde am Freitag sind die Quarantänemaßnahmen für Corona-Infizierte und Kontaktpersonen geändert und verkürzt worden. Voraussichtlich ab 15. Januar sollen demnach bundesweit einheitlich folgende Regeln gelten:
Alle bislang in der EU zugelassenen Impfstoffe bleiben auch weiterhin anerkannt. Eine einmalige Impfung mit dem Vakzin von Johnson & Johnson soll jedoch nicht mehr als vollständige Impfung gelten, sondern nur als einmalig geimpft gezählt werden.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt für Corona-Infizierte bisher eine Isolationszeit von 14 Tagen plus abschließender Testung. Bei Symptomfreiheit und vollständiger Impfung sind fünf Tage ausreichend, zum Abschluss muss ein negativer PCR-Test vorliegen. Behördliche Einzelfall-Anordnungen sind hier ausgenommen. Für Kontaktpersonen wird eine zehntägige Quarantäne empfohlen, die durch einen PCR-Test auf fünf Tage und durch einen Antigen-Schnelltest auf sieben Tage verkürzt werden kann. Vollständig Geimpfte und Genesene sind von der Quarantäne befreit.
Bei einer nachgewiesenen Infektion mit der Omikron-Variante wird für Infizierte und Kontaktpersonen unabhängig vom Impfstatus generell eine zweiwöchige Isolations- oder Quarantänedauer ohne die Möglichkeit der Freitestung empfohlen. Allerdings ist die vorliegende Virusvariante in den meisten Fällen überhaupt nicht bekannt. Maßgeblich für die Quarantänebestimmungen sind bisher allerdings nicht die RKI-Empfehlungen, sondern die Verordnungen der Bundesländer, die sich teils erheblich voneinander unterscheiden.
Der Epidemiologe Prof. Timo Ulrichs von der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin, mahnt im Gespräch mit watson zur Vorsicht und plädiert dafür, neue wissenschaftliche Erkenntnisse abzuwarten: "Zunächst, also in diesen Tagen des Anrollens der Omikron-Welle, sollte die Quarantäne-Zeit nicht verändert werden, um auf der sicheren Seite zu bleiben und Infektionsketten wirklich zu unterbrechen. Denn wir haben keine genauen Daten, ob wirklich alles schneller abläuft und damit die Kontagiosität von Kontaktpersonen wirklich früher endet." Ulrichs unterscheidet zwischen der aktuellen Situation und einer zukünftigen, inmitten der Omikron-Welle.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßt eine bundeseinheitliche Regelung. Für den Vorstandsvorsitzenden der DKG, Gerald Gaß, ist die fünfte Welle durch die Omikron-Variante bereits ganz klar in der deutschen Bevölkerung angekommen: "Wie sollte es anders sein, wenn Frankreich und Dänemark beispielsweise als direkte Nachbarländer die Omikron Welle schon massiv erleben? Dort, wo die Inzidenzen in den letzten Tagen besonders gestiegen sind, zum Beispiel in Bremen oder Schleswig-Holstein, erkennen wir auch wieder steigende Krankenhaus-einweisungen."
Gaß hält die in der Beratungsvorlage genannten Maßnahmen für maßvoll und richtig, erwähnt jedoch gegenüber watson auch die Schwierigkeit, in der aktuellen Situation die richtigen Prioritäten hinsichtlich der Aufgabe, die Versorgungssicherheit in den Krankenhäusern zu gewährleisten. "Wir müssen uns also auf das vorbereiten, was kommt. Wir fordern, wegen der angespannten Lage in den Krankenhäusern, dass die Bürokratie zurückgefahren wird. Wir brauchen einen Bürokratie-Lockdown. Nur noch notwendige Dokumentationen in der medizinischen Pflege sollten im ersten Halbjahr durchgeführt werden, damit mehr Zeit für die medizinische Versorgung bleibt."
Gaß richtet daher einen Appell an die Länder, nicht nur Maßnahmen für die Bevölkerung zu erlassen, sondern auch den Krankenhäusern in der Organisation unter die Arme zu greifen: "Die Länder müssen zusätzliches Hilfspersonal für die Krankenhäuser akquirieren und koordinieren. Nicht jedes einzelne Krankenhaus sollte und kann dies selbst durchführen, sondern jedes Bundesland eine zentrale Koordinierungsstelle einrichten." So könne erreicht werden, dass Hilfe wirklich dort ankommt, wo sie gebraucht wird. "Krankenhäuser, die bereits überlastet sind, schaffen es dann nicht, sich auch noch um Hilfspersonal zu kümmern. Gleichzeitig muss es aber auch dringend Ziel sein, dass die Infektionszahlen nicht ins Unermessliche steigen."
Auch die erste Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna, sieht vor allem für die Kliniken Herausforderungen im Umgang mit der fünften Welle der Pandemie.
Sie rechnet schon bald mit einem Ansturm von Omikron-Patienten auf die Notaufnahmen und Normalstationen. "Sie müssen isoliert werden, brauchen zum Teil Sauerstoff und das Personal muss Schutzkleidung anziehen. Es entsteht ein erheblicher zusätzlicher logistischer Aufwand."
Angesichts der erkennbar schnellen Ausbreitung von Omikron sind neue Höchststände bei der Zahl der Infizierten pro Tag sehr wahrscheinlich – und damit auch eine Vervielfachung der Kontaktpersonen bei den bestätigten Infektionen. Der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß, erklärt auf Nachfrage von watson:
Auch Susanne Johna begrüßt die angepassten Quarantäne- und Isolationsregeln für das Klinikpersonal. Dass eine Verkürzung an einen negativen PCR-Test gebunden ist, könnte ihrer Ansicht nach aber auch zu Kapazitätsproblemen führen. "Man muss aber dabei berücksichtigen, dass ein PCR-Testergebnis aus dem Labor derzeit selbst in Kliniken oft erst nach etwa 48 Stunden vorliegt. Wenn Sie Klinikpersonal nach fünf Tagen testen, kann es also erst nach sieben Tagen aus der Isolation entlassen werden und zurück zur Arbeit."
Da die Omikron-Variante auch zu mehr Infektionen bei Beschäftigten in den Laboren führen werde, sei damit zu rechnen, dass die Testkapazitäten in Deutschland bald nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen könnten. Dies sei bereits in anderen Ländern der Fall. Ginge es nach Johna, sollte im Krankenhaus ausschließlich mit PCR-Tests gearbeitet werden. Aber wenn das Ergebnis wegen überlasteter Labore erst nach vier Tagen vorliege, sei ein PCR-Test für den Klinikalltag nicht mehr sinnvoll. "Wir brauchen deshalb einen Plan B, um die Quarantäne- und Isolationsregeln zu verkürzen. Möglich wären zwei Antigentests in Folge, mit denen man sich freitesten kann", so die erste Vorsitzende des Marburger Bundes gegenüber watson. Denn die Versorgung der Patienten stehe an erster Stelle.
(mit Material der afp)