Leben
Liebe & Sex

Die Pille: Warum die Pillenpause unnötig ist

Bild
Bild: imago stock&people
Liebe & Sex

Warum die Pillenpause sinnlos ist – und Frauen sie trotzdem einhalten

24.01.2019, 07:2321.05.2019, 17:21
Mehr «Leben»

Keine Frau, die die Pille nimmt, bekommt ihre Periode. Vielleicht verwundert dieser Satz die eine oder andere. Schließlich weiß doch jeder, dass Frauen monatlich bluten, egal ob mit Pille oder ohne – nur manche nehmen die Pille pausenlos durch und unterbinden damit die Blutung komplett. Doch das, was viele als Periode bezeichnen ist auf der Pille nur eine Hormonentzugsblutung.

Und die ist eigentlich auch komplett sinnlos, wie die britische "Faculty of Sexual and Reproductive Healthcare" (FSRH) nun angemerkt hat.

"Es gibt keine gesundheitlichen Vorteile der 7-tägigen Pillenpause", heißt es in einer Pressemitteilung des größten Berufsverbandes für Sexualgesundheit in Großbritannien.

Unterschied: Hormonentzugsblutung vs. Periode
Die Pille kommt in der Regel in einer Packung, die 21 kleine Tabletten enthält und wird mit einer siebentägigen Einnahmepause alle drei Wochen verschrieben. In dieser Pause sinkt der Spiegel der Hormone Östrogen und Progesteron im Blut. Die Gebärmutterschleimhaut, die sich bis dahin aufgebaut hat, kann nicht mehr aufrecht erhalten werden und wird abgestoßen. Das führt zu einer Blutung, die auch Pseudomenstruation genannt wird. Warum es keine echte Menstruation ist? Weil ihr nicht der natürliche Zyklus vorausgegangen ist. Zwar wird ebenfalls Gebärmutterschleimhaut abgestoßen. Die ist aber anders beschaffen als die Schleimhaut, die sich im Verlauf des natürlichen Zyklus bildet.

Keine gesundheitlichen Vorteile, dafür aber Nachteile im Hinblick auf die Sicherheit. Denn die Pause erhöhe die Gefahr, dass eine Einnahme vergessen wird, schreibt der Verband weiter, der regelmäßig Richtlinien für den Praxisalltag von Ärzten und medizinischem Fachpersonal herausgibt. Das sieht im Übrigen auch der Berufsverband der Frauenärzte in Deutschland so. Auf deren Website "Frauenärzte im Netz" heißt es:

"Durch die pausenlose Pillen-Anwendung wird die Sicherheit erhöht. ... Auch Nebenwirkungen treten nicht häufiger auf als bei der konservativen Anwendungsform. Gegebenenfalls kann das Risiko für Zwischenblutungen zu Beginn des Langzyklus etwas höher sein. Aber der Körper gewöhnt sich in der Regel schnell an die neue Situation."
Kombi-Pille
Die Empfehlungen der FSRH beziehen sich auf die "Kombi-Pille", also ein Kombinationspräparat aus Östrogen und Gestagen. Auch die sogenannte "Mikropille" ist ein Kombinationspräparat.

Die Pillenpause ist also nicht medizinisch indiziert und weniger sicher als eine pausenlose Einnahme. Doch warum empfehlen sie dann so viele Ärztinnen und Ärzte? Die Antwort findet sich irgendwo in den 1950ern, als das Verhütungsmittel entwickelt wurde. Entscheidend beeinflusst hat dies der Mediziner und Pillenmitentwickler John Rock. Der Gynäkologe John Guillebaud sagte im "Telegraph" dazu:

"John Rock hat die Pause entwickelt, weil er gehofft hat, dass der Papst dann die Pille akzeptieren würde und sie so von Katholikinnen genommen werden könnte."

Rock war Katholik und bemühte sich, die von ihm mitentwickelte Methode der Empfängnisverhütung theologisch zu rechtfertigen, um sich so auch die Akzeptanz der Kirche zu sichern.

Wie der Journalist Malcolm Gladwell schon vor knapp zwanzig Jahren für den "New Yorker" recherchiert hat, hatte Rock auch versucht, dies mit dem Design der Pille zu erreichen. Denn der 21-Tage-Zyklus, der mit der Pille simuliert wird, ähnelt eben einer Methode der "natürlichen" Empfängnisverhütung, der "rhythm method", die die Kirche akzeptierte. Dieser "natürliche" Anschein, den die Pillenpause vorgab, sollte die Theologen überzeugen.

Hat allerdings nicht geklappt. Laut der päpstlichen Enzyklika "Humanae Vitae" von 1968 gibt es bis heute nur eine gültige Einnahmeempfehlung der katholischen Kirche für die Antibabypille und die lautet: gar nicht nehmen.

Die Pillenpause als gescheiterter Überredungsversuch also. Und medizinisch überflüssig. Trotzdem kämen viele vermutlich nicht auf die Idee, die Fake-Periode zu hinterfragen. Einmal im Monat eine Blutung ist doch total normal. Warum also dran zweifeln?

Dabei lohnt es sich eigentlich immer, ein bisschen skeptisch zu sein, wenn es um weibliche Geschlechtsorgane und ihre pharmazeutische oder medizinische Versorgung geht. Auch wenn es nicht so sein sollte, fällt doch immer wieder auf, dass dabei nicht nur wissenschaftlich und sachlich kalkulierte Überlegungen eine Rolle spielen. Sondern auch eine ganze Schippe Moral und Ideen von "Natürlichkeit", die sich gesellschaftlich und kulturell entwickelt haben.

Was der Langzyklus bedeutet:
Langzyklus heißt, dass nach 21 Tagen Einnahme keine 7-tägige Pause folgt. Ohne Pause kommt es auch nicht zum Abfall der Hormonspiegel und somit nicht zu Blutungen. Üblicherweise werden eine 12-wöchige Einnahme und darauffolgend sieben einnahmefreie Tage angesetzt.

Und für manche Frauen kann der Langzyklus, also das "Durchnehmen" der Pille sogar eindeutige Vorteile haben:

"Der Langzyklus bietet sich in Absprache mit dem Frauenarzt für Frauen an, denen ein Hormonspiegelabfall während der Pause zwischen den Einnahmeintervallen regelmäßig große Beschwerden macht, beispielsweise, weil in dieser Zeit verstärkt Migräneattacken auftreten."

Und nicht nur das:

"Andere Beschwerden bzw. Erkrankungen, bei denen Frauenärzte den Langzyklus in Erwägung ziehen, sind: Endometriose, PCO-Syndrom, Myome, Eisenmangelanämie, wiederkehrende Eierstockzysten, therapieresistente Akne, andere blutungsbedingte Beschwerden wie Bauch-, Rücken- und Kopfschmerzen. Zusätzlich bietet sich der Langzyklus bei chronischen Krankheiten an, deren Ausprägung von hormonellen Zyklusschwankungen mitbestimmt wird, z. B. Multiple Sklerose, Diabetes mellitus Typ I, Asthma, Depressionen, Epilepsie sowie die Parkinson-Krankheit."

In anderen Worten: Nur weil die Pille mit ihrer gängigen Pillenpause einen Zyklus simuliert, ist an dieser Art und Weise der Verhütung noch lange nichts "natürlich".

Sprüche, die Frauen nicht mehr hören können:

1 / 9
Sprüche, die Frauen nicht mehr hören können
quelle: imago/montage: watson
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Traumjob zu vergeben: Firma sucht Tester für Luxus-Hotels

Mehr als 7,3 Millionen Arbeitnehmer:innen haben innerlich gekündigt. Es ist eine gewaltige Zahl, die eine Umfrage ergeben hat. Rund die Hälfte der Beschäftigten sieht sich demnach in einem Jahr nicht mehr beim selben Arbeitgeber. Viele sind gerade auf Jobsuche. Aber auch Beschäftigte, die mit ihrem Job eigentlich zufrieden sind, dürften schon einmal darüber nachgedacht haben, ob es nicht einen noch besseren Job für sie gibt.

Zur Story