Die Corona-Pandemie fordert Verzicht in so ziemlich allen Lebensbereichen. So gut wie alle Menschen sind von den Einschränkungen und Maßnahmen betroffen – auch junge Menschen, die es gewohnt sind zu feiern. Kanzlerin Merkel mahnte in einer Videobotschaft, Kontakte deutlich zu verringern – und auf nicht notwendige Reisen und Feiern zu verzichten.
Wie junge Menschen mit der Pandemie und ihrem Bedürfnis nach Party umgehen, war auch Thema im "heute journal" vom 18.10. im ZDF.
Es fehle parallel zur Schule momentan der Freizeitausgleich, erklären beispielsweise zwei 18-Jährige Freundinnen vor der Kamera. Auch andere der interviewten jungen Leute sehen das ähnlich, viele haben trotzdem Verständnis für die Maßnahmen. Tim zum Beispiel findet es nicht cool, wenn Leute in seinem Alter rücksichtslos feiern. Doch einigen geben offen zu, dass ihnen das Feiern sehr fehlt, darunter Ida. Ihre Aussage wurde anschließend zum Auslöser einer intensiven Twitter-Debatte über die Rolle von jungen Menschen und ihren Bedürfnissen in der Pandemie.
Die Aussage von Ida erzielte in den sozialen Medien viel Aufmerksamkeit. Ein Twitter-Nutzer verbreitete den Ausschnitt mit dem Kommentar: "Definiere First World Problems" und meinte damit wohl, dass es während einer Pandemie wichtigere Dinge und schwerwiegendere Probleme gibt, als nicht feiern zu können. Zunächst gab es für die Aussagen der jungen Frau viel Häme. Häme. Dann zeigten immer mehr Nutzer jedoch Verständnis für das Bedürfnis junger Menschen, tanzen gehen und ihre Freunde treffen zu wollen.
Mittlerweile hat der Nutzer, der das Video zuerst verbreitete, den entsprechenden Tweet gelöscht. Offenbar auch, weil er die Reaktionen auf den Tweet unterschätzt hatte.
Dies ist ein Statement aus dem gestrigen @heutejournal. Hierzu habe ich meine Meinung geäußert. Gerade in Krisenzeiten ist soziales Netz essentiell, ich sehe aber andere Prioritäten als Ida. Dass ungesunde Debattenkultur das hier so eskalieren lässt,habe ich unterschätzt.
— Fabio 🇩🇪🇫🇷🇪🇺 (@fabio_immerfroh) October 19, 2020
Viele Nutzer kritisierten, dass der jungen Frau mit dem Video die Legitimität ihrer Aussage, das Feiern zu vermissen, von oben herab abgesprochen wurde. Andere betonen dagegen, dass das Feiern ein Privileg sei, das nichts mit dem Bedürfnis nach sozialen Kontakten zu tun habe und deswegen in der Pandemie entbehrlich sei.
Das ist unfair. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte während des Studiums in meiner ersten Wohnung (18qm) gehockt und kaum noch soziale Kontakte gehabt...
— Nicole Diekmann (@nicolediekmann) October 19, 2020
Sie sagt ja nicht „Merkel muss weg“, sondern artikuliert ein Bedürfnis. Ein normales Bedürfnis von jungen Leuten. Und Sorgen. https://t.co/8v7Bg1broY
Wieso hier dauernd akzeptiert wird, dass der Verzicht darauf, mit hunderten Menschen in engen Räumen Parties zu feiern (first world problem vom Feinsten), gleichbedeutend mit dem Verzicht auf soziale Kontakte (großes Problem - gegenwärtig aber fiktiv) ist. Das ist doch Quatsch.
— Sven Strasen (@SvenStrasen) October 19, 2020
Ich vermisse #Partys und Festivals übrigens auch. Und dieses Gefühl ist völlig legitim und gleichzeitig trotzdem ein großes Privileg in dieser Zeit. Jedenfalls ist es kein Grund, eine junge Frau dermaßen anzugreifen.
— Lilly Blaudszun (@LillyBlaudszun) October 19, 2020
Was mir vor allem auffällt ist, dass eine bestimmte Personengruppe vehement diese Privilegien erhalten möchte.
— Ozan Oruc (@OzanCan069) October 19, 2020
Das sind "Almans" die die meiste Zeit ihres Lebens kaum Sorgen hatten wie sie mit dem mickrigen Gehalt den Monat überstehen und frei von Diskriminierungen Leben.
Jemand anderes ist vielleicht traurig, weil das wöchentliche Fußball-Training oder der Yoga-Kurs ausfallen. Wir Menschen haben Bedürfnisse und nicht jeder Mensch ist gleich. Es fehlt ihr, sie findet das alles kacke, sie darf das kacke finden.
— Sophia Maria (@SophiaMariaKa) October 19, 2020
Ja, das darf sie.
— Alexander Kalb (@drxaneale) October 19, 2020
Sie hätte sich allerdings einen riesigen Gefallen getan, hätte sie auf "Ich bin da drauf angewiesen" verzichtet.
So wird die ganze Nummer zur Farce und viele Leute finden, dass Ida einen Schuss hat. Sie dürfen finden, dass Ida einen Schuss hat.
Ja, das vom ZDF interviewte Mädchen mag in ihrer Wortwahl ("auf Feiern angewiesen sein") etwas ungeschickt gewesen sein. Da ziehen sich ja viele dran hoch. Aber: Wer war mit 18, 19, 20 so ein Medienprofi, dass einem das nicht hätte passieren können? V.a. bei spontanen O-Tönen?
— Claudia Taubenrauch (@neverevertown) October 19, 2020
(lau)