Man gibt ja ungern zu, dass man Hintergedanken hat.
Aber: Ich hatte Hintergedanken.
Ich war mit einer ehemaligen Kollegin, nennen wir sie Nathalie, zum Abendessen verabredet. Sie wusste nicht, dass ich bald eine Führungsposition ausschreiben würde, von der ich glaubte, dass sie wie gemacht für Nathalie sei. Ich wusste aus unserer gemeinsamen Zeit, dass sie alles mitbringt, um eine tolle Nachwuchsführungskraft zu werden. An diesem Abend wollte ich ihr von meinen Plänen erzählen.
Nathalie war eine tolle Mitarbeiterin, fachlich hervorragend, vor allem aber brachte sie alles mit, um auch eine tolle Chefin zu sein: Sie ist empathisch, strategisch clever, kommunikationsstark, teamorientiert. Sie bringt Leidenschaft für ihren Job mit und performt am besten, wenn es richtig stressig wird. Kurzum: Ich hätte ihr ohne zu zögern den Job angeboten.
Doch als ich Nathalie fragte, ob sie sich vorstellen könne, in naher Zukunft zur Führungskraft eines jungen Teams aufzusteigen, schaute sie mich entgeistert an: "Ich? Führungskraft?" Sie lachte. "Damit ich mich den ganzen Tag mit Leuten herumschlagen muss, die genauso viele Sonderwünsche haben wie ich? Auf gar keinen Fall."
So schnell können sich Hintergedanken in Luft auflösen.
Ich habe seither mit einigen anderen jungen Menschen darüber gesprochen, ob sie sich vorstellen könnten, (in Zukunft) als Chef:in zu arbeiten. Überraschend viele argumentieren wie Nathalie: Die Gen Z weiß, wie die Gen Z tickt. Und hat auch deshalb keine Lust, den sogenannten nächsten Schritt zu machen.
Natürlich ist das nicht das einzige Argument, das sie vorbringen: Als Führungskraft wird's mit der Work-Life-Balance noch schwieriger; man müsste womöglich mehr Aufgaben übernehmen, die nicht ganz so viel Spaß machen; sie scheuen das Risiko, am Ende überfordert zu sein; und sie sehen die Gefahr, dass die Probleme, die ihre Mitarbeitenden äußern, sie zu sehr belasten – und sie nach Feierabend nicht mehr abschalten können.
Zur Wahrheit gehört auch: Viele junge Menschen legen auf das, was der Generation ihrer Eltern wichtig(er) war, keinen gesteigerten Wert. Mehr Geld, mehr Macht, mehr Ansehen – das sind nicht die entscheidenden Leitlinien in ihrer Lebensplanung. (Und waren ehrlicherweise auch noch nie gute Beweggründe, um Führungskraft zu werden. Im Gegenteil.)
Nun ist es nicht so, dass die Gen Z überhaupt keine Lust mehr hat, Verantwortung zu übernehmen. Doch der prozentuale Anteil derer, die interessiert den Arm heben, ist erschreckend klein. Was früher, zumindest ist das meine Wahrnehmung, anders war. Vor zehn Jahren dachte noch jede:r Praktikant:in, dass er oder sie es besser kann als die Chef:innen. Und hätte den Job auch sofort angenommen. Heute schreibe ich eine Stelle als Redakteur:in aus und eine als Führungskraft – und bekomme einmal 38 Bewerbungen und einmal zwei.
Die Argumentation einiger junger Menschen teile ich nicht, weil ich (mit meinen 39 Jahren) anders ticke. Nachvollziehen kann ich sie, zumindest manchmal, dennoch. Der Job als Führungskraft ist anstrengend. Man muss ihn wirklich wollen. (Oder sollte die Finger davon lassen.)
Auf Sicht wird die mangelnde Lust an Führung für die Firmen zum Problem werden. Sie werden auch in Zukunft gute Führungskräfte benötigen und bräuchten eigentlich schon jetzt mehr Menschen aus der Gen Z in Verantwortung, um gemeinsam mit den jüngsten Führungskräften moderne, zeitgemäße Führungskulturen zu entwickeln, in denen die Bedürfnisse junger Mitarbeitenden auch wirklich verstanden werden.
Wir brauchen also Lösungen. In vielen Firmen müssen sich Führungskulturen und übertriebene Erwartungen verändern, um junge Menschen zu ermutigen, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Ich hatte bisher immer das Glück, in Redaktionen zu arbeiten, die schon einen Schritt weiter waren. Mein Ansatz ist daher ein anderer: Ich versuche, jungen Menschen, an die ich wirklich glaube, die Ängste zu nehmen, indem man über Vorurteile spricht, die sich in den Köpfen festgesetzt haben. Denn natürlich muss auch eine Führungskraft nicht jeden Tag 14 Stunden arbeiten. Und auch Chef:innen wissen nicht auf jedes Problem vom ersten Tag an eine Lösung, sondern dürfen dazulernen, machen Fehler und können in ihre neue Rolle hineinwachsen.
Vor allem aber kann man aufzeigen, wie viel Spaß es macht, in einem tollen Team Führungskraft zu sein. Weil man gestalten, inspirieren und leiten kann. Und Dinge anders machen kann als jene Chef:innen, über die man gerne heimlich lästert.
Mein Rat an junge Menschen, die Interesse haben, aber noch zögern, ist immer: Probiert es aus! Es ist auch keine Schande, in ein, zwei Jahren festzustellen, dass eine Führungsaufgabe nicht das Richtige für dich ist. Aber du weißt nicht, was du womöglich verpasst, wenn du es nicht zumindest einmal ausprobierst. Und uns allen tut es gut, mehr und mehr Menschen aus der Gen Z auch in Führungspositionen zu erleben.