Dass Führungspositionen meist von Männern besetzt sind, ist kein Geheimnis. Frauen sind in diesen Rollen auch heute noch unterrepräsentiert. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Einerseits werden Männer im Berufsleben häufig bevorzugt – Arbeitgeber:innen umgehen so das Problem, dass eine weibliche Angestellte durch eine Schwangerschaft monatelang ausfallen könnte.
Andererseits übernehmen Frauen aufgrund traditioneller Rollenbilder immer noch den Großteil der Care-Arbeit in der Familie – also den Haushalt, die Erziehung der Kinder und die Pflege von Angehörigen. All das kostet Zeit und kann hinderlich sein, um im Job aufzusteigen.
Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes war 2022 nur jede dritte Führungsposition von einer Frau besetzt (28,9 Prozent). Heißt: Mehr als 70 Prozent aller Führungskräfte waren Männer. Wer denkt, es habe sich bereits viel getan, irrt. Seit 2012 ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen kaum gestiegen – lediglich um 0,3 Prozentpunkte.
Zu den Führungspositionen zählt das Statistische Bundesamt Vorstände und Geschäftsführer:innen sowie Führungskräfte in Handel, Produktion und Dienstleistungen.
Dass Frauen seltener Führungspositionen innehaben, scheint übrigens nicht mit ihrer Bildung und einem Mangel an Qualifikationen zusammenzuhängen: Heute gibt es deutlich mehr Frauen in akademischen Berufen, wie beispielsweise Ärzt:innen, Jurist:innen, Lehrkräfte oder Sozialwissenschaftler:innen, als noch in den 1990er Jahren. Hier lag der Frauenanteil 2022 bei 49,5 Prozent, also gut der Hälfte.
Die Konsequenz aus der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen sind nicht unerheblich: Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer, weil sie häufiger die besser bezahlten Jobs bekommen.
Der geschlechtsspezifische Gesamtverdienstunterschied (Gender Pay Gap) betrug im Jahr 2022 rund 39 Prozent, wie das Statistische Bundesamt bekannt gab.
Es gibt zahlreiche Ideen, um die Chancen von Frauen auf Führungspositionen zu fördern. Seit Jahren wird bereits über eine Frauenquote diskutiert – Unternehmen müssten demnach einen prozentualen Anteil weiblicher Angestellter in Führungsrollen erfüllen.
In einigen Unternehmen ist das bereits gesetzliche Pflicht. So muss sich der Aufsichtsrat börsennotierter Unternehmen zu jeweils mindestens 30 Prozent aus Frauen und Männern zusammensetzen. Dasselbe gilt für Unternehmen, an denen der Bund mehrheitlich beteiligt ist. In Vorständen von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen, die mehr als drei Mitglieder haben, muss mindestens ein Mitglied eine Frau sein.
Aber wie stehen die Menschen in Deutschland dazu? Empfinden sie die Frauenquote als sinnvolle Maßnahme, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen? Um das herauszufinden, hat das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag von watson 3000 Bürger:innen dazu befragt. Das Ergebnis könnte eindeutiger kaum sein.
Ein Großteil der Befragten spricht sich für flexible Arbeitszeitmodelle aus, wie die Civey-Umfrage verdeutlicht: Insgesamt 28 Prozent sehen das als sinnvollste Maßnahme an, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen.
Deutlich wird außerdem, dass vor allem Frauen mehr Flexibilität befürworteten. Knapp ein Drittel aller weiblichen Befragten stimmte dafür. Unter den Männern finden 23,3 Prozent flexible Arbeitszeitmodelle besonders vielversprechend.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gibt es mehrere Wege, flexible Arbeitszeiten umzusetzen: Gleitzeit, Teilzeit und Homeoffice sind wohl die gängigsten. Sie ermöglichen Frauen eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie.
Auch die Frauenquote trifft unter den weiblichen Befragten auf mehr Zustimmung als unter den Männern. Trotzdem findet nur etwa jede elfte Frau (11,2 Prozent) die Quote sinnvoll. Bei den Männern sind es nur gut 7,7 Prozent.
Nach dem Spitzenreiter der "flexiblen Arbeitszeitmodelle" findet vor allem die Maßnahme, die sich für "mehr Kinderbetreuungsplätze" ausspricht, großen Anklang unter den Befragten. Kein Wunder: Laut Berechnungen der Bertelsmann Stiftung fehlten 2023 in Deutschland etwa 430.000 Kita-Plätze. Das (versteckte) Problem dahinter: Wenn ein Kind nicht in der Kita betreut wird, muss die Familie die Betreuung übernehmen – und das sind dann meist die Mütter.
Dementsprechend wenig überraschend ist auch, dass 24,3 Prozent – also fast ein Viertel aller Befragten – glaubt, dass eine steigende Kinderbetreuungsquote hilfreich für die Karrierechancen von Frauen in der Arbeitswelt wären. Bei den Frauen sind es mit 26,3 Prozent mehr als bei den Männern mit einem Anteil von 22,1 Prozent.
Was auffällt: Deutlich mehr Männer als Frauen sehen offenbar eine mangelnde Motivation für technische Berufe bei Frauen als Grund dafür, dass Frauen weniger häufig Führungspositionen innehaben. Gut 18,1 Prozent der männlichen Befragten denken, dass die Motivation hier gesteigert werden sollte. Bei den Frauen sind es nur 10,8 Prozent.
Fakt ist: In den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) dominieren immer noch Männer. Laut Statista lag der Frauenanteil in entsprechenden Studiengängen im Wintersemester 2022/2023 bei etwa 32 Prozent.
Ob das aber auf mangelnde Motivation zurückzuführen ist, ist fraglich. Expert:innen und Studentinnen sehen die Schuld eher in traditionellen Rollenbildern: Technische Berufe werden klischeehaft eher Männern zugeschrieben, weshalb Frauen sich diese Fertigkeiten oft nicht zutrauen. Zudem haben sie oft mit Vorurteilen zu kämpfen und es deshalb im Berufsleben schwerer.
Insgesamt zeigt die Civey-Umfrage, dass besonders Frauen auf Maßnahmen setzen würden, die mehr Flexibilität zulassen und in Verbindung zu erleichterter Care-Arbeit stehen. Männer hingegen setzen auf Motivationsmaßnahmen.
Fast jeder dritte Mann (28,8 Prozent) ist der Meinung, es brauche andere Maßnahmen, die aber nicht näher benannt werden. Oder aber die männlichen Befragten können nicht genau sagen, wie der Anteil von Frauen in Führungspositionen am besten erhöht werden könnte.
Civey hat für Watson vom 7. Dezember 2023 bis 6. März 2024 online rund 3000 Bundesbürger:innen ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen repräsentativ unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers von 2,7 Prozentpunkten (Gesamtergebnis).