Wir treffen die beiden am Tag ihrer Modenschauen im Rahmen der Berliner Fashion Week. Beide halten sich bereits viele Jahre erfolgreich im deutschen Moderaum, sind mittlerweile führende Stimmen des Modedesigns. Zwischen Ankleide, Backstage-Gesprächen und letzten Handgriffen vor der Show bleibt dennoch Zeit für ein Gespräch über das, was beide gerade beschäftigt. Wir fragen uns natürlich: Was ist ihre Meinung über den Nachwuchs – und dessen Stil.
Kilian Kerner findet schnell klare Worte: Er empfinde die Kleidung der Gen Z als "sehr eintönig. Das ist alles so ein Insta-Style – sie sehen doch alle recht ähnlich aus", erklärt er gegenüber watson.
Seine Kritik geht dabei über das bloße Styling hinaus: "Wenn man diese Vielfalt nach außen lebt, wünsche ich mir, dass man sich mehr selbst findet – und nicht den Stil anderer kopiert." Er selbst sei modisch einen ganz eigenen Weg gegangen – zumindest fast: "Ich habe niemanden nachgeahmt. Außer vielleicht Nena", erklärt Kerner. "1994 kam ein neues Album raus – da hatte sie raspelkurze, nach vorne gegelte Haare und trug Latzhosen. Nach den Sommerferien bin ich dann natürlich genau so zur Schule gegangen."
Auch Marcel Ostertag, der mit seinem Label im kommenden Jahr 20-jähriges Jubiläum feiert, teilt diese Beobachtungen: "Was ich sehe, ist viel Eins-zu-eins-Kopie der 90er – also der Zeit, in der ich jung war." Dieses "Abkupfern", urteilt Ostertag gegenüber watson, sei "natürlich uninspirierend".
Doch es bleibt nicht bei Stilfragen. Auch beim Thema Diversität in der Mode zeigen sich beide Designer reflektiert – und kritisch. "Diversität ist für mich mehr als das, was heute oft nach außen getragen wird", betont Kilian Kerner und ergänzt:
Er empfinde die "aktuelle Tendenz zur Klassifizierung" als "schade – auch, dass Sexualität so stark in den Vordergrund rückt." Das sei für ihn etwas sehr Intimes, das "Außenstehende nichts angeht."
Auch Marcel Ostertag sieht eine gewisse Doppelmoral. "Die junge Generation spricht viel von Diversität und Vielfalt – aber diese Vielfalt findet oft nur in ihrer eigenen Nische statt. Und das grenzt andere wiederum aus."
Er illustriert seine Kritik mit einem Beispiel aus der Berliner Modeszene:
Seine Einschätzung: "Ich empfinde die junge Generation als etwas arrogant" – er wünsche sich stattdessen mehr Offenheit.
Eine Forderung, die auch Kilian Kerner teilt: "Ich hab das Gefühl, man kann gar nicht mehr vernünftig in den Austausch gehen, wenn man anderer Meinung ist." Ein Beispiel sei das Gendern. Er selbst verwende keine Gendersprache – was aber nicht bedeute, dass er Menschen ausschließe: "Ich bin weder homophob noch transphob, noch hab ich etwas gegen non-binäre Menschen. Ich möchte nur einfach nicht gendern. Diese Art der Sprache missfällt mir."
In der Debatte hat er eine klare Forderung: "Man verlangt Respekt und Toleranz, aber es kommt nicht viel Toleranz vom Gegenüber."
Trotz ihrer Kritik an Oberflächlichkeiten in der Szene zählen beide Designer zu den prominenten Unterstützern von "Germany’s Next Topmodel" – einem Format, das vor allem von jungen Menschen für mangelnde Diversität oder toxische Strukturen kritisiert wird.
Doch beide verteidigen die Show. "Was wird denn gerade nicht kritisiert?", fragt Kilian Kerner mit einem Schulterzucken. Er sieht durchaus positive Effekte: "Drei Wochen vor der Fashion Week lief die letzte Staffel – und auf der Fashion Week liefen plötzlich überall Best Ager."
Ein konkretes Beispiel in dieser Saison nennt er auch: "Jannik aus der aktuellen Staffel ist ein Petit Model. Er wird es wahnsinnig schwer haben in der Modebranche, aber er läuft allein am heutigen Tag zwei Shows – das ist doch ein Zeichen."
Auch Marcel Ostertag lobt das Format – vor allem aus professioneller Sicht: "Das Format bringt in sehr kurzer Zeit hochprofessionelle Models auf den Markt. Die sind gut geübt, engagiert, zielstrebig – sie haben richtig Lust auf den Job."
Heidi Klums Rolle hebt er dabei ausdrücklich hervor: "Heidi war eine der ersten, die Diversität in einem großen Format umgesetzt hat – da ist wirklich von allem etwas dabei."