Geld ist bei Studierenden ein leidiges Thema – stets begleitet von Diskussionen über ausbleibende Unterstützungen des Staates. Zwar gibt es die Förderung durch Bafög. Doch die Berechtigtenzahlen sinken seit Jahren und die Höhe der Unterstützung steigt nicht gleichmäßig zu den Lebenshaltungskosten – vor allem den Mieten.
Studierende und Expert:innen kritisieren speziell seit einigen Jahren, dass die Höhe des Bafög-Grundbedarfs – das ist so etwas wie das Existenzminimum – unter dem Bürgergeld- und vorher Hartz-4-Minimum liegt. Zudem richtet sich der Mietzuschuss nach einem Bundesdurchschnitt der Mietpreise, der für klassische Unistädte wie etwa München, Göttingen, Heidelberg, Hamburg, Berlin oder Frankfurt bei weitem nicht ausreicht.
Nun hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die Höhe der Bafög-Förderung für Studierende im Jahr 2021 verfassungswidrig niedrig war. Auch wenn die Sache erstmal beim Verfassungsgericht liegt, können Bafög-Beziehende auf eine höhere Förderung hoffen.
Doch wie kam es überhaupt zu dem Urteil? Eine Studentin, die ab 2016 an der Berliner Charité Medizin studierte, hatte geklagt: Aus ihrer Sicht waren die Bedarfssätze für Studierende von Oktober 2021 bis September 2022 "in verfassungswidriger Weise" zu niedrig bemessen.
Das Berliner Verwaltungsgericht sah das offenbar ähnlich. Die Höhe des Grundbedarfs im Jahr 2021 von 427 Euro sei zu niedrig gewesen, weil sie unter dem damaligen Hartz-IV-Regelsatz von 446 Euro lag, teilte das Gericht mit. Auch die Höhe der Wohnpauschale – neben dem Grundbedarf die zweite große Finanzierungssäule im Bafög – von 325 Euro sei zu niedrig gewesen.
Für die Bemessung des Unterkunftsbedarfs dürfe zudem nicht der Gesamtdurchschnitt der Unterkunftskosten in ganz Deutschland herangezogen werden, hieß es vom Verwaltungsgericht. Stattdessen müsse die Durchschnittsmiete am konkreten Studienort oder an vergleichbaren Orten als Maßstab gelten.
Heißt konkret: Wer in München oder Berlin wohnt, soll mehr Geld bekommen als diejenigen, die in günstigeren Städten studieren. Schließlich hätten sich 2021 die Kosten in den verschiedenen Hochschulorten deutlich unterschieden. So lagen sie etwa in München bei 595 und im sächsischen Freiberg bei 266 Euro durchschnittlich.
Das Berliner Verwaltungsgericht setzte das Verfahren nun aus und legte es dem Bundesverfassungsgericht vor. Als Fachgericht sei es nicht befugt, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes festzustellen, hieß es.
Doch was bedeutet das nun? Können sich Betroffene auf Bafög-Nachzahlungen für 2021 freuen? Und gibt es bald vielleicht eine erneute Erhöhung der Bafög-Sätze? Dazu hat watson mit Rechtsanwalt Christian Solmecke gesprochen.
Der Anwalt, der auch zu Bafög-Themen berät, stimmt den Argumenten des Verwaltungsgerichts zu. Zum Vergleich des Bafög-Grundbedarfs und des Hartz-IV- beziehungsweise Bürgergeld-Regelbedarfs sagt er:
Zudem wisse jeder, wie teuer die Mieten in Hamburg, Berlin oder München seien. Er weist darauf hin, dass auch beim Bürgergeld die unterschiedlichen Wohnkosten berücksichtigt werden. "Warum also nicht bei Studierenden?"
Trotzdem beschwichtigt Solmecke: Die "nachvollziehbare Argumentation" des Verwaltungsgerichts Berlin sei "keine Garantie dafür, dass sich das Bundesverfassungsgericht dem anschließt". Doch wann ist mit einem Urteil zu rechnen? Das sei schwer zu sagen, denn für einen solchen Fall gebe es keine gesetzlichen Fristen.
Bereits 2018 habe das Bundesverwaltungsgericht die Frage im Falle der BAföG-Bedarfssätze für 2014 an das Bundesverfassungsgericht gegeben – "bis heute wurde diese Frage allerdings noch nicht beantwortet."
Dennoch macht Solmecke Studierenden Hoffnung: Er erwarte "tatsächlich eine langfristige Anhebung des Bafög-Grundbedarfs". Die Begründung des Verwaltungsgerichts Berlin sei nämlich "sehr plausibel".
Eine Entschädigung für den Zeitraum 2021 hält er derweil "unwahrscheinlich". Bafög-Bescheide seien "wirksam, wenn man innerhalb der Widerspruchs- bzw. Klagefrist von einem Monat nicht dagegen vorgegangen ist." Wegen dieser Regelung empfiehlt nach dem Urteil nun die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dass BAföG-Beziehende Widerspruch gegen ihren letzten Bewilligungsbescheid einlegen.
Für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht der Argumentation des Verwaltungsgerichts folgt und das Gesetz "in seiner jetzigen Fassung kippt" könnten so "Ansprüche auf Bafög-Nachzahlungen (...) gesichert werden".
(mit Material von dpa und afp)