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Altersarmut, Inflation, Wohnungsnot: Ist die Angst der Gen Z berechtigt?

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Wohlstand neu aufzubauen scheint immer schwieriger zu werden.Bild: pexels / Tim Gouw
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Altersarmut, Inflation, Wohnungsnot: Sind die Ängste der Gen Z berechtigt?

17.05.2024, 07:36
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Die fetten Zeiten sind vorbei, davon sind viele junge Menschen überzeugt. Die aktuelle "Jugendstudie 2024" zeigte gerade erst auf, dass es schrumpfender Wohlstand ist, der der Gen Z in Deutschland am meisten Angst macht. Berechtigterweise? Wie könnte man gegensteuern? Das fragten wir Christoph Butterwegge.

"Die fünf reichsten deutschen Unternehmerfamilien besitzen zusammen (...) mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung."
Christoph Butterwegge

Er forscht zu Armut und Sozialstaatsentwicklung, hat von 1998 bis 2016 als Professor für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt und kürzlich das Buch "Umverteilung des Reichtums" veröffentlicht.

watson: Wie ist Reichtum in Deutschland verteilt?

Christoph Butterwegge: Die großen Privatvermögen befinden sich in wenigen Händen: Die fünf reichsten deutschen Unternehmerfamilien (Albrecht/Heister, Böhringer, Kühne, Quandt/Klatten und Schwarz) besitzen zusammen etwa 250 Milliarden Euro und damit mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung, das heißt weit über 40 Millionen Menschen.

Ist das problematisch?

Ja, vor allem deshalb, weil rund 40 Prozent der Bevölkerung gar kein nennenswertes Vermögen haben. Über 30 Millionen Menschen leben von der Hand in den Mund, weil ihnen Rücklagen fehlen, die man in einer finanziellen Krisensituation braucht, und sind im Grunde nur eine Kündigung oder schwere Krankheit von der Armut entfernt.

Wie arm ist die Gen Z?

Obwohl in der Öffentlichkeit vor allem Kinderarmut thematisiert wird, sind Kleinkinder weniger von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen als junge Erwachsene. Das zeigt ein Vergleich der Armutsrisikoquoten dieser Altersgruppen: Während das Armutsrisiko der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren bei 21,8 Prozent liegt, beträgt es für 18- bis 24-Jährige sogar 25,2 Prozent, was keine Altersgruppe übertrifft.

Was ist das Hauptproblem der Gen Z?

Da es sich in erster Linie um Schüler:innen, Studierende und Auszubildende handelt, sind die niedrigen Bafög-Sätze und zu geringe Ausbildungsvergütungen ein Hauptgrund für die Armutsbetroffenheit oder -gefährdung. Viele junge Menschen haben einen eigenen Haushalt, was mit hohen Mieten, Energiekosten und Lebensmittelpreisen einhergeht.

Christoph Butterwegge bei einem exklusiven Photoshooting vor bei seinem Vortrag Wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland im Domforum. K
Politikwissenschaftler Christoph ButterweggeBild: imago / Christoph Hardt

Laut aktuellen Umfragen hat die Gen Z Angst vor Inflation, dem Wohnungsmarkt, sogar Altersarmut – ist dieser Pessimismus berechtigt?

Wenn sich die Kluft zwischen Arm und Reich wie in unserer Gesellschaft immer mehr vertieft, schwindet der soziale Zusammenhalt, aber auch der Zukunftsoptimismus junger Menschen. Als ich zu Beginn der 1970er-Jahre mein Studium begann, stand jungen Menschen die Welt offen. Es gab praktisch keine Arbeitslosigkeit, die Bundesbürger:innen waren stolz auf ihren großzügigen Sozialstaat.

Klingt idyllisch.

Es gab – soweit ich mich erinnere – keine Obdachlosen auf der Straße und bis zu Hartz IV war es noch ein Vierteljahrhundert. Damals hatte kein junger Mensch den geringsten Grund, sich materielle Sorgen zu machen oder Angst vor einer Wohnungskündigung zu haben, denn es gab ausreichend Sozialwohnungen und keine Immobilienkonzerne, die Mietwohnungen als Spekulationsobjekt betrachteten. Das haben erst spätere Gesetzesänderungen bewirkt, die unter der neoliberalen Standortlogik zustande kamen. Was politisch herbeigeführt worden ist, kann aber politisch auch wieder geändert werden.

"Um mehr für Rüstung ausgeben zu können, 'spart' die Bundesregierung primär beim Wohlfahrtsstaat"
Christoph Butterwegge

Wer müsste zum Wohle der Gen Z gegenhalten?

Aufgrund des Sozialstaatsgebots im Grundgesetz haben Parlament und Regierung die Pflicht, dafür zu sorgen, dass jede Generation so gute Arbeits- und Lebensbedingungen vorfindet wie ihre Vorgänger:innen. Dass junge Menschen den Einstieg ins Berufsleben schaffen, bezahlbare Wohnungen finden und keine Angst vor Armut im Alter haben müssen, sollte in einem so wohlhabenden Land wie unsrigem selbstverständlich sein. Dafür müssen die politisch Verantwortlichen sorgen, nicht jedoch dafür, dass die Reichen reicher und die Armen zahlreicher werden.

"Wer soll das alles bezahlen?" heißt es immer. Es sei nirgendwo mehr Geld vorhanden. Stimmt das?

Seit Jahrzehnten existiert der Sozialstaat in seiner bekannten Form, die wie bisher finanzierbar ist, es sei denn, dass andere Prioritäten gesetzt werden. Momentan scheint es, als ob der außen-, energie- und militärpolitischen Zeitenwende, die Olaf Scholz zu Beginn des Ukrainekrieges ausgerufen hat, jetzt eine sozialpolitische Zeitenwende folgt. Die seit fast anderthalb Jahren andauernden Koalitionsstreitigkeiten um die Kindergrundsicherung deute ich als Vorboten.

Wie meinen Sie das?

Um mehr für Rüstung ausgeben zu können, "spart" die Bundesregierung primär beim Wohlfahrtsstaat, in der Arbeitsmarktpolitik und im Bildungsbereich. Die Konsolidierung des Bundeshaushalts erfolgte zuletzt auf dem Rücken der Ärmsten, als SPD, Bündnisgrüne und FDP selbst bei den Transferleistungen Einschnitte vornahmen, den Bürgergeldbonus abschafften und einen Leistungsentzug für vermeintliche Totalverweigerer einführten, bei denen es sich hauptsächlich um psychisch und Suchtkranke handelt, die Briefe des Jobcenters nicht öffnen.

"Die soziale Scheidelinie verläuft (...) nicht zwischen Jung und Alt, sondern Arm und Reich."
Christoph Butterwegge

Ist die ungerechte Verteilung des Reichtums in Deutschland einem Generationskonflikt zuzuschreiben?

Zwar sind ältere Menschen in der Regel wohlhabender als junge, weil sie mehr Lebenszeit hatten, um Vermögen zu bilden, dies hat aber nichts mit mangelnder "Generationengerechtigkeit" zu tun. Die soziale Scheidelinie verläuft im Finanzmarktkapitalismus der Gegenwart nicht zwischen Jung und Alt, sondern Arm und Reich.

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Das heißt?

In jeder Generation gibt es Menschen, die großes Vermögen besitzen, und andere, die kaum über die Runden kommen. Einige Kinder bekommen schon in jungen Jahren von ihren Eltern Betriebsvermögen überschrieben oder erben ganze Konzerne, meistens, ohne dafür Steuern zahlen zu müssen; andere Kinder fahren nie mit ihrer Familie in Urlaub, weil das Geld fehlt. Und es gibt alte Frauen, die frühmorgens Zeitungen austragen oder Supermarktregale einräumen, weil sie von ihrer Minirente nicht leben können; andere Senioren machen Kreuzfahrten.

Nur mal angenommen, Reichtum in Deutschland würde über massive Steuern umverteilt – würden wir dann eine "Reichenflucht" ins Ausland erleben?

Das reden uns die Hyperreichen ein, wie ich sie nenne, weil es nicht "super" ist, ein Privatvermögen von mehreren Milliarden Euro zu beanspruchen und sie der Gesellschaft vorzuenthalten. Dieter Schwarz, als Eigentümer von Lidl und Kaufland mit einem Privatvermögen von 41,8 Milliarden Euro reichster Mann der Bundesrepublik, kann seine Läden ja schlecht unter den Arm klemmen und ins Ausland schleppen.

"Reiche sollten mehr Verantwortung für die Lösung der sozialen Probleme in ihrem Heimatland übernehmen."
Christoph Butterwegge

Wäre die "Umverteilung des Reichtums" eine Lösung?

Selbst wenn Hyperreiche zu "Wirtschaftsflüchtlingen" würden, könnte eine wirksame Exit-Steuer, wie es sie in den USA gibt, in den allermeisten Fällen verhindern, dass sie finanziell ungeschoren davonkämen. Reiche sollten mehr Verantwortung für die Lösung der sozialen Probleme in ihrem Heimatland übernehmen, der Staat muss sie über Besteuerung notfalls dazu zwingen.

Was würden Sie selbst Ihrem Kind raten, wenn es heute 20 Jahre alt wäre: Sparen? Viel Arbeiten? Auswandern?

Nichts dergleichen. Es soll einen Beruf ergreifen, der ihm gefällt und für die Gesellschaft nützlich oder "systemrelevant" ist, wie man heute sagt. Darüber hinaus würde ich raten, politisches Interesse zu entwickeln, sich für mehr soziale Gleichheit und Gerechtigkeit einzusetzen und Solidarität über Ellenbogenmentalität zu stellen. Es kommt darauf an, persönlich Verantwortung für eine demokratische und humane Gesellschaft zu übernehmen.

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