Die Situation kennen die meisten Menschen, die schon einmal eine Flugreise angetreten sind: Kaum ist die Maschine gelandet, klicken schon die ersten Sicherheitsgurte. Während das Flugzeug noch über die Piste rollt, stehen die ersten Menschen auf und krallen sich ihr Handgepäck.
Schnell ist der Gang vollgestopft, doch dann tut sich erst einmal nicht viel. Bevor das Flugzeug nämlich nicht am Ziel-Terminal zum Stehen gekommen ist, gehen auch nicht die Türen auf. Das ist allseits bekannt und trotzdem ignorieren manche Passagier:innen immer wieder die Hinweise des Kabinenpersonals, bitte bis zum Schluss angeschnallt sitzen zu bleiben.
Genau das will man in der Türkei nun nicht länger hinnehmen und rigoros gegen ungeduldige Fluggäste vorgehen. Anfang Mai hat die türkische Generaldirektion für Zivilluftfahrt dazu eine neue Verordnung erlassen.
Wie "Aerotelegraph" berichtet, ist darin zu lesen, dass jede:r Reisende, der sich zu früh abschnallt, als "vorschriftswidrig reisender Passagier" einzustufen ist. Demnach sei die Crew nun befugt, entsprechende Fälle der türkischen Behörde zu melden, die ein Bußgeld verhängt.
Die Höhe der Geldstrafe steht zwar noch nicht fest, allerdings könnten Medienberichten zufolge umgerechnet 60 Euro fällig werden. Die offiziellen Ansagen des Kabinenpersonals sollen jedenfalls schon angepasst worden sein.
Nun heißt es dem Bericht zufolge: "Es ist strengstens verboten, Gepäckfächer zu öffnen oder sich im Gang aufzuhalten, bevor das Flugzeug seine Parkposition erreicht hat und die Anschnallzeichen erloschen sind."
Gemäß der neuen Verordnung sollen Passagier:innen auch bestraft werden, wenn sie sich zum Ausgang drängeln, obwohl die Mitreisenden in den Reihen vor ihnen die Maschine noch nicht verlassen haben.
Turkish Airlines hat die entsprechenden Informationen bereits an seine Mitarbeiter:innen weitergeleitet, berichtet "Aerotelegraph" mit Verweis auf türkische Medien.
Doch die neue Verordnung betrifft nicht nur türkische Fluggesellschaften, sondern alle, die mit türkischer Luftfahrtlizenz fliegen, heißt es etwa bei "ftnnews". Die Lizenz benötigen Fluggesellschaften, wenn sie auf türkischem Boden starten und landen.
Angesichts dessen stellt sich unweigerlich die Frage, wie deutsche Airlines mit den neuen Regeln umgehen wollen.
Wer ungeduldige Fluggäste als "vorschriftswidrig reisend" melden will, müsste schließlich deren Identität feststellen und offiziell dokumentieren. Ein Mehraufwand für das teils ohnehin schon stark ausgelastete Kabinenpersonal.
Zumal es für die Crew schwierig werden dürfte, den Überblick zu behalten, wenn mehrere Passagier:innen die Vorschriften gleichzeitig missachten. Am Ende könnte es das Offboarding nur noch weiter verzögern.
Die Lufthansa gibt sich auf watson-Anfrage bedeckt, ob sie die Verordnung tatsächlich umsetzen will. "Die Verordnung möchten wir nicht kommentieren", erklärt ein Sprecher. Unabhängig davon seien alle Fluggäste seit jeher verpflichtet, sich erst nach Erreichen der Parkposition und dem Erlöschen der Anschnallzeichen abzuschnallen.
Eurowings, eine Tochtergesellschaft der Lufthansa, antwortet ebenfalls ausweichend: "Nach jeder Landung weisen wir unsere Fluggäste per Bordansage ausdrücklich darauf hin, dass sie verpflichtet sind, solange angeschnallt auf ihrem Sitz zu bleiben, bis das Flugzeug die endgültige Parkposition erreicht hat und die Anschnallzeichen erloschen sind."
Und auch Condor bleibt mit seiner Antwort vage. Immerhin erklärt eine Sprecherin, dass in Fällen, in denen sich Gäste den Anweisungen des Bordpersonals widersetzen, "nach sorgfältiger Prüfung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls im Einklang mit den gesetzlich geltenden Vorschriften der zuständigen Behörden" rechtliche Maßnahmen ergriffen werden.
Das lässt natürlich viel Spielraum für Interpretation und es bleibt offen, wie rigoros die deutsche Airline tatsächlich die neue Verordnung in der Türkei umsetzen werden.
Unabhängig davon argumentieren sowohl die drei deutschen Airlines als auch die türkische Zivilluftfahrtbehörde, dass es die Regeln nicht ohne Grund gibt. Während das Flugzeug noch rollt, kann es schließlich zu abrupten Wendungen oder Bremsungen kommen.
Dadurch fallen unter Umständen Gepäckstücke aus bereits geöffneten Gepäckfächern oder stehende Fluggäste verlieren die Balance und kommen zu Fall. Wer sich also nach der Landung in Geduld übt, kann am Ende nicht nur Verletzungen vermeiden, sondern womöglich auch einer Geldstrafe aus dem Weg gehen.