Es ist das uralte Motiv romantischer Dramen: die amouröse Dreiecks-Geschichte. Von zwei Seiten begehrt zu werden und sich dabei fürchterlich und wunderbar zugleich zu fühlen, das bringt schon Fans von "Vicky Christina Barcelona", "Twilight" und "The Summer I Turned Pretty" zum Mitfiebern.
In der Realität ist es dann oft gar nicht so toll, sich in einem Liebesdreieck wiederzufinden. Eifersucht und Heimlichkeiten führen zu verletzten Gefühlen. Das Spiel mit offenen Karten erfordert hingegen viel Mut. Und immer wieder taucht die Frage auf: Wen liebst du mehr? Kann man überhaupt zwei Menschen gleichzeitig lieben?
Wir haben darüber mit Mignon Kowollik gesprochen. Sie arbeitet als Sexual-Coach für Paare und Singles in Hamburg und ist Beraterin beim Portal "Ashley Madison".
Während sich, wie Kowollik berichtet, einige Personen wohl gar nicht vorstellen können, wie es gehen soll, "innige Gefühle für mehrere gleichzeitig zu hegen", geschweige denn diese "auch auszuleben", ist anderen dieser Zustand schon widerfahren. Das weiß sie aus ihrer Arbeit als Sexual-Coach.
Wenig überraschend sind 80 Prozent der Mitglieder von Ashley Madison (Datingportal explizit für Vergebene) überzeugt, dass man mehr als eine Person lieben kann. "66 Prozent davon haben dies tatsächlich auch schon erlebt", sagt Kowollik.
Ob man das Lieben mehrere Menschen nun moralisch vertretbar findet oder nicht, als Sexualcoach hat Mignon eine klare Meinung zu dem Thema:
Wir lieben schließlich auch Vater und Mutter. Schwestern und Brüder. Oder mehrere Menschen aus dem Freundeskreis. Jede:n auf andere Weise und für andere Eigenschaften, aber dennoch aufrichtig. Wieso sollte es bei romantischer Liebe anders sein?
Der Unterschied in romantischen Beziehungen liegt im weitverbreiteten Anspruch auf Monogamie. Auch wenn offene Beziehungen und polyamoröse Liebesmodelle im Kommen sind, hält die Mehrheit der Deutschen weiterhin an monogamen Konzepten fest. Und wer sich exklusive Zweisamkeit wünscht, für den ist eine Liebe außerhalb der Beziehung natürlich ein Problem.
Eines, das verhindert werden kann? Wohl kaum. Aber es sei entscheidend im Falle einer ausgewachsenen Fremdverliebtheit, "offene Kommunikation und Ehrlichkeit zu pflegen, um andere nicht zu verletzen und schlichtweg Transparenz zu schaffen", sagt Mignon Kowollik.
Alle Beteiligten verdienen es, die Wahrheit übereinander zu wissen und damit auch selbst entscheiden zu dürfen, ob sie mit diesem Dreier-Szenario leben wollen oder nicht – so viel Ehrlichkeit sollte ein naher Mensch, besonders ein geliebter, schon wert sein.
Die Expertin wird deutlich:
Denn selbst wenn einer Liebe unter drei Menschen zugestimmt würde, müsste jedes Paar die Konditionen dafür aushandeln. Was ist ein Tabu? Wann werde ich eifersüchtig oder bekomme Verlustängste? Welcher Lebensaspekt bleibt wem vorenthalten?
"In polyamorösen Liebschaften ist eine deutliche Kommunikation absolut unumgänglich, damit niemand verletzt oder verunsichert ist oder sich vernachlässigt fühlt", erklärt Kowollik. Alles andere wäre schlicht Betrug.
Grundsätzlich ist es aber möglich und nicht unnormal, sich in mehrere Menschen zu vergucken. Die Frage ist eher: Was jetzt? Ein Crush kann schnell entstehen und genauso schnell verpuffen – kein Grund, in Panik zu verfallen.
Eine echte Liebe jedoch verdient es, genauer betrachtet zu werden. Auch wenn das bedeutet, dass unter Umständen eine Entscheidung fällig wird, die schmerzhaft ist. All das liegt ausschließlich in den Händen der Betroffenen.
"Es gibt kein 'Richtig' oder 'Falsch'", erinnert Kowollik abschließend. Jede Beziehung sei einzigartig. Ob eine Liebe zu Dritt möglich ist, komme "letztlich auf die individuellen Werte und die Offenheit der Beteiligten an."