In vielen Partnerschaften kommt das Thema Pornokonsum ganz plötzlich und aus heiterem Himmel auf. Wenn man gerade die neuen Sneakers googeln wollte und im Suchverlauf "MILF" und "Creampie" auf dem Rechner des Partners oder der Partnerin erscheint.
Manch einer kann darüber schmunzeln und denkt nicht weiter darüber nach. Andere würden nun eine ethische Grundsatzdiskussion über Sexarbeit und frauenfeindliche Bilder in der Partnerschaft entfachen. Die vermutlich meisten wären schlicht ein klein wenig gekränkt, beschämt, verunsichert, vielleicht sogar wütend.
Denn: Vor allem, wenn jemand heimlich Sexualpraktiken oder -partner:innen beschaut, die so gar nichts mit der Beziehung tun haben, kann das unruhig machen. Reicht das reale Leben aka "ich" nicht aus?
Wir sprachen mit Andrea Bräu über das Dilemma. Sie ist Paar- und Sexualtherapeutin in München und arbeitet als Beraterin des Portals "Ashley Madison".
Von Überreaktion bis begründetem Zweifel ist die Spannbreite groß, wie jemand reagiert, der Pornokonsum in der Beziehung entdeckt. "Natürlich gibt es keinen pauschalen Umgang mit Kränkungen", sagt Andrea Bräu. Ob es angemessen ist, besorgt zu sein, kommt stark darauf an, was genau man da auf dem Rechner entdeckt hat. Die Paartherapeutin:
Es ist schließlich ein Unterschied, ob es sich um stundenlangen, exzessiven Konsum brutaler Bilder handelt, die im Bett nachgestellt werden sollen oder ob ab und an ein bisschen nackte Haut zur Erregung angeschaut wurde.
Grundsätzlich bräuchte niemand entsetzt zu sein, erläutert die Therapeutin: Pornokonsum ist gesellschaftlich eher die Norm, als die Ausnahme. "Den Ergebnissen einer Ashley Madison-Umfrage zufolge schauen sich 79 Prozent der Männer und 67 Prozent der Frauen Pornos an", sagt die Expertin.
Zudem hilft es wenig, das Gegenüber für sexuelle Vorlieben oder Fantasien zu verurteilen. Ein bisschen Intimsphäre stünde jedem zu, sagt die Paartherapeutin deutlich: "Grundsätzlich muss man für eine gute Partnerschaft nicht transparent sein und mitunter auch akzeptieren, dass man niemals alles über einen anderen Menschen weiß – nicht mal über sich selbst, wenn man es genau nimmt."
Zuallererst sollte sich daher der oder die Gekränkte fragen, warum es ihn oder sie dermaßen stört. Denn dahinter steckt oft ein anderes Problem, eine Unsicherheit zum Beispiel. Die Therapeutin ergänzt abschließend:
Das Bedürfnis, wissen zu wollen, warum und welche Pornos konsumiert werden, sei jedoch verständlich. Es kann auch Erkenntnisse liefern, die nützlich für die Beziehung sind.
"Mich würde interessieren, welchen Mehrwert es für den Partner hat", sagt Andrea Bräu. Optimal wäre es, das Thema Pornos schon einmal anzuschneiden, bevor es zum peinlichen Eklat kommt: "Frühzeitig zu sprechen, ist immer hilfreich."
Nicht selten würden Pornos eine schnellere Befriedigung verschaffen, als sich der Beziehung zu widmen. Dann "stellt Pornokonsum auch einen Beziehungs-Exit dar", erklärt Bräu.