Kaum ein Thema ist wohl so schambehaftet wie der gefakte Orgasmus. Jede:r weiß zwar, dass man sich mit Simulation nur ins eigene Fleisch schneidet, weil sich am Sexleben nichts verbessert, aber dennoch werden im Bett viele Menschen zu engagierten Laienschauspieler:innen.
Ganze 80 Prozent aller Frauen sollen bereits einen Orgasmus vorgetäuscht haben, etwa die Hälfte sogar regelmäßig, wie eine Umfrage 2022 ergab. Wenig überraschend: Die meisten von ihnen tun das, um das Ego ihrer Partner nicht zu verletzen, sie glauben, dass ein Orgasmus von ihnen erwartet wird oder sie wollen den Sex damit "beenden".
Aber kann man einen Höhepunkt eigentlich so gut vorspielen, dass man es nicht erkennt? Oder ist die Schummelei am Ende nicht offensichtlich?
Wir sprachen darüber mit Mignon Kowollik. Sie arbeitet als Sexual-Coach für Paare und Singles in Hamburg und ist Beraterin beim Portal "Ashley Madison".
Ob jemand performt, nur damit der Akt ein Ende findet ("Sex and the City"), der Höhepunkt in aller Öffentlichkeit simuliert wird ("When Harry Met Sally") oder ein echter Orgasmus die Sicht aufs Leben ändert ("Pleasantville") – Komödien befassen sich schon lange mit dem Thema, allerdings fast immer aus Sicht der Frauen.
Tun Männer denn auch mal so als ob? "Oh ja!", sagt die Expertin deutlich. "Nicht nur die Frauen 'faken' ab und an mal. Jedoch muss erwähnt werden, dass Frauen noch die Spitzenreiterinnen im Vortäuschen sind."
Kein Wunder, schließlich kommen Frauen auch seltener als Männer zum Höhepunkt, zumindest, sofern der Geschlechtsverkehr aus reiner Penetration besteht. Die "Orgasm Gap" (mehr Infos dazu hier) in Verbindung mit Performance-Druck könnten zum Faken verleiten. Doch auch Männer tappen durchaus in die Leistungsdruck-Falle und greifen dann zur Simulation, erklärt Kowollik:
Dazu kommt ein Mental Load, der den Weg zum Höhepunkt versperrt. Diese Alltagsstressfaktoren seien "sowohl bei Frauen, als auch bei Männern ein Grund, warum sie einen Orgasmus vortäuschen", berichtet Kowollik.
Kurzum: Manchmal scheint es bequemer, so zu tun als ob. Aber wenn so viel geschummelt wird, woran erkennt man dann überhaupt einen echten Orgasmus?
Die Expertin spricht von "zwei Anzeichen" bei Frauen, die besonders zuverlässig seien: "Kurz vor dem Höhepunkt der Frau verändert sich ihre Atmung – ein Vorgang, der nicht gestellt werden kann", sagt Kowollik und führt aus:
Weitere mögliche Anzeichen für einen "echten" Orgasmus seien: Fleckige Rötung auf Wangen, Hals oder Dekolleté, kein übertrieben lautes Gestöhne, dafür aber erhöhter Herzschlag und Puls.
Auch bei Männern sei ein echter Orgasmus schwieriger zu erkennen, als man landläufig glaube. "Eine Orgasmuslüge aufzuklären, bleibt meist unmöglich", sagt die Sexberaterin. Denn beim Sex wäre so viel Flüssigkeit im Spiel, dass Ejakulat "auch beim genauen Hingucken" kaum unterschieden werden könne. "Wenn Mann es mit Kondom macht, ist die Betrügerei ohnehin nicht zu 100 Prozent zu überprüfen", sagt sie weiter.
Obendrein gäbe es auch bei Männern einen sogenannten "trockenen Orgasmus", berichtet Kowollik, der flüssige Beweis für den Höhepunkt bleibe dann sichtbar aus, auch wenn die Lust empfunden wurde:
Allerdings ist die Frage nach dem Fake eigentlich auch der falsche Ansatz, sagt die Expertin. Es müsse "betont werden, dass guter Sex für eine Frau oder auch für einen Mann nicht zwingend mit einem Orgasmus verbunden ist".
Sich von dieser Vorstellung zu lösen, sei wichtiger für ein erfülltes Sexualleben, als nach Hinweisen auf einen Fake Ausschau zu halten. Niemand ist ein:e "schlechte" Liebhaber:in, nur weil mal ein Höhepunkt ausbleibt. Und es müsste bei weitem nicht so viel geflunkert werden, wenn sich die Botschaft verbreiten würde, dass nicht der Orgasmus das Ziel beim Geschlechtsverkehr ist, sondern schöner Sex.