Es ist immer wieder überraschend, wenn man hört, wie andere Paare mit dem Thema Handy und Privatsphäre umgehen. Da gibt es die Paare, bei denen das Handy jederzeit frei verfügbar ist, um sich beim anderen in Netzwerke, Lieferdienste oder selbst private Nachrichten hineinzubewegen.
Die Paare, die es schon peinlich berührt, das Smartphone des Anderen hochzuheben, um ein schnelles Foto zu machen oder einen Anruf entgegenzunehmen. Und dann Kategorie Drei: Dort nimmt einer das Handy sogar mit aufs Klo, lässt es nicht aus dem Auge und der Andere versucht mit jeder Menge Tricks es heimlich zu entsperren.
Privatsphäre oder Transparenz? Vertrauen oder Ehrlichkeit? Wie Tabu das Handy des oder der Partner:in ist, ist geradezu eine Glaubensfrage der Neuzeit. Für die einen ist es ein Vertrauensbruch, das Handy vorenthalten zu bekommen. Für die anderen ein Vertrauensbruch, alles herzeigen zu müssen.
Wir sprachen mit Andrea Bräu über das Phänomen. Sie ist Paar- und Sexualtherapeutin in München und arbeitet als Beraterin des Portals "Ashley Madison".
Sie beobachtet, dass beide Seiten der Debatte im Grunde mit ihren eigenen, in sich auch schlüssigen Haltungen argumentieren. "Das ist eine Frage der Bewertung", sagt die Paartherapeutin zum Streitpunkt Handy und führt aus:
Sie selbst findet es zu viel, volle Einsicht in das Handy des Partners oder der Partnerin zu verlangen. Zumindest, wenn das dieser Person gar nicht recht ist. "Das hat immer mit Respekt zu tun, wenn man Grenzen anderer wahrt und umgekehrt", sagt sie dazu.
Das Smartphone enthält in vielen Fällen sehr intime Informationen der Besitzer:innen. Gegen des Willen der oder des Liebsten in diese vorzudringen ist übergriffig und keine Lappalie. Andrea Bräu veranschaulicht: "Man benutzt wahrscheinlich auch nicht die Zahnbürste des Partners, obwohl man ihn liebt und sicher auch küsst, aber auch das ist immer eine persönliche Entscheidung."
Die Rede ist hier nicht vom gemeinsamen Scrollen durch Fotos oder Orientierungshilfe auf Google Maps, bei dem Smartphonebesitzer:innen bewusst und kurzfristig Einblicke auf ihren Screen geben. In manchen Fällen ist es auch schlicht praktisch, wenn man Zugriff aufs Handy des Anderen hat und damit zum Beispiel Spotify ins Wohnzimmer überträgt.
Manches Mal ist die Kontrolle des Handys der letzte Strohhalm, an den sich Menschen klammern, die sich bereits zu 95 Prozent sicher sind, in der Partnerschaft hinters Licht geführt zu werden und nur noch den letzten Beweis suchen.
Doch die generelle Haltung zum Thema Smartphone-Sharing sagt in erster Linie etwas über die Unsicherheiten der jeweiligen Person aus, glaubt die Therapeutin: "Manche Menschen generieren Sicherheit und regulieren ihre Ängste durch Kontrolle, und andere bringen mehr Urvertrauen mit und brauchen weniger Transparenz."
Den Zugriff auf das Handy zu gewähren, lindert dann zwar das Symptom, nicht aber die eigentliche Ursache des Misstrauens. Als Stellvertreter-Konflikt wird das Handy dann zum Symbol für ein größeres Problem, das vielleicht in der Partnerschaft besteht. Daher sagt Andrea Bräu: "Wenn es zum Streit kommt, muss man bei den eigenen Ängsten gucken."
Wer fair ist, verkneift sich also die Neugierde und verlangt auch keine totale Transparenz. Wenn beide Menschen in sich ruhen und miteinander ehrlich kommunizieren, sollte man guten Gewissens nur eines tun müssen, wenn das Handy des Anderen mal wieder bimmelt: Sich entspannt zurücklehnen.