"Was für ein Narzisst!", dieses Urteil fällt inzwischen schnell, wenn unmögliches Verhalten eines Dates bekannt wird. Da hat er einfach mitten im Gespräch einen Anruf angenommen, oder nicht mehr vor die Tür begleitet, weil die zehn Minuten Umweg zu viel verlangt seien.
Aber liegt da tatsächlich schon eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vor, die behandelt werden müsste oder reden wir hier eigentlich von Rücksichtslosigkeit, Desinteresse, schlechten Manieren?
Was ist narzisstisch und was egoistisch? Darüber sprachen wir mit Dr. Britta Papay. Die systemische Therapeutin ist auf das Thema spezialisiert und hat eine Praxis in Hamburg.
In ihrem aktuellen Buch "Verkappte Narzissten. Wie wir sie enttarnen und ihnen die Macht nehmen" (Now Verlag) widmet sie diesem Thema einen ganzen Absatz und erklärt: "Wenn Menschen heutzutage salopp über Narzissten sprechen, meinen sie oft eigentlich Egoisten."
Zwar handelt es sich in beiden Fällen um unangenehme Zeitgenossen, aber es ist ein großer Unterschied, wem man gegenübersitzt, da eine der beiden Kategorien viel toxischer auf dich wirken kann.
"Egoistische Menschen kreisen ausschließlich um sich selbst. Sie stellen sich in den Mittelpunkt – es dreht sich alles immer nur um sie", erklärt Papay gegenüber watson. Das heißt auch: "Sie interessieren sich wenig bis gar nicht für andere."
Beispiel: Ein:e Egoist:in würde sich nicht auf ein anderes als sein:ihr Lieblingsrestaurant einlassen, auch wenn es dort nur wenige vegetarische Optionen für dich gibt.
Egoisten wäre es demnach völlig egal, ob es dir gut oder schlecht gern, sofern sie selbst einen Vorteil haben. Narzissten hingegen geht es nicht nur darum, dass sie sich selbst besser fühlen, sondern auch, DU dich schlechter.
Der Unterschied liege also "im Umgang mit anderen Menschen", sagt Papay klar. "Wenn ihre Merkmale stark ausgeprägt sind, neigen sie dazu, sich über andere zu überhöhen und diese abzuwerten."
In ihrem Buch beschreibt Papay es so, dass der:die Narzisst:in dir gezielt, nicht unabsichtlich, wehtut, da er im Vergleich zum:zur Egoist:in jemand sei:
Beispiel: Ein Narzisst würde mit dir vielleicht in dein Lieblingsrestaurant gehen, dir aber dann den ganzen Abend lang schlechtes Gewissen machen, weil das "überteuerte Gemüse" nicht schmeckt, das Publikum "cringe" sei und im Abgang auch noch Dankbarkeit einfordern.
Entsprechend sei die "Kombination aus Überhöhung und Abwertung der stärkste Indikator für narzisstische Merkmale", erklärt die Expertin.
Das klingt zwar etwas abstrakt, doch beim Dating merke man eigentlich schnell, wie wohlgesonnen das Gegenüber tatsächlich ist. Spürst du statt Freude und Vertrauen vor allem Unsicherheit, Schuld- oder Minderwertigkeitsgefühle bei euren Verabredungen? Red Flag.
"Man sollte immer wachsam sein und dem eigenen Bauchgefühl trauen", rät auch die Therapeutin. "Wenn die andere Person abwertend und manipulativ mir gegenüber auftritt, sollte man da genau hinschauen."
Das Problem dabei ist nur: Manchmal ist das leichter gesagt als getan. Das weiß auch Papay.
Gerade Menschen, die "im Leben zahlreiche, vielleicht sogar traumatische Beziehungserfahrungen gemacht hat, zum Beispiel im eigenen Elternhaus" wären schnell "das perfekte Opfer für Narzissten", berichtet sie.
Das läge daran, dass diese Menschen es gewohnt seien "nicht gut behandelt zu werden. Man neigt dann im Leben immer zu diesen toxischen Beziehung-Mustern zurückzukehren."
Solltest du bemerken, dass du auf der Liebessuche immer wieder an manipulative, abwertende Leute gerätst, lohnt sich ein Blick in die eigene Biografie und etwas Selbstreflexion, vielleicht auch mithilfe eines Profis.
Denn eines haben beide "Typen" gemein: deine Liebe, Energie und Lebenszeit wären an sie verschwendet.