Selten halten sich gewisse Sex-Mythen derart hartnäckig, wie der über den perfekt großen Penis und die perfekt enge Vagina, die Sex qua Existenz schon zum Genuss machen. Wie groß ist ideal? Kann die Vagina ausleiern?
Wir alle wissen zwar rational, dass solche Fragen Humbug sind, weil jedes Genital Spaß machen kann. Trotzdem trifft man zuweilen auf Sexualpartner:innen, mit denen es sich irgendwie eigenwillig anfühlt. Als ob es nicht richtig "passt"? Kann es doch sein, dass manch ein Penis zu klein, manch eine Vagina zu groß ist?
Wir haben Lea Holzfurtner dazu befragt. Sie ist klinische Sexologin und coacht Menschen in ihrer Praxis in Berlin und in ihrem Podcast "Berlin Intim".
Die Expertin ist überzeugt, dass kein Genital prinzipiell falsch sei, zu klein, zu weit, eng oder groß. Dennoch ist die Frage nicht völlig unberechtigt. "Ich formuliere es mal anders", sagt Holzfurtner. "Eine Vagina, beziehungsweise der Vaginalkanal, kann zum Beispiel für einen bestimmten Penis zu kurz sein."
Das heißt, nicht das einzelne Körperteil ist problematisch, sondern die Kombination von zwei Menschen, deren Anatomie kein Selbstläufer ist. "Ich spreche dann von einer Nichtpassung einer bestimmen Vagina zu einem bestimmten Penis", fasst die Expertin zusammen.
Dann führt sie aus, was dahintersteckt. Der Vaginalkanal sei durch den Muttermund begrenzt, wo der aber liegt, sei höchst individuell. Holzfurtner: "Sein Stand kann sich zwar je nach Zyklus und auch Erregung verändern, aber es gibt trotzdem längere und kürzere Vaginalkanäle."
Nun finden es aber nicht alle Menschen schön, wenn der Muttermund berührt oder gestoßen wird. Zuweilen kann das sogar unangenehm sein und dann könne besagter Mensch "einen Penis als zu lang empfinden".
Kurzum: Es kann tatsächlich sein, dass ein kurzer Vaginalkanal und ein langer Penis sich nicht gut miteinander vertragen. Das bedeutet allerdings noch lange nicht das Ende jeglicher Penetration, entwarnt der Sexoach. Denn wo Probleme, da auch "wunderbare Helferlein, zum Beispiel die Stoßdämpfer-Toys Ohnut oder Bumpi, die über den Penis gezogen werden und damit zu tiefes Eindringen verhindern."
Ist das Gefühl in der Vagina also eher zu viel, zu intensiv, kann gegengesteuert werden. Doch auch weite, lange Vaginas können bei der Penetration Nachteile haben, wobei Holzfurtner zu diesem Thema eines wichtig ist:
Das ist ein absoluter Mythos. Ein frauenfeindlicher noch dazu. Auch hier: Es gibt keine zu weite Vagina und zu kleinen Penis. Manchmal ist nur das Zusammenspiel nicht ideal.
Kommen wir also zum Fall: der Sex tut zwar nicht weh, aber irgendwie fühlt man auch kaum etwas. Dann haben wir die Kehrseite des eben genannten Dilemmas. Die Sexologin erklärt: "Wenn ein Mensch mit Vulva das Gefühl von 'Ausgefüllt sein' oder das Stoßen an den Muttermund ganz explizit genießt, kann ein bestimmter Penis dieses Gefühl vielleicht nicht hervorrufen."
Ist sein Penis also zu klein für sie? Oder ihre Vagina zu groß für ihn? Die "Schuldfrage" ist hier völlig nutzlos und fehl am Platz. Besser ist es, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Denn auch für dieses Setting gäbe es Abhilfe, sagt die Expertin, "von Penis-Sleeves, die über den Penis gezogen werden und dabei noch etwas Länge oder Durchmesser hinzufügen, bis zum Spiel mit klassischen Dildo-Toys die von Menschen – unabhängig davon, ob sie ein Penis haben und wie groß dieser ist – mit den Händen geführt werden können."
Schämen braucht sich keiner, wenn es bei der Penetration mal nicht so recht von alleine "passt". Körper sind nun einmal unterschiedlich. Viel wichtiger, weiß Lea Holzfurtner aus ihrer Praxis, ist aber eigentlich, sich eines immer klarzumachen:
Die reine Größe des Penis spielt also für die Liebhaber-Qualitäten kaum eine Rolle. Wichtig ist Kreativität, Zuwendung, manuelle, orale Stimulation, Fantasie, Zeit. Eigenschaften, die nicht an einem Lineal messbar sind...