So langsam wird es wieder frühlingshaft und die schweren Winterboots weichen luftigeren Schuhen. Ein Fest für Freund:innen schöner Füße, deren wollüstige Blicke im Sommer nicht auf Hintern oder Lippen, sondern in die Sandale wandern.
Für manche Menschen eine widerliche Vorstellung, doch ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung fühlt sich nun mal von Füßen erregt. Das weiß nicht nur jede Frau, die jemals ein Barfuß-Bild gepostet hat, sondern zeigt auch der riesige Markt an Footjob-Pornos, Zehen-Videos und mehr.
Aber warum ausgerechnet Füße? Ein Körperteil, der von der Mehrheit eher als schmuddelig und stinkig empfunden wird? Warum ist dieser Fetisch so weit verbreitet im Vergleich zur Fixierung auf den Hals oder die Kniebeuge, die doch auch sensible Zonen aufweisen?
Wir haben darüber mit Mignon Kowollik gesprochen. Sie arbeitet als Sexual-Coach für Paare und Singles in Hamburg und hat sich auch mit Podophilie befasst.
Der Schein trügt zumindest schon einmal nicht, sagt sie. Die Vorliebe für Füße sei weit verbreitet: "Podophilie gehört zu den häufigsten Vorlieben im Bereich der Fetische – und das aus mehreren spannenden Gründen."
Für bis zu 14 Prozent aller Menschen sind Füße ein Teil ihrer erotischen Fantasien. Das ermittelte der US-Sozialpsychologe Justin Lehmiller bei Umfragen – unter heterosexuellen Männern ist der Schnitt sogar höher und liegt bei 18 Prozent, heißt es in seinem Buch "Tell me what you want: The Science of Sexual Desire and How it Can Help You Improve Your Sex Life".
Dass es besonders heterosexuelle Männer sind, die auf Frauenfüße abfahren, ist gefühlte Wahrheit. Die Sexualexperten bestätigen diesen Eindruck aber. "Fußfetische kommen bei Menschen aller Geschlechter vor", sagt Mignon Kowollik zwar, "doch Studien deuten darauf hin, dass Männer tendenziell häufiger eine Vorliebe für Füße entwickeln".
Dies könnte unter andrem mit "sozialen und biologischen Prägungen zusammenhängen", vermutet sie. Zum Beispiel seien Männer eher auf "visuelle Reize" fixiert, wenn es um Sex ginge. Füße sind ein oft sichtbares Körperteil, im Vergleich zur verhüllten Brust, Po oder Vulva.
"Dass Fußfetische so häufig sind, hat aber auch einen kulturellen Hintergrund bei der ein oder anderen Person", sagt die Expertin weiter:
So wurden Königen früher die Füße geküsst, wenn man Ergebenheit zeigen wollte, Jesus' wusch die Füße der Jünger als Zeichen der Fürsorge und des Respekts – Dominanz und Liebe sind aber auch große Themen der Erotik. "Diese Symbolik kann für Menschen mit einem Fußfetisch besonders anziehend sein", bestätigt Kowollik.
Hinzu käme, "dass Füße so vielfältig sind", glaubt sie. Die unterschiedlichen Formen und Hautfarben, Schmuck und Pflege eröffnen zahlreiche erotische Variationen. Tatsächlich gibt es sowohl Podophile, die auf Reinlichkeit und Schönheit abfahren, als auch Menschen, die Schweiß und Schmutz bevorzugen. Füße bäten eben "eine große Spielwiese für individuelle Vorlieben", sagt Kowollik.
Neben der Optik und der symbolischen Aufladung spielen aber noch mehr Ursachen eine Rolle, erläutert Kowollik. Denn aus psychologischer Sicht könnte ein Fußfetisch auch "durch frühere Erlebnisse geprägt" werden. Sie führt aus:
Hinzu käme dann auch noch, dass das Hirn selbst nicht ganz unschuldig ist an der Lust auf Füße. "Im somatosensorischen Cortex – dem Bereich im Gehirn, der Körperwahrnehmung verarbeitet – liegen die Regionen für Füße und Genitalien nah beieinander", sagt die Expertin. Einige Wissenschaftler:innen vermuten entsprechend, "dass diese Nähe die Überschneidung von sexueller Erregung und Füßen begünstigen könnte."
Zusammengefasst heißt das: Egal ob du nun selbst einen Fußfetisch hast oder die Lust auf Zehen dir fremder nicht sein könnte – das alles ist normal.
Die erotische Anziehungskraft von Füßen ergibt sich aus einem kulturellen, psychologischen und biologischen Zusammenspiel und zeigt einfach nur, "wie individuell sexuelle Anziehung sein kann". Die Sexualberaterin mahnt:
Es gelte, die Grenzen, aber auch die Bedürfnisse voneinander zu respektieren. Wenn die Vorlieben in diesem Punkt zu stark auseinandergingen, wäre es "eine Möglichkeit" in Absprache mit dem oder der Partner:in, die Fuß-Fantasien mit anderen auszuleben, "die diese sexuellen Vorlieben teilen", sagt Kowollik.
"Immerhin fünf Prozent der Mitglieder von Ashley Madison, einem Datingportal für Vergebene, sagen von sich, dass sie einen Fußfetisch haben", erklärt die Expertin weiter, "und 25 Prozent sind generell bereit, einen neuen Fetisch auszuprobieren."
Man kann sich da draußen also finden, wenn man es möchte – ohne jemanden mit den eigenen Vorlieben auf die Füße zu treten.