"Mit elf habe ich zum ersten Mal das Gefühl gehabt, dass ich zuviel bin und wollte mich verstecken." "Zuviel" – damit meint Angela Doe nicht ihr Verhalten, nicht ihre Wünsche und Bedürfnisse. Damit meint Angela ihren Körper. Ihr Gewicht.
Das Gefühl, zuviel zu sein. Damit beschreibt die 29-Jährige Fashion-Bloggerin und "Sinnfluencerin" den Anfang von etwas, das sich Jahre später zu einer schweren Essstörung entwickeln sollte. Angela litt Jahre an Bulimie.
Auf ihrem Instagram-Account und in ihrem Podcast "Herzwärts" erzählt sie davon. Von dem Gefühl, zuviel zu sein. Dem Wunsch, weniger zu werden, um sich besser zu fühlen. Und dem schiefen Bild von Schönheit, das uns vermittelt wird.
Schön sein ist wichtig. Schön sein bedeutet schlank sein. Also ist weniger in jedem Fall mehr. Dieses Gefühl hat nicht nur Angela als Mädchen mitbekommen. Wir kennen es vermutlich alle. In einer Umfrage des Hautpflegeherstellers "Dove" stellte sich heraus, dass nur zwei Prozent der deutschen Frauen sich als schön bezeichnen würden. Mehr als die Hälfte der befragten Frauen waren unzufrieden mit ihrem Äußeren. Und oft genug ist es dabei das Körpergewicht, das als unschön, als zuviel, empfunden wird.
So hat es Angela auch in ihrer Jugend empfunden:
Sich einfach okay finden, wie man ist? Das wäre schön. Doch stattdessen treibt das Gefühl zuviel zu sein, viele Frauen dazu, ihrem vermeintlich besseren Selbst mit Diäten auf den Leib zu rücken. Zwei Jahre und sieben Monate verbringen Frauen in ihren Zwanzigern mit Abnehmen, zeigte die Umfrage eines britischen Diät-Unternehmens. Ob diese Diäten erfolgreich sind, wie ernsthaft sie durchgezogen werden, spielt erstmal keine Rolle. Das Gefühl, mit einem schlankeren Körper werde man selber irgendwie besser, kann einem nicht nur ein paar durchlittene Wochen mit Keto, Paleo, Kohlsuppe oder Low-Carb einbringen, sondern sich schlimmstenfalls zu einer Essstörung entwickeln. Ein Gefühl, das auch Angela irgendwann nicht mehr losließ.
Nicht bei jeder Frau führt dieses Gefühl zu einer Essstörung, sicher. Nach Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind es drei bis fünf Prozent, die davon betroffen sind. Aber das latente Gefühl des Zuviel Seins, der "wenn-ich-erstmal-schlank-bin" Lebensplanung, eint viele Frauen.
Denn zu omnipräsent sind Diät-Tipps und Unterhaltungen der Sorte: "Ne, heute kein Lunch, gestern habe ich gesündigt."
Ob das Gefühl wirklich zur Belastung wird, meint Angela, merkt man erst, wenn es lange anhält, wenn es nicht mehr weggeht, wenn es den Alltag bestimmt und wenn es irgendwann vielleicht sogar so schlimm wird, dass man sich in Internetforen Hilfe holt, wie man die eigene Essstörung besser verheimlichen könne. In anderen Worten: Wenn das Gefühl, zuviel zu sein, irgendwann zum Selbsthass wird.
Ein Selbsthass der tragischerweise festgetackert scheint an dem Schönheitsideal, das in unserer Gesellschaft vorherrscht. Ein Ideal das, trotz aller Bemühungen um Body Positivity, hauptsächlich einen Körper beschreibt, der in erster Linie schlank, straff und glatt zu sein hat. So wird es gezeigt, und zwar immer wieder, in Magazinen, bei "GNTM", auf Laufstegen und in Hollywood-Filmen. Und auf Instagram. Keine Rolle spielt dabei die Frage, wie realistisch dieses Ideal ist. Circa 2000- bis 5000-mal pro Woche erreichen uns digital nachbearbeitete Fotos von Körpern – Fotos, die auf uns wirken, ob wir wollen, oder nicht.
Auf Instagram bekommt diese "schöne" Welt eine besonders eindrückliche Plattform. Und mit Instagram kennt sich Angela aus, sie hat dort mehr als 50.000 Follower. Sie weiß, wie gefährlich die Bilder dort sein können. Gerade, wenn es um das eigene Körperbild geht:
Accounts von schönen, schlanken Menschen, die aber irgendwann nicht mehr motivierten, sondern den Selbsthass steigerten. Angela zog die Reißleine. Sie begann eine Therapie gegen ihre Essstörung. Aber sie fing auch an, ihr Leben von Bildern unrealistischer Ideale zu entrümpeln. Auf Instagram bedeutetet das: Weg mit schönem Schein, mehr positive Messages. Das rät sie auch Frauen die merken, dass ihnen das Scrollen durch den Feed zunehmend ein schlechtes Gefühl gibt:
Und so ultimativ zu einer Erkenntnis zu kommen, die sich Angela mühsam vergegenwärtigen musste, die ihr aber geholfen hat, ihre Essstörung zu überwinden. Wie es in dem Lied von "Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi" heißt: