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Cannabis-Unternehmer spricht Klartext zu Teillegalisierung und Social Clubs

Dr. Alessandro Rossoni hat das Cannabis-Start-up Nimbus Health mitgegründet.
Dr. Alessandro Rossoni hat das Cannabis-Start-up Nimbus Health mitgegründet.Bild: IMAGO images/Funke Foto Services
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Cannabis-Unternehmer ordnet Boom von Online-Apotheken ein

01.12.2024, 15:17
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Cannabis als Medizin hat eine lange Tradition. Seit Jahrtausenden werden die Blüten eingesetzt, um körperliche Leiden zu lindern. Cannabis kann bei Schmerzen helfen, bei Übelkeit, Schlafstörungen, Spastiken und Appetitlosigkeit.

Aktuell werden in Deutschland mehr als 150.000 Menschen mit Cannabis behandelt. In Folge der Teillegalisierung hat die Zahl der Patient:innen stark zugenommen, was sich auch an den Importmengen zeigt.

Die Einfuhr von getrockneten Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken stieg zuletzt um 40 Prozent: von 8,1 Tonnen im ersten Quartal des Jahres auf 11,7 Tonnen im zweiten Quartal.

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Cannabisblüten werden seit der Teillegalisierung verstärkt nach Deutschland importiert. Bild: dpa / Daniel Karmann

Einer, der die Branche gut kennt, ist Dr. Alessandro Rossoni. Vor sechs Jahren hat er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Linus Weber in Offenbach das Medizinalcannabis-Start-up Nimbus Health gegründet, das heute eines der führenden Unternehmen auf dem deutschen Markt ist.

In diesem Jahr brachte das Unternehmen die Marke Nimbus Botanics auf den Markt und wurde damit zum Jack Herer Cup in die Niederlande eingeladen, wo die besten Cannabis-Sorten der Welt ausgezeichnet werden – als erster medizinischer Anbieter überhaupt, wie Rossoni stolz erklärt. "Das zeigt: Medizinisches Cannabis kann von der Qualität auch mit den besten Schwarzmarkt-Sorten mithalten", sagt er im Interview mit watson.

Zusammen mit seiner Kollegin Franziska Reddel, die bei Nimbus Health für Marketing und Branding zuständig ist, spricht Alessandro Rossoni über die Folgen der Teillegalisierung, das Für und Wider der Social Clubs und über die Zukunft von Cannabistherapien.

Watson: Auf dem Cannabis-Markt herrsche Goldgräberstimmung, liest man immer wieder. Alessandro, du bist schon seit 2018 in der Branche. Bist du ein Goldgräber?

Dr. Alessandro Rossoni: (lacht) Nein, wir bei Nimbus sind eher das Gegenteil der Goldgräber. Linus und ich kommen beide aus der Pharma. Als Nimbus sind wir also pharmazeutisch ausgerichtet und das nicht erst, seit wir 2022 von Dr. Reddy's [großer indischer Pharmakonzern, Anm. d. Red.] gekauft wurden. Also kein Snoop Dogg, keine Heidi Klum und auch kein Mario Götze, sondern – ganz klassisch – ein seriöses Pharmaunternehmen. Und dieses typische Goldgräber-Muster – zu wenig Geld, zu wenig Wissen, ab geht's – so arbeiten wir bei Nimbus Health nicht.

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Herrscht denn aktuell noch Goldgräberstimmung in der Branche?

Dr. Alessandro Rossoni: Sie hat sich verlagert, weg von den importierenden Unternehmen hin zu den Online-Mediziner:innen. Da ist richtig viel los, gefühlt jeden Tag entstehen neue Anbieter. Durch das E-Rezept und weil medizinisches Cannabis nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, hat sich einiges geändert: Ärzt:innen müssen nicht mehr protokollierend begründen, warum sie Cannabis verschreiben. Das Rezept kommt digital direkt zur Apotheke, es ist nicht mehr nur sieben Tage gültig, sondern 30, außerdem gibt es keine Maximalmengen mehr. Das ganze Setup wurde vereinfacht, sodass es jetzt viele Online-Mediziner:innen gibt, die sehr niedrigschwellige Angebote machen.

Der deutsche Markt ist immer noch stark reglementiert. Was sind dabei die zentralen Herausforderungen für euch?

Dr. Alessandro Rossoni: Nicht jeder, der Cannabis anbaut, kann sagen: "Das ist jetzt medizinisch, ab nach Deutschland damit." Es gelten hohe pharmazeutische Qualitätsstandards, die ein Betrieb dafür erfüllen muss. Auch im Import und in der Verarbeitung – Trimmung, Trocknung usw. – muss alles gleich und synchronisiert ablaufen. Man muss genau nachweisen können, woher das Produkt kommt, was drin ist, was genau gemacht wurde und was am Ende herauskommt. Jeder Schritt, bis das Päckchen bei der Apotheke liegt, ist stark reglementiert. Von "Seed to Sale" sozusagen. Auch bei der Aufklärung, aber den Part würde ich Franzi überlassen.

Franziska Reddel: In der Aufklärung haben wir einmal die Hürde, dass wir unsere Produkte gemäß Heilmittelwerbegesetz nicht "frei" bewerben dürfen. Was aus Jugendschutzgründen natürlich absolut richtig ist. Für uns heißt das aber auch, dass wir die Patient:innen nicht richtig aufklären können und zum Beispiel nicht sagen dürfen, welche Terpene in unserem Produkt sind. Dazukommt, dass viele Menschen eine gewisse Erwartungshaltung an die Produkte haben – befeuert durch Cannabis-Konzepte von Ländern wie den USA – die wir in Deutschland nicht erfüllen können, weil wir uns hier an gewisse Regeln halten müssen.

Franziska Reddel von Nimbus Health fordert mehr Aufklärungsmöglichkeiten für Patient:innen.
Franziska Reddel von Nimbus Health fordert mehr Aufklärungsmöglichkeiten für Patient:innen.bild: nimbus health

Hat die Teillegalisierung euren Job einfacher gemacht oder schwerer?

Dr. Alessandro Rossoni: Die ganze Industrie, also auch wir, verzeichnet eine steigende Zahl an Patient:innen. Das per se macht den Job nicht einfacher, es erhöht die Taktung und die Umsätze. Für Marktteilnehmende mit einem gewissen Standing ist das natürlich gut. Von den Prozessen her ist durch die Legalisierung lediglich das tägliche Betäubungsmittel-Reporting entfallen. Ansonsten sind alle Prozesse gleich und auch die Blüten müssen den gleichen pharmazeutischen Anforderungen standhalten wie vorher.

Wie zufrieden seid ihr mit der Teillegalisierung und was würdet ihr morgen ändern, wenn ihr in der Politik wärt?

Franziska Reddel: Mein größtes Problem an der Teillegalisierung ist, dass das mit den Social Clubs unüberlegt war. Die einzige Abgabe sollte über Apotheken oder Fachgeschäfte laufen, denn es handelt sich hier um ein erklärungswürdiges Produkt, nicht um Broccoli. Wenn ich sofort was ändern könnte, würde ich sagen: "Wir machen es nur noch über Apotheken." Man kann die einzelnen Filialen natürlich nicht zwingen, nicht jede kleine Apotheke auf dem Dorf wird das abbilden können. Trotzdem: In den Social Clubs hat man nicht die Kontrolle und das Fachwissen, was Apotheker:innen seit Tag Eins ihrer Ausbildung haben.

A woman holds a sign, depicting German health minister Karl Lauterbach, reading „Thanks Karl" in Cologne, Germany, on a public cannabis consumption event at the start of a new law on Monday, Apri ...
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Teillegalisierung in Deutschland orchestriert.Bild: AP / Martin Meissner

Dr. Alessandro Rossoni: Ich halte die Social Clubs für einen überregulierten Notnagel, um politisch das Gesicht zu wahren. 2021 hat die Bundesregierung gesagt: "Wir legalisieren." Durch das europäische Recht sind sie dann aber in die Bredouille gekommen. Von dem ursprünglichen Plan, der Abgabe über regulierte Fachgeschäfte, musste man umschwenken auf Eigenanbau und Social Clubs, die laut WHO Statuten erlaubt sind. Doch mit dem aktuellen System schießt man an den Zielen vorbei, die da waren: Austrocknung des Schwarzmarktes und Erhöhung der Volksgesundheit. Dafür ist es für viele Menschen in der Handhabe einfach zu umständlich.

Franziska Reddel: So wie es aktuell ist, spielen wir den Legalisierungsgegnern in die Karten. Eigenanbau und Social Clubs – an keiner Stelle findet ausreichend Aufklärung statt. Und wenn man mitbekommt, wie einfach man bei einigen Online-Mediziner:innen Patient:in werden kann, lädt das natürlich zu Missbrauch ein. Für eine CDU-Regierung ein gefundenes Fressen – und Herr Söder hat ein Argument mehr.

Alessandro, euer Ziel sind Fertigarzneimittel. Wann kommt das Cannabis in Tablettenform?

Dr. Alessandro Rossoni: Es gibt bereits Präparate, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind. Die werden aber kaum verschrieben, weil sie zum Teil hohe Nebenwirkungen haben und nur für ganz bestimmte Zustände zugelassen sind. Wir forschen gerade daran, dass wir die Cannabis-Wirkstoffe auch in Tablettenform anbieten können. Denn die Vorteile liegen auf der Hand: Wirkung und Einnahme ließen sich so standardisieren. Dafür muss aber erst der komplette klinische Weg durchlaufen werden, mit Entwicklung, Tests, Studien und Zulassung. Es wird also noch Jahren dauern.

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