Leben
Gesundheit & Psyche

Nikotinbeutel als Zigaretten-Ersatz: Das steckt hinter dem Hype um Pouches

ILLUSTRATION - 03.05.2024, Sachsen, Dresden: Tabakfreie Nikotinbeutel liegen in einer Hand. (zu dpa: «Drogenbeauftragter hält an Verbot von Nikotinbeuteln fest») Foto: Robert Michael/dpa +++ dpa-Bildf ...
Tabakfreie Nikotinbeutel werden trotz Verbot auch in Deutschland konsumiert.Bild: dpa / Robert Michael
Gesundheit & Psyche

Verbotene Nikotinkissen: Neuer Trend birgt große Suchtgefahr

03.12.2024, 09:1803.12.2024, 10:08
Mehr «Leben»

Die Tabakindustrie hat es gerade nicht leicht. Schon seit Jahren geht die Zahl der Raucher:innen in Deutschland zurück. Im Jahr 2000 sollen laut Weltgesundheitsorganisation über 22 Millionen Deutsche zur Zigarette gegriffen haben. 20 Jahre später waren es nur noch 17,53 Millionen, also rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung.

In den kommenden Jahren könnte sich dieser rückläufige Trend fortsetzen. Das gilt auch für andere europäische Länder. In Großbritannien wird zurzeit sogar ein striktes Gesetz vorbereitet, das ein weitgehendes Rauchverbot vorsieht. Demnach soll niemand, der nach dem 1. Januar 2009 geboren wurde, jemals legal Zigaretten kaufen dürfen.

Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden? Hier findest du unseren Broadcast-Channel.

So soll eine rauchfreie Generation herangezogen werden. Ob das Gesetz in dieser Form verabschiedet wird und wie effektiv solch ein Verbot wäre, bleibt abzuwarten. Die Tabakindustrie sucht jedenfalls jetzt schon nach lukrativen Alternativen zur herkömmlichen Zigarette. Vapes, also E-Zigaretten, sind schon länger bekannt und beliebt.

Neues Trend-Produkt mit großem Suchtpotenzial

Nun scheint sich aber auch um sogenannte "Pouches" ein Hype zu entwickeln. Dabei handelt es sich um kleine Nikotinbeutelchen, die man zwischen Oberlippe und Zahnfleisch klemmt. Über die Mundschleimhaut wird so das enthaltene Pulver aufgenommen, das aus Nikotinsalzen und Trägerstoffen besteht.

Die Stoffe gelangen über den Blutkreislauf ins Hirn, wo das Nikotin dafür sorgt, dass das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Die "Pouches" lösen also einen ähnlichen Kick wie Zigaretten aus. Auch wenn sie in der Regel keinen Tabak enthalten, besteht durchaus eine Suchtgefahr.

Unter Profi-Fußballern sind die Beutelchen schon länger bekannt und beliebt, weil sie je nach Dosis eine aufputschende oder entspannende Wirkung haben und anders als Zigaretten nicht die Lunge schädigen.

Einige Sportler greifen aber auch zur Variante mit Tabak. Die nennt sich Snus und hat in Skandinavien eine jahrhundertelange Tradition; mit Ausnahme von Schweden ist ihr Verkauf in der EU aber untersagt. Die tabakfreien Nikotinbeutel fallen in Deutschland unter das Lebensmittelrecht und sind ebenfalls verboten.

FILE - A view of a variety of boxes of snus (snuff) in a fridge, at a store in Stockholm on Jan. 23, 2023. Sweden, which has the lowest rate of smoking in Europe is now close to declaring itself “smok ...
Ein Automat mit unterschiedlichen Snus-Varianten in der schwedischen Hauptstadt Stockholm.Bild: TT News Agency / Claudio Bresciani

Doch über das Internet sind die flachen Dosen mit den Beutelchen leicht zu beschaffen. Wegen fehlender Kontrollen seien sie oft sogar in Tabakläden, Kiosken oder Tankstellen erhältlich, kritisieren Suchtberater:innen.

Trotz Verbots sind Pouches vielen Jugendlichen schon bekannt

Im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick kannten 80 bis 90 Prozent aller Schüler:innen bei Präventionsveranstaltungen im vergangenen Jahr Nikotinbeutel beziehungsweise hatten sie bereits probiert.

"Schon in siebten Klassen gab es Berichte über den Konsum solcher tabakfreien Nikotin-Pouches, die zum Bewusstseinsverlust und einem Notarzteinsatz führten", warnte das Bezirksamt Anfang 2024. Schon ein Beutel könne den Nikotingehalt von drei bis sechs Zigaretten enthalten.

Neben der Suchtgefahr bestehe das Risiko einer akuten Vergiftung, die sich durch Übelkeit und Erbrechen sowie Schwindel bis hin zur Ohnmacht äußern könne.

Nach Angaben des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) gab es Ende 2022 mehr als 1300 Quellen, über die Nikotinbeutel problemlos aus dem Ausland bestellt werden konnten. Einige dieser eingeführten Beutel enthalten dem Verband zufolge sehr hohe Nikotinkonzentrationen oberhalb eines angemessenen Grenzwertes.

Genau deshalb – also um den unkontrollierten Schwarzmarkt einzudämmen – sollten die Nikotinbeutel in Deutschland legalisiert werden, argumentiert der BVTE.

Der Bundesdrogenbeauftrage Burkhard Blienert will hingegen am Status Quo festhalten. Nikotinbeutel seien in Deutschland nicht ohne Grund verboten. "Sie sind keine gesunden oder unbedenklichen Produkte. Mit ihnen kann man extrem schnell große Mengen Nikotin aufnehmen und sie können sehr schnell abhängig machen", meint Blienert.

Ärzt:innen fordern derweil mehr Aufklärung über die neuartigen Produkte der Tabakindustrie. Durch beigemischte Aromastoffe wie Wassermelone, Mango oder Minze hätten die Beutelchen eine ähnliche Anziehungskraft wie Vapes. Deswegen werden jetzt auch wieder Forderungen laut, das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten auf Internetforen und Social Media auszuweiten.

(mit Material von dpa)

Bis zu vier Euro pro Liter: Darum ist Orangensaft gerade so teuer

Die Lebensmittelpreise sind in Deutschland weiterhin hoch. Manche Verbraucher:innen müssen sich im Supermarkt ganz genau überlegen, welche Produkte sie in den Einkaufswagen legen und welche lieber nicht.

Zur Story