Wer durch Tiktok oder Instagram scrollt, stößt irgendwann unweigerlich auf Videos mit Essen. Manche Accounts haben sich darauf spezialisiert, jeden Tag neue Rezepte zu posten, die selbst Kochmuffel leicht nachkochen können. Andere hingegen haben es sich zur Aufgabe gemacht, regelmäßig Restaurants und Food-Spots zu testen und ihre Meinung darüber mit den Follower:innen zu teilen.
Da geht es beispielsweise um die Frage, wo man den besten Döner Berlins findet oder wie man zu Hause einen perfekten Dubai-Schokoladen-Cheesecake backen kann. Leckeres Essen, simple Rezepte – viel mehr muss es manchmal gar nicht sein.
Auf Tiktok und Instagram gibt es aber auch eine Bubble, in der sich viele Fitness-Fans versammeln, um sich darüber auszutauschen, wie man noch gesünder leben kann. Dabei geht es sowohl um ausgefeilte Sportroutinen als auch um eine Ernährung, die die sportlichen Erfolge unterstützt. Auf den Accounts der Fitness-Influencer:innen findet man dann gerne mal Werbung für Proteinpulver, Energieriegel oder Nahrungsergänzungsmittel.
Genau das sehen einige Menschen aber kritisch, weil die Produkte teils hoch-verarbeitet sind und industriell hergestellt werden. Vielleicht trendet auch deshalb gerade auf Social Media eine Ernährungsweise, bei der man mehr auf natürliche Lebensmittel setzt.
"Gottesnahrung" nennt sich der aktuelle Ernährungstrend, zu dem sich auf Tiktok und Instagram zahlreiche Videos finden. Dabei geht es darum, keine verarbeiteten Lebensmittel oder solche mit vielen künstlichen Zusatzstoffen zu konsumieren. Stattdessen soll man nur noch natürliche Produkte einkaufen.
Von "Gottesnahrung" ist dabei deshalb die Rede, weil manche davon ausgehen, dass beispielsweise Kohlrabi, Hühnereier und Fleisch vom Rind direkt aus der Natur stammen und als Teil der Schöpfung "von Gott gegeben" sind; sie beziehen sich teils auch auf die Bibel, um ihre Ernährung zu begründen. Darüber berichtet unter anderem das Nachhaltigkeitsportal "Utopia".
Für andere ist Religion weniger ausschlaggebend. Aber egal, ob gläubig oder nicht – die meisten achten darauf, dass sie Lebensmittel im Rohzustand kaufen. Wenn es keine Zutatenliste gibt, handelt es sich um "Gottesnahrung", lautet beispielsweise eine Faustregel.
In den auf Social Media geteilten Videos erklären viele, dass ihnen auch die Qualität der Nahrungsmittel wichtig sei; viele setzen also auf Bio-Produkte, damit ihr Essen nicht durch Pestizide oder Düngemittel belastet ist. Manche wollen auch kein Leitungswasser mehr trinken, weil es Schadstoffe enthalten könne. Stattdessen kaufen sie sich Quellwasser.
Fakt ist: Das Leitungswasser in Deutschland hat eine ausgesprochen hohe Qualität. Quellwasser gilt tatsächlich als sehr rein, kann aber in einigen Fällen trotzdem durch Schadstoffe belastet sein. Das gilt ebenso für Bio-Produkte, auch wenn für sie strengere Vorschriften gelten als für Lebensmittel aus konventioneller Landwirtschaft.
Manche "Gottesnahrung"-Fans ziehen laut "Utopia" auch wegen überzogener oder Gesundheitsversprechen Kritik auf sich. Denn auch wenn viele der empfohlenen Lebensmittel gesund sind, seien sie keine Wundermittel, um Krankheiten zu heilen. Zudem hat es manchmal einen guten Grund, warum man bestimmte Produkte nicht roh zu sich nehmen sollte.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt zum Beispiel davor, Rohmilch zu konsumieren, weil sie mit krankmachenden Keimen kontaminiert sein kann. "Die gesundheitlichen Risiken von rohen Lebensmitteln werden häufig unterschätzt", sagt auch BfR-Präsident Andreas Hensel. Gerade rohe Lebensmittel vom Tier sollten aus seiner Sicht "nur ausreichend erhitzt" verzehrt werden. Das gelte insbesondere für Schwangere, Kinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem.
Abgesehen davon finden sich unter dem Hashtag Gottesnahrung auch immer wieder Videos, die wohl mehr provozieren, als andere von dem Ernährungsstil zu überzeugen sollen. Wie soll man es sonst erklären, dass jemand rohe Eier, Buletten, einen ganzen Kohlrabi und eine Kiwi-Frucht (natürlich mit Schale) gleichzeitig isst.