Wahnvorstellungen, Halluzinationen und sozialer Rückzug – wer solche Symptome an sich bemerkt, könnte unter einer Psychose leiden. Für Betroffene kann die psychische Erkrankung sehr belastend wirken.
Sie berichten von Stimmen in ihrem Kopf, die mit ihnen reden und sich nicht abschalten lassen. Etwa jeder zehnte Mensch soll laut Informationen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gelegentlich oder häufiger Stimmen hören, die niemand in seinem Umfeld wahrnimmt.
Forschende der RUB testen jetzt eine neue Therapieform, die bei einer Psychose helfen könnte. Betroffene sollen die Stimmen nicht mit Medikamenten betäuben – sondern stattdessen mit ihnen reden.
Professorin Mar Rus-Calafell leitet das außergewöhnliche Projekt. Sie ist Expertin auf dem Gebiet der Psychoseforschung und bietet im Rahmen einer Studie erstmals eine Virtual-Reality-Therapie in Deutschland an.
Bei der sogenannten AVATAR-Therapie können die Betroffenen eine virtuelle Abbildung ihrer inneren Stimme anfertigen und dann mit ihr ins Gespräch kommen. Unterstützt werden sie dabei von Therapeut:innen. Während sie eine VR-Brille tragen, sollen sie in der Therapiestunde lernen, Alltagssituationen zu bewältigen – trotz Stimme im Kopf.
"Es geht darum, die Stimme zu kontrollieren, der Stimme selbstbewusst entgegenzutreten", erklärt Rus-Calafell. Denn wer die Stimme visualisiert, kann ihr auch aktiv widersprechen – wie in einem Streitgespräch.
Bisher wird eine diagnostizierte Psychose in der Regel medikamentös behandelt, um die Symptome zu lindern und den Alltag der Erkrankten erträglicher zu machen, wie das Universitätsklinikum Bonn (UKB) schreibt. Zudem befinden sich Betroffene oft in einer kognitiven Verhaltenstherapie, um zu lernen, mit ihren Erfahrungen umzugehen.
Die VR-Therapie könnte zukünftig einen neuen Therapieansatz bieten. Die Wirksamkeit der Studie aus Bochum sei bereits durch andere internationale Studien belegt, schreibt die Universität. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Teilnehmenden dank der neuartigen Therapieform seltener Stimmen hörten und sich auch seltener von ihnen belastet fühlten. In einigen Fällen sei die Stimme sogar ganz verschwunden.
Die aktuelle Studie soll jetzt erstmals Erfolge bei deutschen Patient:innen mit Psychose im Frühstadium nachweisen. Außerdem wollen die Forschenden das Verfahren durch die Virtual-Reality-Umgebung weiter ausbauen und verbessern, um Alltagssituationen nachzustellen und zu trainieren.
Aktuell sucht die Studie in Deutschland noch Teilnehmende. Zugelassen werden Personen ab 16 Jahren, die mindestens eine psychotische Episode erlebt haben und seit mindestens sechs Monaten Stimmen hören. Die Studie wird in ungefähr 13 Terminen durchgeführt.