Beliebter Urlaubsort in Frankreich bietet Gourmet-Essen für 1 Euro an
Marseille – die vielleicht vielfältigste Stadt Frankreichs – erlebt gerade eine kulinarische Revolution. Immer mehr Restaurants kombinieren gehobene Küche mit sozialem Engagement. Ihr Ziel: Genuss für alle, unabhängig vom Geldbeutel.
Hinter der eleganten Fassade des "Le République" läuft der Mittagstisch auf Hochtouren. Auf den Tellern: geräucherte Meeräsche mit Fenchelsalzbutter und Heukäse mit Reisflocken, zubereitet vom Sternekoch Sébastien Richard. Tourist:innen und Einheimische genießen das Menü aus regionalen Bio-Zutaten.
Doch dieses Restaurant ist anders. Hier arbeitet ein frisch entlassener Häftling in der Küche. Rund 40 Prozent der Gäste zahlen nur einen Euro für ihr Drei-Gänge-Menü. Und für einige ist es das erste Mal überhaupt, dass sie in einem Restaurant essen.
Marseille: Bewegung der "Restaurants solidaires"
Le République ist eines von etwa zehn sogenannten "Restaurants solidaires" – soziale Betriebe, die kulinarischen Genuss und Gemeinschaft miteinander verbinden. Ein weiteres Beispiel ist L’Après M, ein ehemaliges McDonald’s, das frühere Angestellte nach der Schließung übernommen haben.
Heute gibt es dort Gourmet-Burger von einem Drei-Sterne-Koch, begleitet von algerischem Rap. Gleichzeitig liefert das Team kostenlos gesunde Mahlzeiten an Bedürftige.
Das jüngste Mitglied dieser Bewegung ist "Chaleur", eröffnet im Juni 2025. Dort kostet ein Mittagessen mit Wein rund 25 Euro. Wer sich das nicht leisten kann, zahlt den tarif suspendu von 8 Euro. Andere Häuser wie Le République arbeiten mit Hilfsorganisationen zusammen, um 1-Euro-Menüs zu ermöglichen.
Warum sollte man also keinen Gewinn machen, wenn das Essen so beliebt ist? "Wohltätigkeit ist im Grunde egoistisch – sie zeigt nur, dass ich in meiner Arbeit Sinn finden möchte", sagt Mitgründer Raphaël Raynard gegenüber der BBC. "Uns bereichert, zu wissen, dass unsere Arbeit Menschen verbindet und hilft."
Das Team schenkt regelmäßig Kaffee an Obdachlose aus und spendete kürzlich 300 Mahlzeiten an streikende Arbeiter:innen.
Community-Treffpunkt: Restaurant, Kita und Lernort zugleich
In La Cabucelle, einem Arbeiterquartier über dem Alten Hafen, steht das Le Réfectoire. Hier sind die Einkommen niedrig, Freizeitangebote rar. Betreiberin Léna Cardo hat den Ort als Mischung aus Restaurant, Nachbarschaftszentrum und Lernort eröffnet.
"Jeden Montag gibt eine Lehrerin ehrenamtlich Geschichtsunterricht für Mütter", erzählt Cardo. "Dienstags hilft eine Beraterin kostenlos bei der Jobsuche."
Auch Sprachkurse und Kinderbetreuung gehören dazu – und natürlich gutes Essen: Doradenfilet mit provenzalischen Kartoffeln oder Couscous mit Ziegenkäse-Galette, meist für rund 12 Euro.
Mittwochs übernehmen Gastköch:innen aus Ländern wie Kongo oder Marokko die Küche. Überschüsse fließen in lokale Sozialprojekte. "Wenn Tourist:innen hier essen", sagt Cardo, "unterstützen sie direkt Menschen, die Hilfe brauchen."