Neuer Mystery-Schimmel entdeckt, der Strahlung fressen kann: Lösung für großes Problem?
Tschernobyl gilt als einer der gefährlichsten Orte der Welt – doch ausgerechnet dort macht sich eine Lebensform breit, die niemand erwartet hätte: schwarzer Schimmel, der offenbar nicht nur Strahlung aushält, sondern sich regelrecht davon angezogen fühlt. Er könnte irgendwann Weltraumreisende schützen.
Als die Biologin Nelli Zhdanova 1997 in die zerstörten Räume des Reaktorblocks von Tschernobyl steigt, entdeckt sie etwas, das dort eigentlich nichts zu suchen hat: schwarzer, melaninreicher Schimmel, der Wände, Decken und sogar Metallkanäle überwuchert.
Während draußen Wölfe und Wildschweine zurückkehrten, hatten sich im Inneren Pilze breitgemacht – mitten in Bereichen mit teils absurd hohen Strahlenwerten. Und noch faszinierender: Der Schimmel wächst nicht weg von der Strahlung, sondern direkt auf sie zu.
Zhdanova prägte dafür später den Begriff Radiotropismus – die Fähigkeit, sich wie Pflanzen zum Licht, nur eben zur Radioaktivität hin, auszurichten.
Schimmel, der unter Strahlung gedeiht
Die Pilze sind pechschwarz, weil ihre Zellwände voll mit Melanin stecken. Genau das Melanin, das auch unsere Haut dunkler färbt und vor UV-Licht schützt. Zhdanova vermutete laut BBC, dass das Melanin vielleicht auch als Schutzschild gegen ionisierende Strahlung wirkt.
Doch nicht nur das. Weitere Forschung zeigte, dass manche dieser Pilze schneller wachsen, wenn sie radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind. 2007 wies die Nuklearforscherin Ekaterina Dadachova nach, dass melaninhaltige Pilze mit radioaktivem Cäsium bis zu zehn Prozent schneller wachsen. Ihre Hypothese ist noch nicht bewiesen, aber Dadachova vermutet, dass die Pilze die Energie der Strahlung nutzen, ähnlich wie Pflanzen das Sonnenlicht nutzen. Der Name dafür: Radiosynthese.
Pilze blocken Strahlung ab
Nicht alle melaninhaltigen Pilze reagieren so. Doch die Schwarzschimmel-Art Cladosporium sphaerospermum, die Zhdanova in Tschernobyl fand, machte erneut Schlagzeilen: im Weltraum.
Bei einem Experiment auf der Internationalen Raumstation (ISS) wuchs sie in kosmischer Strahlung 1,21-mal schneller als die Vergleichsproben auf der Erde. Zwar ist noch offen, ob Strahlung oder Schwerelosigkeit der Grund war – aber der Effekt ist da.
Die Pilze blockten außerdem messbar mehr Strahlung ab, je dicker die Schicht wurde. Daraus lässt sich schließen, dass ein bisschen Schimmel im All als Schutzschild dienen kann.
Warum die Schimmel-Entdeckung wichtig für die Zukunft ist
Auf der Erde schützt uns die Atmosphäre vor galaktischer Strahlung. Auf dem Mond oder Mars sieht das anders aus. Künftige Mondbasen brauchen dringend leichte, effektive Schutzschichten – Metall und Wasser sind zu schwer, um sie in großen Mengen ins All zu befördern.
Die NASA denkt inzwischen ernsthaft über "Myko-Architektur" nach: Also Wände und Strukturen aus Pilzen, die direkt auf dem Mond oder Mars gezüchtet werden. Selbstheilend, leicht, effizient – und potenziell strahlungsresistent.
Und so könnte der Schimmel, der Tschernobyl erobert hat, eines Tages dafür sorgen, dass Menschen sicher auf anderen Planeten leben können.
