In vielen Bundesländern haben die Abiturprüfungen bereits begonnen, in manchen stehen sie spätestens im Mai an. Nicht jedem oder jeder Schüler:in fällt es leicht, das Gelernte auf Kommando hervorzurufen oder gelassen in die Prüfungen zu gehen. Das fiese Kribbeln im Bauch, schwitzige Hände und Nervosität sind noch auszuhalten, doch bei manchen sorgt die Prüfungsangst für einen echten Blackout. Allein ist man damit nicht: Etwa 40 Prozent aller Studierenden, jeder sechste Schüler und jede vierte Schülerin leiden darunter.
Damit dir das nicht passiert, hat sich watson von Kinder- und Jugendtherapeutin Miriam Hoff Tipps geben lassen, was man gegen Prüfungsangst tun kann. Die Autorin des Buches "Mind is Magic", weiß, wie man möglichst gelassen durch die Abi-Zeit kommt.
Es ist der Auftakt unserer neuen Reihe "Hacks für die Seele", in der wir ab jetzt öfter über mentale Gesundheit schreiben. Es soll um Fragen zu den Themen Depressionen, Ängste und Gefühle gehen. Und wir wollen Hilfestellung geben in schwierigen Situationen: Hacks für die Psyche eben.
"Rein fachlich gesehen ist Prüfungsangst eine Unterkategorie der sozialen Angst – denn letztlich ist sie die Angst vor Bewertung durch andere, die Angst, nicht gut genug zu sein", sagt die Therapeutin Miriam Hoff. Der Betroffene befürchte, dass er den Anforderungen der Prüfung nicht entsprechen kann. "Dem zugrunde liegt oft eine Versagensangst. So steht er sich selbst im Weg und kann sein vorhandenes Wissen manchmal nur zum Teil oder gar nicht abrufen."
Dann kommt es zum gefürchteten Blackout führen, nichts geht mehr, der oder die Betroffene muss die Prüfung abbrechen.
Wenn die Angst vor Prüfungen so stark wird, dass ein Schul- oder Unibesuch nicht mehr möglich ist oder keine Abschlüsse erworben werden können, spätestens dann sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Von Prüfungsangst betroffen sind vor allem Menschen mit negativen Vorerfahrungen, also solche, die schon mal durch Prüfungen gefallen sind oder sich ungerecht behandelt fühlten.
Es gibt aber auch Eigenschaften, die bei bestimmten Persönlichkeiten zur Entwicklung von Prüfungsangst führen können. Dazu gehören Menschen mit einem Drang nach Perfektionismus und hohen Ansprüchen an sich selbst. Doch es gibt noch weitere Faktoren, sagt die Therapeutin:
Nicht zuletzt vergrößern auch mangelnde Vorbereitung, zu wenig Schlaf und ein schlechtes Zeitmanagement die Angst vor der Prüfung. Aber, meint Miriam Hoff, Prüfungsangst ist auch ein Stück weit normal und kann sogar positive Auswirkungen haben, wenn sie nicht allzu stark ausgeprägt ist. "Dann kann sie dafür sorgen, dass wir umso leistungsfähiger sind. Denn durch die Angst wird Adrenalin freigesetzt und das befähigt uns wiederum, besonders wach und reaktionsfähig zu sein, ja sogar über uns hinauszuwachsen."
Vor und während einer Prüfung stellen sich Symptome wie Zittern, erhöhter Puls, generelle Unruhe, Bauchkribbeln, Übelkeit oder sogar Schwindel ein. Im Gegensatz zum entspannten Zustand, bei dem der Parasympathikus, also der Ruhenerv aktiv ist, wenn wir müde oder entspannt sind oder uns regenerieren, wird in einer Prüfungs- und Stresssituation der Sympathikus im Gehirn aktiviert, der Teil, der für Flucht, Kampf und Angriff zuständig ist.
Alles im Körper gerät in erhöhte Alarmbereitschaft, denn man stellt sich auf eine externe Bedrohung ein. Im Extremfall kommt es zu Panikattacken und dem Gefühl, ausgeliefert zu sein oder ohnmächtig zu werden.
Meist entwickelt sich eine Prüfungsangst schon früh, etwa im Grundschulalter, und möglicherweise reicht ein einziges einschneidendes Ereignis, um Zweifel und Unsicherheiten für künftige Prüfungen zu säen. "Einmal verhauen, immer verhauen, das setzt sich im Kopf fest", sagt Hoff im Gespräch mit watson. Faktoren, die zu solch einer Einstellung führen, gibt es viele: überhöhte elterliche Erwartungen, intellektuelle Überforderung oder eine langsamere Verarbeitungsgeschwindigkeit, die dem Zeitdruck in der Prüfung nicht Stand hält.
Damit Prüfungsangst erst gar nicht entsteht, lohnt es sich, schon im Vorfeld einer Prüfung rechtzeitig sein Mindset in die richtige Richtung zu lenken, meint Miriam Hoff. Hier ein paar Lieblings-Lern-Hacks ihrer Patienten:
Manchmal zweifelt man an sich und wird unsicher: Man hat zwar den ganzen Tag gelernt – aber wo ist der Beweis? Was ist hängen geblieben? Da hilft ein großes Bonbonglas. Genau so eins besorgst du dir, nur dass du keine Bonbons, sondern nach jeder Lerneinheit (ca. 20 min) kleine bunte Zettel hineinpackst. Mit der Zeit wächst der bunte Zettelberg und du kannst so sichtbar machen, dass du tatsächlich schon viel gelernt hast.
Wenn du am Ende deiner Ausbildung oder Schullaufbahn stehst, hast du bereits viele Jahre des Lernens und der Prüfungen hinter dir. Das, was jetzt noch vor dir liegt, ist sozusagen nur noch die Kür. Es kann helfen, wenn du dir das wie einen langen Marathon vorstellst, den du schon gelaufen bist. Du bist jetzt kurz vor der Ziellinie und hast sie schon im Blick.
Genauso verhält es sich mit den Abschlussprüfungen – geh da rein in dem Stolz und mit dem Gefühl, es jetzt so gut wie geschafft zu haben. Hole nochmal die letzten Reserven aus dir raus, um dann mit einem breiten Grinsen in der Prüfung durch das Zielband zu laufen. So bringst du den Fokus weg von der Angst und hin zur Siegesfreude.
Diese Technik vereint gleich vier Tools in sich. Wenn du während der Prüfung nicht mehr weiter weißt, kannst du diese vier Techniken einfach direkt anwenden – eine davon oder auch mehrere holen dich aus dem Blackout. Merke dir den Satz: Trutchen wird Gutes leisten.
Du tappst abwechselnd rechts und links mit den Händen auf die Knie oder einfach mit den Füßen auf den Boden. Diese monotone Bewegung hat eine tief beruhigende Wirkung und bringt die beiden Gehirnhälften wieder ins Gleichgewicht.
Du wackelst einfach mit den Fußzehen – das lenkt dich ab, bringt die Durchblutung weg vom Kopf hin zu den Füßen, löst damit die Blockade im Kopf und lässt dich gut fühlen.
Wenn du gähnst, bist du normalerweise müde, also entspannt. Gähnst du nun künstlich, denkt dein Gehirn: Keine Gefahr – fährt alles runter und hört auf, Adrenalin und damit das Stresshormon zu produzieren. Auch hier sorgt wieder ein körperlicher Reiz für eine positive psychische Reaktion.
Ähnlich wie beim Gähnen lächelst du künstlich für ein bis zwei Minuten – es darf auch ein breites Grinsen sein. Auch hier kann dein Gehirn nicht unterscheiden, ob es aufgesetzt oder echt ist. Es wird Signale von Entspannung und "alles ist gut" senden – somit hat die Nervosität keine Chance mehr und die Blockade im Kopf löst sich auf.
Der Merksatz "Trutchen wird Gutes leisten" ist deshalb so wichtig, weil er hilft, dich an jede einzelne Technik trotz Aufregung in der Prüfung zu erinnern. "Außerdem bringt er inhaltlich eine positive Bootschaft mit sich und du trickst die Angst gleich doppelt aus", betont die Therapeutin Hoff.