Männer, die Sex kaufen, kann man in drei Gruppen aufteilen: Männer, die Sex als "Grundversorgung" betrachten, Männer, die darin "Hedonismus" nachgehen und Männer, die dadurch "soziale Intimität" erfahren. Teilweise überlappen sich die Typen auch.
Aus einem Bericht der "Initiative Kundschaft pro Sexarbeit" geht außerdem hervor, dass die meisten Männer bei sexuellen Dienstleistungen den sogenannten "Girlfriend Sex" suchen. Ihnen geht es weniger um Kinks oder BDSM-Angebote, sondern mehr um "regulären" Geschlechtsverkehr mit anschließendem Plausch.
Männern scheint es beim Kauf von Sex also vor allem um Nähe, Intimität und die Versorgung ihrer Bedürfnisse zu gehen. Aber auch Frauen kaufen sexuelle Dienstleistungen.
watson hat mit Leni, Bianca und Kascha (bei allen Namen handelt es sich um selbstgewählte Pseudonyme der Frauen) gesprochen. Die Gespräche zeigen, wie unterschiedlich die Beweggründe sein können – und was sie eint.
Leni ist seit 17 Jahren in einer harmonischen Beziehung – aber der Sex ist eingeschlafen. Ihr Partner bringt außerdem traumatische Erfahrungen mit, die Nähe erschweren. Als sie das erste Mal einen Callboy buchte, hatten Leni und ihr Partner seit drei Jahren keinen Sex mehr. Für sie war Sex als Dienstleistung ein Weg zurück zur eigenen Lust:
Dating-Apps kamen für Leni auf der Suche nach mehr sexueller Nähe nicht infrage: "Ich hatte da schlechte Erfahrungen – viele plumpe, respektlose Nachrichten, seltsame Typen. Es fühlte sich nicht sicher an." Das Buchen eines Callboys hingegen sei eine professionelle Dienstleitung – "klar besprochen, sicher, ohne verletzte Gefühle".
Die Erlebnisse mit einem Callboy helfen ihr nicht nur auf individueller Ebene, sondern entlasten auch die Beziehung: "Ich komme von solchen Begegnungen oft beschwingt zurück, mit mehr Lust, auch meinem Partner wieder körperlich näherzukommen. Das überträgt sich positiv auf unsere Dynamik."
Für Bianca war es nach einer Trennung der Wunsch nach körperlicher Nähe ohne feste Bindung, der sie veranlasste, zum ersten Mal einen Callboy zu buchen. "Ich wollte frei bleiben, aber nicht auf Intimität verzichten."
Auch sie entschied sich bewusst gegen Dating-Apps und betont die professionelle, vertrauensvolle Atmosphäre in der Sexarbeit:
Heute lebt Bianca in einer offenen Beziehung und erlebt Sexarbeit als Möglichkeit, ihre Bedürfnisse auf Augenhöhe zu erfüllen. "Es ist ein Beruf, der Nähe ermöglicht – und das in einer Gesellschaft, in der viele vereinsamen. Das kann sehr wertvoll sein."
Aber Bianca kennt auch die Stigmatisierung der Szene, vor allem wenn Frauen offen mit ihren Bedürfnissen umgehen. Davon, dass sie immer wieder sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmt, wissen nur ihr Partner und eine gute Freundin. Als sie sich in der Vergangenheit einmal einem Freund dahingehen öffnete, brach dieser den Kontakt zu ihr ab: "Er konnte nicht nachvollziehen, dass ich als Frau Sex kaufe – obwohl er mir selbst mal erzählt hatte, dass er Sexarbeiterinnen aufgesucht hat. Das war für mich sehr enttäuschend."
Kascha suchte nicht primär nach sexueller Abwechslung, sondern einen Weg, sich selbst wieder zu spüren. Nach Studienabschluss und Pandemie-Lockdown fühlte sie sich körperlich entfremdet. "Ich brauchte einen Impuls, um wieder Zugang zu mir selbst zu finden – körperlich und sexuell."
Die Buchung eines Callboys wurde für sie zur Form der Selbstfürsorge. Ihrem Partner gegenüber macht sie deutlich: "Ich suche nicht Ablenkung, sondern Entwicklung."
Kascha ging es bei ihrer Erfahrung nicht nur um Sexualität. Deshalb entschied sie sich für einen Callboy, der mit einem sensiblen Ansatz arbeitet und auf Wunsch Bilder und Filme macht:
Die Erfahrung half ihr, ihren Körper neu zu sehen, zu akzeptieren – und mit mehr Achtsamkeit in die eigene Beziehung zurückzukehren. "Ich habe Berührung neu gelernt." Für sie war es eine Form von sexueller Selbstermächtigung. "Ich wollte einfach nur Lust empfinden, berührt werden, spüren. Ohne Ziel. Ohne Zweck."
Mittlerweile bezieht Kascha keine sexuellen Dienstleistungen mehr:
So unterschiedlich die Ausgangslagen von Leni, Bianca und Kascha auch sind – eines haben sie gemeinsam: Sie entscheiden bewusst über ihre Sexualität. Keine der Frauen sieht in der Buchung sexueller Dienstleistungen ein Ausweichen vor Problemen – sondern vielmehr einen aktiven Schritt zu mehr Selbstbestimmung, innerer Freiheit oder körperlichem Wohlbefinden sowie dem Ablegen von Scham.
Was sie suchen, ist nicht "nur" Sex – sondern Intimität, Sicherheit, Entwicklung oder Heilung. Sie alle meiden Dating-Apps oder Affären, weil sie dort Respekt und Kontrolle vermissen. Und sie alle empfinden die professionelle Struktur der Sexarbeit als klar, sicher und entlastend.
Dabei spielt auch ein gesellschaftliches Tabu eine große Rolle. Alle drei Frauen berichten von Erfahrungen mit einer gewissen Doppelmoral und mit Unverständnis. Und davon, diesen Teil ihres Lebens sehr geheim zu halten. Dass Männer Sex kaufen, wird oft hingenommen. Dass Frauen das Gleiche tun, sorgt immer noch für Irritation.
Dabei zeigen diese Gespräche: Weibliche Sexualität lässt sich nicht auf Liebe oder Beziehung reduzieren, wie es häufig noch von Frauen erwartet wird. Sie ist vielfältig und verdient es genauso wahrgenommen zu werden, wie männliche Sexualität es seit eh und je tut.