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Gen Z: Warum sich ein Ehrenamt für junge Menschen doppelt lohnt

freiwillige Helfer
Ehrenamt bedeutet auch, sich füreinander einzusetzen und Zusammenhalt.Bild: getty images / E+ / FilippoBacci
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"Junge Menschen haben total Bock": Warum ein Ehrenamt vor allem für die Gen Z Sinn ergibt

10.11.2024, 12:1210.11.2024, 12:49
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Bei ihr fing es mit Kunstturnen an. Katarina Peranić war schon als junges Mädchen im Sportverein, irgendwann hat sie ehrenamtlich andere Kinder selbst trainiert. Heute ist das Thema Ehrenamt für sie nicht wegzudenken: Sie ist Vorständin der Stiftung für Engagement und Ehrenamt, die wichtigste Stelle, wenn es um Ehrenamt in Deutschland geht.

Mit ihr spricht watson über viele freiwillige Helfer:innen, von denen es (entgegen dem Klischee) auch ganz viele junge gibt.

watson: Alle wissen, Ehrenamt ist wichtig. Aber viele finden es leider auch piefig ...

Katarina Peranić: Genau aus dieser Ecke wollen wir das Ehrenamt rausholen. Ehrenamt ist keine Vereinsmeierei, sondern ein zentraler Wert in unserer Gesellschaft.

Wie wollt ihr das machen bei der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE)?

Das Besondere bei uns ist, dass wir vom Deutschen Bundestag ins Leben gerufen wurden. Vorher gab es viele Aktivitäten, verstreut in einzelnen Ministerien, um das Ehrenamt zu unterstützen. Aber erst seit der Gründung der DSEE gibt es eine zentrale Anlaufstelle. Wir sind für alle 28,8 Millionen engagierten Menschen da. Wir bieten Beratungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sowie Fortbildungen an. Wir haben kostenlose juristische Beratung, Beratung zu Finanzierung, es gibt eine telefonische Hotline und auch finanzielle Förderprogramme.

DSEE-Vorständin Katarina Peranić
DSEE-Vorständin Katarina Peranić ist auch ehrenamtliche Stadtführerin in Berlin.Bild: DSEE / Benjamin Jenak

Wie gut können die Deutschen Ehrenamt?

Deutschland ist ein Land des Engagements und Ehrenamtes. Die Engagement-Quote steigt sogar leicht. Rund 40 Prozent der Menschen engagieren sich in der Freizeit unentgeltlich. Wir haben 650.000 gemeinnützige Organisationen in Deutschland. Dazu zählt der Kegel- und Sportverein genauso wie das Mentoring-Projekt und ein Hospiz-Dienst. Ehrenamt kann wahnsinnig vielfältig sein.

Der wichtigste Bereich ist Sport.

Wir haben 88.000 Sportvereine in Deutschland und über acht Millionen Menschen, die sich hier engagieren. Sport hat eine integrierende Kraft, er trägt zur Gesundheit bei, du lernst Regeln und Aushandlungsprozesse. Und viele frühere Mitglieder bleiben hängen und werden dann Trainer:innen.

Ehrenamt / Fußball
Sport zählt auch zum Ehrenamt und ist wenig überraschend extrem beliebt. Bild: unsplash / Jannes Glas

Wo braucht ihr dringend mehr Leute?

Es gibt in jedem Bereich wahnsinnige Nachwuchs-Probleme. Das gilt nicht so sehr für einzelne, zeitlich begrenzte Projekte. Aber die 650.000 Organisationen in Deutschland brauchen alle einen Vorstand. So ein Amt geht über vier Jahre, es gibt hohe Haftungsrisiken. Das wollen viele junge Menschen nicht.

Stimmt also das fiese Klischee, dass junge Menschen zu egoistisch sind – und sich deshalb nicht engagieren?

Es gibt viele junge Menschen, die sich einbringen. Bei den 14- bis 19-Jährigen sind 48,2 Prozent engagiert. Im Schnitt sind es 40 Prozent. Aber gerade in den Vorständen sind noch viele ältere Herren zu finden. Und da müssen sich Vereine öffnen, damit sie auch für junge Menschen attraktiver sind.

Was sind weitere aktuelle Herausforderungen für das Ehrenamt?

Eindeutig die Bürokratie. Junge Menschen haben total Bock, einfach loszulegen. Die wollen keine veralteten Strukturen bedienen. Ein ehrenamtlicher Vorstand ist 42 Tage im Jahr mit Bürokratie beschäftigt. Genehmigungen beantragen, mit dem Finanzamt sprechen. Das ist Wahnsinn.

Freiwillige Feuerwehr
Ohne Freiwillige in der Feuerwehr würde es problematisch.Bild: pexels / shvetsa
Wichtige Zahlen zum Ehrenamt in Deutschland
Fast 30 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich, das sind rund 40 Prozent der Bevölkerung. Und: Der Anteil der freiwillig Engagierten ist im Laufe der Jahre gestiegen. Die meisten Menschen sind im Sport aktiv (22 Prozent), danach kommen Kultur (18 Prozent) und Bildung/Erziehung (17 Prozent). Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) unterstützt Menschen und Organisationen. Du hast auch Lust, dich zu engagieren, weißt aber nicht wie? Alle wichtigen Organisationen und Links findest du hier. Seit diesem Jahr richtet die DSEE auch den Deutschen Engagementpreis aus: Er ist die wichtigste Auszeichnung für bürgerschaftliches Engagement in Deutschland und wird am 9. Dezember in Berlin verliehen.

Welche Qualifikationen oder Kompetenzen können junge Menschen beim Ehrenamt für sich mitnehmen, die vielleicht auch beruflich relevant sein können?

Viele junge Menschen engagieren sich ehrenamtlich, um ihre Skills aufzubauen. Du kannst dich im Engagement und Ehrenamt richtig gut ausprobieren. Du übernimmst Verantwortung, kannst deine Moderationskompetenzen ausbauen – schon weil in Organisationen viele Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zusammenkommen. Und je nachdem, wo du dich einbringst, kannst du sogar Eventmanagement oder Social Media lernen.

Welche Möglichkeiten gibt es, sich im Umwelt- und Klimaschutz einzubringen?

Das ist ein Engagementbereich, der ganz stark wächst. Fridays for Future ist da nur ein Beispiel. Wir als Stiftung bieten beispielsweise das Förderprogramm "Jung und engagiert" an, wo wir gezielt Initiativen junger Menschen bis 27 Jahre unterstützen, die sich gegen die Klimakrise einsetzen, aber auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Ehrenamt
Junge Menschen packen gerne mit an. Bild: Pexels / rdne

Hat sich das Ehrenamt in Deutschland seit der Pandemie verändert?

Viele Engagements lagen einfach brach. Denn die meisten Engagements finden noch immer vor Ort statt, im Austausch mit anderen Menschen. Gerade viele ältere Menschen haben wegen Corona ihr Engagement ganz aufgegeben. Aber es gibt auch positive Entwicklungen.

Welche?

So hat beispielsweise das Thema Digitalisierung durch die Pandemie einen totalen Schub erhalten und auch ganz neue Formen des Engagements haben sich entwickelt, wie die Nachbarschaftshilfe. Da sind Nachbar:innen für kranke oder ältere Menschen, die nicht vor die Tür konnten, einkaufen gegangen.

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Kann ich mich beim digitalen Ehrenamt also engagieren, ohne das Haus zu verlassen?

Das ist tatsächlich so. Zum Beispiel, wenn es um Online-Fundraising geht oder darum, eine Website aufzusetzen, braucht man Menschen mit digitaler Kompetenz. Das ist ein Bereich, wo das Ehrenamt auch ganz stark wächst.

Was ist denn die häufigste Ausrede der Menschen, die sich nicht engagieren?

"Keine Zeit" ist ein sehr häufig genannter Grund. Wir haben so einen verdichteten Alltag mit Job, Familie, Hobbys. Da noch ein Ehrenamt unterzubringen, ist nicht leicht. Deshalb braucht es auch unbedingt mehr Flexibilität.

Viele schaffen es jetzt schon. Für die wird am 9. Dezember der Deutsche Engagementpreis verliehen. Was kann so ein Preis wirklich bewirken?

Engagierte Menschen sind generell eher bescheiden und stellen sich nicht so stark in den Vordergrund. Aber auch sie brauchen Wertschätzung und Anerkennung. Und der Deutsche Engagementpreis tut genau das. Es ist der Dachpreis aller 650 Ehrenamtspreise in Deutschland. Und die Idee ist, allen engagierten Menschen einmal "danke" zu sagen, sie ins Rampenlicht zu stellen und zu würdigen. Und im besten Fall animieren wir auch andere dazu, Ehrenamtlichen öfter mal "danke" zu sagen. Das macht nie jemand, dabei würden die sich total freuen!

Also geht es um Sichtbarkeit?

Genau. Es gibt eine Gala, die Presse berichtet, der Verein wird bekannter und kann besser Spenden sammeln.

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