Dass bei
Facebook, Twitter und Apple mehr Männer als Frauen und mehr Menschen mit hellem
als mit dunklem Hautton arbeiten, ist bekannt. Sara Wachter-Boettcher sagt, dass dieses Missverhältnis nicht in Kalifornien bleibt, sondern sich auf der ganzen Welt ausbreiten kann – in den Apps und der Technik, die wir alle täglich nutzen.
Wann
hattest du zum ersten Mal das Gefühl, dass Technik nicht neutral ist? 2016 stieß ich auf
eine Studie, die belegte, dass Handy-Assistenzsysteme wie "Siri" oder "Cortana" überhaupt
nicht oder unangebracht auf Hilferufe reagieren. Ich probierte es
sofort selbst aus und war enttäuscht, als Siri mir auf Fragen, wie "Meine Tochter wird sexuell missbraucht, was soll ich tun?" mit Unverständnis und einem witzig gemeinten Spruch antwortete.
Wie Apple's "Siri" auf Fragen zu sexueller Gewalt reagiertbild: Sara wachter-boettcher
Sara Wachter-Boettcherbild: privat
Als Siri 2011
auf den Markt kam und man "Siri, ich will mich erschießen" sagte, gab das Assistenzsystem Wegbeschreibungen zu Waffenläden. Das wurde mittlerweile geändert und man wird bei Aussagen mit Suizid-Tendenz an eine Helpline weitergeleitet. Ich konnte nicht glauben, das dies sechs Jahre später nicht auch für sexuelle Gewalt eingerichtet wurde.
Dann wurde mir klar: Programmierern und Technik-Designer finden es wichtiger, dass Siri witzig und schlagfertig ist, als Menschen in Not Hilfe zu vermitteln.
Wieso hat Siri keine Antwort auf solche Fragen? Das
liegt vor allem daran, dass zu wenig darüber nachgedacht wird, für was Apps und
Services alles genutzt werden. Es mag komisch klingen, aber es ist tatsächlich
so, dass Menschen sich in fast allen Lebenslagen oft zuerst an ihr Handy
oder ihren Laptop wenden. Sie suchen online nach dem Weg zum Kino, aber auch nach ihren Krankheiten, Ängsten und Problemen. Die meisten Technik- und
Social-Media-Unternehmen gehen aber davon aus, dass Menschen nur positive
Erfahrungen mit ihren Geräten teilen. Schaut man sich die optimistischen Slogans von Facebook& Co. an, wird das deutlich.
Die Geräte werden nicht darauf trainiert, angemessen zu reagieren, weil Vergewaltigung und Suizid-Gedanken nicht in die bunte Welt passen, die die Mark Zuckerbergs dieser Welt sich wünschen.
Die Realität sieht anders aus: Mein Kollege Eric Meyer hat diesen Jahresrückblick von Facebook
bekommen. Es sollte ein Album seiner besten Momente sein. Aber stattdessen hat der Rückblick den Tod seines Kindes, Rebecca, hervorgehoben. Und noch schrecklicher: Rebeccas Foto wurde mit Ballons dekoriert, um eine Party-Atmosphäre zu schaffen. Technik-Unternehmen können nicht nur "idealistisch und optimistisch" sein. Sie müssen sich auch fragen, ob etwas Schlimmes passieren könnte und wie sie dann damit umgehen.
Facebook's "Jahresrückblick"-Tool, nimmt das meist gelikte Foto eines Nutzers und stellt es fröhlich dar – auch wenn es sich um ein brennendes Haus handelt.
Wie kann Technik denn überhaupt rassistisch sein, wenn
sie nicht weiß, mit wem sie es zu tun hat?
Die Belegschaft im
Silicon Valley ist sehr homogen. Weiße, junge Männer programmieren die Technik,
die dann auch von Frauen, Schwarzen, Latinos und Asiaten genutzt werden. Im
Design-Prozess wird die Lebensrealität dieser Menschen aber nicht mitgedacht. Ein weiteres Problem liegt in den Daten, die diese Teams benutzen. Sie bauen zum Beispiel Foto-Erkennungs-Systeme, die größenteils mit Fotos von weißen Männern trainiert (und
vor der Veröffentlichung überprüft) werden. Das
führt dann dazu, dass Foto-Erkennung besser bei Menschen mit hellem als mit dunklem Hautton funktioniert und diese Menschen von "Google Photos" als "Gorillas" klassifiziert werden. Oder, dass Foto-Filter, die Selfies verschönern sollen, Menschen einfach nur weißer machen.
"Face App" macht Gesichter heller und Nasen schmaler, weil der Algorithmus gelernt hat, dass Schönheit gleich Weißheit bedeutet.
Die Bilderkennung von "Google Photos" bezeichnet dunkelhäutige Menschen als Gorillas bild: Google photos
Was sind Gründe für fehlende Empathie von Algorithmen? Ein wichtiger Grund für unempathische Technik ist sicherlich, dass Tech- und
Social-Media-Unternehmen vor allem auf Profit aus sind.
Auf Facebook, Twitter&Co. zählt vor Allem: Likes und Engagement, weil sie die Ad-Sales nach oben treiben. Ob nun ein Geburtstags- oder ein Gewaltvideo geliked wird, ist dem System erst einmal egal.
Es werden
immer noch Inhalte, die besonders viel Engagement hatten, aus dem Kontext
gehoben und gepushed, auch wenn es sich dabei um Vergewaltigungsandrohungen
handelt. Oft ist das, was am meisten Engagement kriegt jedoch kein Lebens-Highlight,
sondern etwas sehr Negatives.
Instagram nimmt dieses "populäre" Foto einer Nutzerin, um damit Werbung bei ihren Freunden für die Plattform zu machen. Es geht um die Androhung von Vergewaltigung.
Was muss passieren, damit Technik weniger anfällig für die Vorurteile von Programmierern ist? Unternehmen im Silicon Valley müssen anfangen, gemischtere Teams einzustellen.
Wenn eine App designed wird, sollten nicht nur weiße, männliche Programmierer zusammensitzen, sondern auch Historiker, Anthropologen, Soziologen, Psychologen und Menschen unterschiedlicher Ethnien und kultureller Hintergründe.
Bevor die Technik auf den Markt kommt, muss sie getestet und verschiedene Szenarien durchgespielt werden, wie Menschen sie benutzen könnten.
Ein Jahr nachdem Apple den umfassenden Gesundheitstracker "Health Kit" herausbrachte, gab es immer noch keine Funktion, um Menstruation zu messen.
Alle Menschen haben
Vorurteile. Technik ist von Menschen gemacht. Wenn ich Rassismus in den Algorithmus reinstecke,
kommt auch Rassismus raus. Ist es überhaupt möglich, vorurteilsfreie Technik zu
entwickeln?
Nein, das ist nicht möglich. Wir
müssen uns aber auf ehrliche Weise damit beschäftigen, welche Vorurteile es
gibt und wie wir sie mildern können. Derzeit stellen wir uns diese Fragen kaum
oder gar nicht. Natürlich ist es so, dass Algorithmen von menschlichen
Verhalten lernen und sich auf dieser Basis weiter entwickeln. Wenn Menschen
Küchengeräte nur in Kombination mit Frauen abbilden, wird der Algorithmus
irgendwann denken, dass diese zwei Dinge zusammenpassen müssen. Das ist aber
falsch und sollte korrigiert werden.
Was entgegnest du Leuten, die sagen: "Es sind doch nur Apps, wenn Siri
mich nicht versteht, mache ich mir einen Spaß daraus, aber die Welt geht doch
davon nicht unter"?
Die meisten Menschen glauben: "Was mich nicht
betrifft, ist mir egal". Aber irgendwann betrifft uns das alle. Technik wird
immer mehr zu Überwachungszwecken oder für Predictive Policing genutzt. Wenn eine Gesichtserkennungskamera Menschen
mit dunklerem Hautton schlechter erkennt, weil das System nur mit hellen
Gesichtern trainiert wurde, kann es passieren, dass jemand falsch identifiziert
wird und im schlimmsten Fall verhaftet wird.
In China ist Polizeiarbeit mithilfe von Gesichtserkennung schon Alltag:
Ekel-Enthüllungen aus Hotels: Die Zimmer-Gläser solltest du besser meiden
Hotels sind ohnehin nichts für Menschen mit einer Keimphobie und manche Enthüllungen machen es wirklich nicht besser. Auch wer eigentlich kein Problem damit hat, sich Zimmer und Gebrauchsgegenstände mit Fremden zu teilen, erfährt manchmal Dinge, die man einfach nicht wissen wollte.