Die spießigen Nachbar:innen tragen beim Grillen Socken in Sandalen. In der Gemeinschaftsdusche schwimmt noch die Suppe des Vorgängers. Und die Nächte im Wohnwagen sind stickig und unbequem. Über Camping-Urlaube gibt es zahlreiche Horror-Klischees. Dabei verbringen in Deutschland immer mehr Menschen ihre Ferien in Zelten, Wohnwägen oder Wohnmobilen.
Im Jahr 2023 wurden laut Statistischem Bundesamt rund 42,3 Millionen Campingübernachtungen verzeichnet – ein neuer Höchststand. Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es noch 35,8 Millionen gewesen. Davon profitieren auch Online-Portale wie camping.info. Dort sind über 23.000 Campingplätze in ganz Europa zu finden.
Geschäftsführer Maximilian Möhrle ist schon seit seiner Kindheit Camping-Fan und bezeichnet sich selbst als Dauercamper. Im Gespräch mit watson zerlegt er gängige Klischees, erklärt die Dos und Dont’s für Neulinge und beantwortet, was Camping für ihn so einmalig macht.
watson: Egal ob als Kind oder als Erwachsener – die erste Camping-Erfahrung kann sehr prägend sein. Welche Erinnerungen kommen dazu bei dir auf?
Maximilian Möhrle: Da ging es mit meinen Eltern im Wohnmobil nach Mecklenburg-Vorpommern, weil wir uns im Herbst Kraniche anschauen wollten. Am Ende hat es 14 Tage durchgeregnet (lacht). Der Urlaub hatte also seine Längen, aber was ich als Kind immer so gemütlich fand, war, wenn die wohlig warme Luft der Heizung durchs Wohnmobil zog und draußen der Regen aufs Dach prasselte. Das liebe ich bis heute. Und die Kraniche haben wir damals trotz miesem Wetter gesehen.
Wie oft warst du mittlerweile campen?
Also ich war das erste Mal mit acht oder neun Jahren campen. Und seitdem sind sehr viele Nächte auf Campingplätzen dazugekommen, ich schätze, da komme ich insgesamt auf ein ganzes Jahr.
Dann bringst du eine Menge Expertise mit, um ein paar gängige Camping-Klischees unter die Lupe zu nehmen. Ist es so unhygienisch, wie es heißt?
Camping ist nicht unhygienisch. Ich schaue mir beruflich sehr viele Campingplätze an und das Erste, was mir die Betreiber zeigen, sind die Sanitäreinrichtungen. Ein Hotelier würde dir vielleicht sein Schwimmbad oder Wellness-Bereich zeigen, aber auf dem Campingplatz werden dir erst mal die Toiletten gezeigt. Das liegt auch daran, dass die Deutschen im Ausland dafür bekannt sind, sehr auf Sauberkeit zu achten.
Manche Urlauber:innen haben im Wohnmobil auch ein Klo, das regelmäßig geleert werden muss.
Das stimmt, das sind die sogenannten Toilettenkassetten. Davon bin ich ehrlich gesagt kein Fan, deswegen gehe ich auch nicht auf die Toilette im Wohnwagen, sondern nutze die Sanitäranlagen vor Ort. Aber es gibt ganz viele Camper, die stört das überhaupt nicht.
Nächstes Klischee: Ist es wirklich so, dass Camping und Luxus sich ausschließen?
Nein, da gibt es eine große Bandbreite. Es gibt manche Menschen, die mögen es sehr ursprünglich und übernachten gerne im Zelt. Denen macht es dann auch nichts aus, dass sie jede Nacht auf der Isomatte schlafen. Andererseits gibt es aber auch Luxus-Wohnmobile, für die man gut und gerne eine Million Euro ausgeben kann. Das ähnelt dann einem ausgebauten Lkw. Innen drin hast du eine Regendusche und ein riesiges Bett und kannst gleichzeitig noch hinten den Porsche reinfahren.
Wird es im durchschnittlichen Wohnwagen bei Dauerregen nicht eng und ungemütlich?
Das liegt ein wenig an einem selbst, wie gemütlich es wird. Camper sind ja meistens Macher und Tüftler. Der eine schätzt ein gewisses Geschirr, die andere einen bestimmten Matratzentyp. Das kann man ja alles in so ein Wohnmobil einbauen oder mitnehmen. Und genau das ist es, was Camper schätzen: Dass sie sich im Urlaub ein zweites zu Hause schaffen können. Im Hotel ist das nicht so leicht möglich.
Wenn ich mich für die Variante ohne Glamour entscheide, wie viel Geld muss ich in die Hand nehmen?
Also ein gebrauchter Wohnwagen ist schon für unter 10.000 Euro zu haben, neue bekommt man für die doppelte Summe. Für ein neues Wohnmobil muss man mindestens 40.000 ausgeben. Und dann gibt es noch diese Kastenwagen, die man selbst ausbaut oder schon ausgebaut sind. Die kosten ähnlich viel.
Und welche Möglichkeiten gibt es zum Mieten?
Da gibt es zwei Möglichkeiten: Manche Campingplätze stellen Mietwohnwagen, das heißt, man kann einfach mit dem Auto anreisen. Das empfehle ich besonders den Leuten, die Camping mal ausprobieren wollen. Andererseits gibt es natürlich ganz klassisch Wohnmobile und Wohnwägen zum Mieten.
Welche Kosten muss man abgesehen davon einplanen?
Die Miete auf dem Platz, Strom und Wasser. In der Regel hat man wie beim klassischen Pkw noch eine Versicherung und dann kommen noch die üblichen Instandhaltungsmaßnahmen bei einem Fahrzeug hinzu.
Und wie erkennt man einen guten Campingplatz?
Das ist abhängig vom persönlichen Geschmack beziehungsweise den individuellen Bedürfnissen. Also will man lieber am Meer oder in den Bergen sein? Sind Hunde auf dem Campingplatz erlaubt? Hat man Kinder mit dabei? Das sind alles Faktoren, die eine Rolle spielen können. Auf unserem Portal camping.info kann man gezielt nach Campingplätzen suchen, die der eigenen Urlaubsvorstellung entsprechen.
Welche Tipps kannst du einem Camping-Neuling mit auf den Weg geben?
Erstens würde ich sagen: In der Ruhe liegt die Kraft. Man sollte sich nicht stressen, weil am Ende vergisst man die Hälfte oder man fährt mit dem Wohnmobil gegen etwas, weil man die Größe unterschätzt. Stress ist wirklich ein Killer für den Camping-Urlaub.
Zweitens sollte man sich vorher Gedanken machen, welche Art Urlaub man sich wünscht. Wenn es zum Beispiel ein Familienurlaub werden soll, dann braucht man wahrscheinlich einen Spielplatz in der Nähe oder anderweitig Animation für die Kinder. Wenn man einen Urlaub zu zweit plant und abschalten will, dann ist eine WLAN-Verbindung vor Ort vielleicht egal und man kann auch eher an abgelegene Campingplätze fahren, um einfach die Natur zu genießen.
Was sollte man unbedingt vermeiden?
Also ein typischer Anfängerfehler ist, irgendwo an einer Autobahn-Raststätte die Nacht zu verbringen. Da wird man schnell Opfer von Diebstahl oder Einbrüchen. Oder es passiert, dass man in der Nacht von der Polizei geweckt wird. Wildcampen ist in Deutschland nämlich verboten. Was man auch vermeiden sollte, ist es, das Wohnmobil oder den Wohnwagen zu überladen. Das kann schnell gefährlich werden und leider kommt es deswegen auch immer wieder zu Unfällen. Das Leergewicht und wie viel man zuladen darf, steht im Fahrzeugschein.
Was sollte man als Anfänger:in sonst noch beachten?
Man sollte immer offen für andere Camper sein. Einige Neulinge grüßen beispielsweise nicht. Ich glaube, das ist keine Bösartigkeit, aber das "Hallo" gehört auf dem Campingplatz einfach dazu. Auch für ein Gespräch mit dem Nachbarn, der vielleicht schon viel Camping-Erfahrung hat, sollte man offen sein, weil man da als Anfänger viel lernen kann.
Ist diese Offenheit der Menschen auch der Grund, warum du so eine Leidenschaft fürs Camping entwickelt hast?
Mir als Camper ist diese Toleranz und Offenheit sehr wichtig. Dass wirklich diese gegenseitige Wertschätzung erhalten bleibt und sich nicht einer für etwas Besseres hält, weil er zum Beispiel sehr viel Geld für sein Wohnmobil ausgegeben hat. Dann hat eben einer Spaß daran, mit einem Luxusmobil unterwegs zu sein, aber der andere steht dann vielleicht im Zelt daneben und abends trinken sie zusammen ein Bier. Das finde ich toll, weil auf dem Campingplatz jeder sein darf, wie er ist. Camping ist mehr als Urlaub, das ist ein Hobby, das ist eine Lebensform.