Leben
Interview

Nyzzu: Neue App soll sichere Alternative zu Tiktok und Instagram sein

Die neue App "Nyzzu" ist wie Instagram, aber in sicher.
Die neue App "Nyzzu" ist wie Instagram, aber in sicher.Bild: siddharth / unsplash
Interview

Deutsche Alternative zu Tiktok und Insta? Eltern gründen entschleunigte App

Als ihre eigenen Kinder in das Alter kamen, in dem Smartphones und Social Media interessant werden, stellten zwei Hamburger Eltern fest: Auf dem Markt gab es keine App, die sie ihren Kindern guten Gewissens erlauben würden. Daraufhin wagten Nina Lindenblatt und Kai Afflerbach einen krassen Schritt – sie gründeten eine neue Social-Media-App.
15.06.2025, 15:1015.06.2025, 15:10
Mehr «Leben»

"Nyzzu" soll ein digitales Netzwerk bieten, das Menschen aus dem echten Leben miteinander verbindet. Weil nichts algorithmisch gesteuert wird, sei die App frei von Suchtmechanismen, versprechen die Gründer:innen.

Zudem werden keine Daten an Dritte weitergegeben und nur, wer zu den eigenen Kontakten gehört, sieht, was gepostet wird. Fremde haben keine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen – gerade in Bezug auf Kinderschutz ein wichtiger Aspekt.

Was ihre App weniger toxisch machen soll als Tiktok und wie die zwei Hamburger:innen ganz ohne Daten-Verkauf Geld verdienen wollen, fragte watson im Gespräch mit den Gründer:innen nach.

Social Media App aus Deutschland - Nyzzu Gründer:innen Nina Lindenblatt (45) und Kai Afflerbach (53) aus Hamburg
Nina Lindenblatt und Kai Afflerbach gründeten die App Nyzzu.Bild: PR / Nyzzu

watson: Ihr seid beide nicht aus der Tech-Branche. Wie kommt man dann auf die Idee, eine App zu gründen?

Nina Lindenblatt: Eigener Leidensdruck. Kai und ich kennen uns durch unsere Kinder. Als die ihr erstes Smartphone bekamen, haben wir festgestellt: Es gibt keine Social-Media-App, die wir ihnen gerne aufs Handy packen würden. Die Algorithmen der üblichen Apps verleiten zu ewigem Scrollen, führen schnell zu problematischem Content oder absurdem, durch Influencer getriebenen, Konsum.

Wie sieht eure App aus?

Nina: Die ursprüngliche Idee war ein digitales Freundschaftsbuch, davon mussten wir aber abrücken, weil es zu statisch war. Nun gleicht das Konzept anderen Social-Media-Apps, mit Feeds und Profilen, auf die aber nicht die ganze Welt gucken kann, sondern nur deine Kontakte. 2021 beauftragten wir erste Programmierer damit, jetzt sind wir richtig am Start.

Ihr werbt damit, frei von Suchtmechanismen und sicher für Kinder zu sein. Wie soll das gehen?

Kai Afflerbach: Bei uns gibt es keinen öffentlichen Content. Du wirst nur mit Menschen vernetzt, die du im Telefonbuch hast und die dich ebenfalls im Telefonbuch haben. Es kann keiner von außen irgendwelche Gruppeneinladungen oder DM's schicken. Screenshots sind auch nicht möglich. Gerade bei Portalen, wo sich Kinder tummeln, ist das wichtig.

"Jugendliche posten manches lieber bei uns als bei Snapchat oder Insta, weil sie sagen: Da muss es nicht Hochglanz sein."
Nina Lindenblatt

Wie stellt ihr sicher, dass kein sexuell explizites oder gewaltverherrlichendes Material unter den Jugendlichen selbst geteilt wird?

Nina: Wir haben, wie andere Portale auch, eine KI, die sensible Bilder herausfiltert, das funktioniert mal besser, mal schlechter, zugegeben. Aber wenn es ein Problem gibt, kann das natürlich gemeldet werden. Übrigens haben wir auch einen Schimpfwort-Filter, den wir regelmäßig aktualisieren – die App ist schließlich für Kinder.

Obwohl die App für Jugendliche ist, gibt es auch Erwachsene, die sie nutzen?

Nina: Klar. User:innen können Gruppen erstellen für Schule, Freund:innen oder Familie. Da posten dann mehrere Generationen: der Enkel, wenn er beim Fußball gewonnen hat und die Oma ihren Trip zur Nordsee.

Das kommt bei den Teenagern gut an? Finden die das nicht peinlich, mit den Eltern vernetzt zu sein?

Nina: Sie können ja Gruppen mit Freund:innen erstellen oder einzelne Posts auf "Privat" stellen. Aber Jugendliche posten manches lieber bei uns als bei Snapchat oder Insta, weil sie sagen: Da muss es nicht Hochglanz sein. Die Posts sind authentisch und für Menschen, die uns wohlgesonnen sind. Man konkurriert nicht mit Schönheitsidealen und Lifestyles aus aller Welt, muss Trolle ertragen oder sich verkaufen. Das nimmt viel Druck.

Kai: Viele suchen eine Alternative zu Plattformen aus dem Ausland, wo man nie weiß, was mit den Daten passiert. Wieder andere merken an sich selbst, dass die üblichen Apps süchtig machen und ihre Zeit fressen.

Darstellungen von Content in der Nyzzu-App.
Darstellungen von Content in der Nyzzu-App.Bild: nyzzu

Wie verhindert ihr diesen Scroll-Rausch?

Kai: Der Content deiner Kontakte ist ja irgendwann erschöpft. Du schaust dir an, was deine Freund:innen so getrieben haben, kommentierst, postet selbst und dann war es das. Es erfolgt keine Weiterleitung von einem krassen Video zum nächsten.

Nina: Das Interessante daran ist: Manchmal ist dieser Dopamin-Wunsch damit schon befriedigt.

Wie schützt ihr die Daten der User:innen?

Kai: Die Daten liegen auf einem deutschen Server und werden nicht an Dritte weitergegeben. Wir betreiben auch keine Datenanalyse, um Algorithmen zu füttern oder erfassen die Verknüpfungen unser Nutzer:innen. Wir verzichten zudem auf personalisierte Werbung.

"Wir haben nicht vor, der nächste Mark Zuckerberg zu werden. Wir müssen nur schauen, dass sich die App selbst trägt."
Kai Afflerbach

Aber wenn ihr auf das alles verzichtet, wie finanziert ihr euch denn dann? Kostet die App was?

Kai: Nein, sie ist kostenlos. Das Geld zur Gründung kam bislang von Freund:innen und Familie. Momentan geht es uns nur darum, Reichweite zu generieren. Wenn wir wachsen, planen wir kostenpflichtige Subscriptions mit zusätzlichen Funktionen anzubieten, die dann vor allem für Eltern interessant wären. Aber da sind wir noch in der Entwicklung.

Ist die App werbefrei?

Kai: Bislang schon. Ein bisschen Werbung muss irgendwann sein, aber in einer Testphase haben wir festgestellt, dass schon wenige, harmlose Adds für Schullandheime und Sprachkurse ausreichen würden. Wir haben nicht vor, der nächste Mark Zuckerberg zu werden. Wir müssen nur schauen, dass sich die App selbst trägt.

Das Konzept klingt bestimmt attraktiv für viele. Trotzdem habt ihr nur etwa 1000 Mitglieder. Woran hakt es?

Nina: Daran, dass alle die Idee zwar toll finden, die App dann aber nicht herunterladen, also den nächsten Schritt machen. Eine geschlossene Social-Media-App macht aber nur Spaß, wenn Kontakte darin sind, mit denen man sich austauscht ...

Etwas anderes: Wenn es um den Schutz vor Kindern in sozialen Netzwerken geht, warum dann nicht einfach ein Social-Media-Verbot bis 16 Jahre?

Nina: Ich halte es für wichtiger, Kindern den gesunden Umgang mit der digitalen Welt beizubringen, in der sie ja nun mal leben. Zum Beispiel, dass man keine Einladungen von Fremden annimmt. Keine Fotos ohne Consent postet. Digitale Erziehung muss für Lehrer:innen und Eltern normal werden, wenn sie ernstzunehmende Anlaufstellen für Kinder sein wollen.

Also mehr Digital-Erziehung auch an Schulen?

Nina: Interessanterweise haben sich mehrere Schulen bei uns gemeldet, die Nyzzu gerne im Unterricht verwenden würden, um digitale Bildung zu betreiben, Videos zu produzieren, Social Media zu erklären und als Klasse miteinander in Kontakt zu bleiben. An solchen Projekten arbeiten wir derzeit parallel.

Aber das würde ja alle Schüler:innen dazu nötigen, ein Smartphone zu besitzen?

Nina: Die App ließe sich auch über iPads nutzen. Aber die Wahrheit ist: Spätestens ab der fünften Klasse haben alle Kinder in Deutschland ein Smartphone. Oft geht das schon in der Grundschule los. Das ist das, was ich meine: Kinder leben digital, so oder so. Aber sie brauchen einen geschützten Rahmen, um sich dort austoben zu können.

Musikbranche am Limit: Neue Soforthilfe bei Stress, Sucht und Burnout
Dauerstress, kein Schlaf, Druck pur: Eine neue 24/7-Coaching-Plattform will jetzt Menschen aus der Musikbranche mental auffangen – bevor sie ausbrennen.

Lange Nächte, Jetlag, Stress, Applaus und danach direkt in den Tourbus. Das Leben auf der Bühne mag nach Glanz und Glamour aussehen, aber hinter den Kulissen ist es oft anders. Genau deshalb gibt es jetzt ein neues 24-Stunden-Hilfsangebot für Menschen aus der Musikindustrie. Und zwar weltweit, jederzeit buchbar – ob Backstage, im Nightliner oder im Hotelzimmer nach dem Gig.

Zur Story