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Homöopathie und Esoterik: Welche Beweise Unsinn sind

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Wenn du diesem Gesichtsausdruck gegenübersitzt, gibt es gleich einen Vortrag.Bild: getty images/E+ / alvarez
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"Aber meiner Tante hat's geholfen": Warum sich Streit über Homöopathie nicht lohnt

20.12.2024, 19:02
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Ob Energiesteine gegen Kopfweh oder Kinesiologie bei einem Kinderwunsch – in der Debatte um alternative Heilmethoden kann man am Familientisch nur verlieren. Denn was für manche Menschen Aberglaube ist, ist für andere eine Herzens-Überzeugung.

Dieser delikaten Angelegenheit haben sich Maximilian Doeckel und Jonathan Focke verschrieben. Als Quarks "Science-Cops" gehen sie umstrittenen Theorien auf den Grund. Nun haben die zwei Wissenschaftsjournalisten ein Buch geschrieben.

In "Aber meiner Tante hat's geholfen" (Rowohlt Verlag), erklären sie – der Untertitel sagt es schon – "wie wir Scheinargumente, unwissenschaftlichen Unsinn und Pseudoexperten entlarven".

Wir sprachen mit den beiden über kognitive Verzerrung und den Mut, sich einzugestehen, dass man falsch lag.

watson: Welcher Typ Mensch neigt besonders dazu, Heilsversprechen zu glauben?

Jonathan: Auf Heilsversprechen kann jeder und jede reinfallen. Das hat nicht unbedingt mit Bildung oder Intelligenz zu tun. Oft sind es Menschen, die im Gesundheitssystem schlechte Erfahrungen gemacht haben, Menschen, denen Ärztinnen und Ärzte nicht helfen konnten oder auch Menschen mit chronischen Krankheiten, die verzweifelt nach Linderung suchen. In solchen Situationen kommen die Versprechen mancher Wunderheiler und Scharlatane gerade recht.

Max: Die Methoden, mit denen die Wundermittel angepriesen werden, sind häufig perfide darauf ausgelegt, Vertrauen zu wecken. Um sie zu durchschauen, muss man die Tricks kennen und sehr wachsam sein.

"Wenn man im Kindesalter mit esoterischen Ideen und alternativmedizinischen Therapien in Kontakt kommt, ist es später sehr schwierig, sich davon loszusagen."
Maximilian Doeckel

Aus welchem Motiv heraus werden diese Erzählungen in die Welt gesetzt. Ist das Profitgier?

Max: Da ist sicherlich eine Menge Profitgier im Spiel und es gibt durchaus Wunderpillen-Verkäufer, bei denen es sehr wahrscheinlich ist, dass sie genau wissen, dass ihre "Heilmittel" in Wirklichkeit völlig nutzlos sind. Aber dann gibt es auch diejenigen, die felsenfest davon überzeugt sind, dass ihr Mittel oder ihre Therapie funktioniert.

Ein Beispiel?

Max: Johann Grander. Der hat Geräte erfunden, mit denen man sein Leitungswasser "beleben" könne. Angeblich bekomme das Wasser dadurch eine besondere innere Struktur und wenn man es trinkt, würde man sich besser fühlen. Wissenschaftlich gesehen ist das kompletter Blödsinn. Aber Herr Grander glaubte wirklich, er hätte da eine grandiose Erfindung gemacht.

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Jonathan: Bei vielen dieser Angebote spielt auch Esoterik eine große Rolle. Im Internet bieten Heilerinnen an, kosmische Energieströme anzuzapfen. Oder sie kommunizieren mit "Geistwesen", die ihnen bei der Diagnose helfen. Wer sowas verspricht, glaubt meistens auch, dass es das tatsächlich gibt.

Was ist der größte Trick von Quacksalbern?

Jonathan: Das stärkste Argument ist immer die sogenannte anekdotische Evidenz. Also dass Geschichten erzählt werden von Menschen, denen ein Mittel angeblich geholfen hat. Auf den Websites dieser Quacksalber findet man meist Hunderte angeblicher Erfahrungsberichte von Menschen, die von sensationellen Heilungen berichten. Ob die echt sind, lässt sich kaum überprüfen.

Buchcover "Aber meiner Tante hat's geholfen"
Das ist das Buch von Maximilian Doeckel und Jonathan Focke.bild: rowohlt verlag

Und?

Jonathan: Nur weil jemand glaubt, dass ihm irgendein Mittel bei seinen Bauchschmerzen geholfen hat, ist das noch kein Beweis für die Wirksamkeit. Vielleicht wären die Bauchschmerzen auch von alleine weggegangen oder es war ganz einfach der Placeboeffekt. Die Wirksamkeit eines Heilmittels lässt sich nur in gut gemachten wissenschaftlichen Studien feststellen.

Max: Genau da setzen viele Wundermittel-Verkäufer mit einer weiteren Strategie an, die wir in unserem Buch ganz genau erklären: "Sciencewashing". Die Hersteller verpassen ihrem Produkt einen wissenschaftlichen Anstrich, indem sie Studien zitieren oder sich auf Professoren oder sogar Nobelpreisträger berufen. Das macht natürlich Eindruck. Oft zeigt sich aber bei genauem Hinsehen, dass der als Kronzeuge zitierte Experte zwar Professor ist, aber für Elektrotechnik – und von der Behandlung von Darmbeschwerden keine Ahnung hat.

"Keiner gibt gerne zu, dass er falsch liegt."
Jonathan Focke

Wie schwierig ist es, sich einzugestehen, dass man sich verrannt hat?

Max: Super schwierig! Besonders, wenn man schon im Kindesalter mit esoterischen Ideen und alternativmedizinischen Therapien in Kontakt kommt, ist es später sehr schwierig, sich davon wieder loszusagen. Uns berichten immer wieder Menschen davon, was das für ein Kampf ist. Denn ganz oft bedeutet das heftige Auseinandersetzungen mit Familien und Freunden bis hin zum Kontaktabbruch.

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Bei manchen Argumenten kann man sich echt nur an den Kopf fassen.Bild: pexels / Claudia Barbosa

Jonathan: Besonders schlimm wird es, wenn man sich so sehr in den Glauben an wirkungslose Therapien hineingesteigert hat, dass man bei einer schweren Erkrankung eine wirksame "normale" Behandlung ablehnt. Sich zum Beispiel bei Krebs nicht operieren lässt, weil man glaubt, den Krebs mit Nahrungsergänzungsmitteln bekämpfen zu können oder mit der Kraft der Gedanken. Bei manchen kommt die Einsicht, dass sie sich verrannt haben, dann zu spät.

Lohnen sich denn Debatten am Weihnachtstisch über Globuli, Impfungen und Energiesteine?

Jonathan: Nein. Die Wahrscheinlichkeit, dass das gut geht und man irgendwen überzeugt, ist nahe null. Die Wahrscheinlichkeit für ein ruiniertes Weihnachtsfest hingegen liegt bei 99 Prozent. Keiner gibt gerne zu, dass er falsch liegt. Erst recht nicht, wenn viele Menschen mit am Tisch sitzen. Das heißt aber nicht, dass man Menschen, die an die heilende Kraft von Edelsteinen oder die tödliche Gefahr von Impfungen glauben, nicht überzeugen kann. Nur gelingt das meistens nicht in einer direkten Diskussion, bei der man schnell in eine Verteidigungshaltung gerät.

Sondern?

Johnathan: Besser ist es, diesen Menschen Informationen an die Hand zu geben, die sie zu einem späteren Zeitpunkt für sich allein anschauen können. Das können Onlinetexte sein, Bücher oder Podcasts, die Menschen dazu anregen, ihre Ansichten kritisch zu hinterfragen.

Max: Menschen, die jahrelang glühende Homöopathie-Fans waren, schreiben uns, dass unser Podcast sie zum Nachdenken gebracht hat und sie jetzt kritischer auf Alternativmedizin schauen. Wir hoffen, dass das mit unserem Buch auch gelingt. Uns geht es überhaupt nicht darum zu sagen: "Du bist blöd, weil du an die Wirkung von Globuli oder Bachblüten glaubst!" Sondern zu zeigen, warum jeder von uns für die Argumente solcher Wunderheiler anfällig ist und wie man sich davor schützen kann.

Warum fühlt man sich so angegriffen, wenn jemand etwas anzweifelt?

Jonathan: Weil das schnell nach "Bei dir stimmt irgendwas nicht" klingt. Wir verlassen uns ja darauf, dass uns unsere Sinne und unser Denken sicher durch den Alltag bringen. Nur gibt es halt Situationen, da zieht unser Denken voreilige Schlüsse. Wir neigen zum Beispiel dazu, aus einem zeitlichen Zusammenhang auch einen ursächlichen Zusammenhang zu machen. Aus "Ich habe Globuli genommen" und "abends waren meine Kopfschmerzen weg" ziehen wir voreilig den Schluss: "Die Globuli haben die Kopfschmerzen beseitigt".

Max: Sich klarzumachen, dass wir immer wieder solchen kognitiven Fehlschüssen aufsitzen können, ist sehr schmerzhaft. Aber es ist der erste notwendige Schritt, um weniger anfällig zu werden für die Versprechen von Wunderheilern und Quacksalbern.

Was sollte Alarmsignal Nummer eins sein?

Max: Wenn ein Versprechen zu gut klingt, um wahr zu sein, ist das immer eine Red Flag. Eine Pille, mit der man Abnehmen kann, ohne Sport oder Diät zu machen. Vitamin-Kapseln, die einen ein Leben lang vor Krebs bewahren. Oder wenn ein einziges Mittel bei jeder Krankheit helfen soll, vom Hautausschlag bis zum Hirntumor. Ein solches Wundermittel gibt es nicht und wenn doch, dann wäre es nicht nötig, das Mittel in obskuren Onlineshops zu kaufen, die ihre Kunden mit Rabattaktionen locken.

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